zurück   Der Ursprung: Hebels Quelle für sein Seinesgleichen

 

 

 

 

 

 

181.

 Von einem Gasconier, welcher eine gu-
 te Mahlzeit genoß, ohne sie be-
 zahlen zu dürfen.

 Ein Gasconier welcher zu Fuße wanderte,
 und dessen Geldbeutel ziemlich ausgeleeret
 war, mußte endlich vor großem Hunger in ei-
 ne Herberge gehen, und sich zu essen geben las-
 sen. Er ließ sich recht gut tractiren.  Nachher

 

 

       

rief er den Wirth, ließ sich mit ihm in eine Un-
 terredung ein und that allerley Fragen.  Er
 fragte, wer der Herr dieses Dorfes sey, in wel-
 cher Provinz es liege, unter welches Bißthum,
 Kirchspiel, und Amt, es gehöre? Nachdem man
 ihm alles beantwortet hatte, fragte er weiter,
 ob dieses Land durch hergebrachte Gebräuche,
 oder nach ordentlichen Gesetzen, regieret würde,
 und ob es bey der Gerichtsbarkeit viel kostete,
 wenn man einen todt schlüge, aber Gnade vom
 Landesherrn erhielte. Man gab ihm auch hier-
 rinn das erforderliche Licht. Er fragte weiter,
 wie man hier einen Edelmann strafen würde, der
einen Thürhuter getödtet hätte.  Der Wirth ant-
 wortete, daß die Strafe unterschieden sey, und
wenn der Thürhůter eine Frau und Kinder ge-
 habt würde es ihm mehr kosten, als wenn er
 nicht verheyrathet gewesen. Der Gasconier wel-
 cher wußte, daß der Wirth nicht verheyrathet
 war, sagte daß er einen ledigen Menschen mey-
 ne, der weder Frau, noch Kinder, habe. Der
Wirth antwortete, daß er in dem Fall einer
 Mordthat nichts gewisses sagen könnte; er habe
 aber einen Menschen, der einen andern mit dem
 Degen gehauen zu zehn Thalern Strafe und
 zur Bezahlung des Wundarztes condemniren gese-
 hen. Allein, sagte der Gasconier, wie viel gie-
 bet man für eine Ohrfeige? Einen Thaler, ant-
 wortete der Wirth. So gebet mir denn eine,
 sagte der Gasconier, und gebet mir das Uebri-
 ge heraus; denn ich habe kein Geld meine Zeche
zu bezahlen. Wie, rief der Wirth, denket ihr

 
     

mich mit solcher Münze zu bezahlen? Ihr müsset
 euren Rock hier lassen; denn in diesem Stücke
 verstehe ich keinen Scherz. Reizet mich nicht,
 sagte der Gasconier, sonst will ich bald machen, daß ihr, wie ein Hase laufen sollet. Ich, erwie-
 derte der Wirth, ich will sehen, wer mich von
 meiner Stelle bringen soll. Ich wette um mei-
 ne Zeche, sagte der Gasconier, daß ihr geschwin-
 der laufen sollet, als ihr Lust habet. Gut, ant-
 wortete der Wirth, es sey darum. Hierauf renn-
 te der Gasconier fort, und der Wirth lief hinter-
 drein, um seine Bezahlung zu haben. Als der
 Gasconier ohngefähr hundert Schritte gelaufen
 war, stand er stille. Nun sagte er, sehet ihr
 wohl, daß ihr verlohren habet, und nicht wei-
 ter berechtiget seyd, von mir etwas zu for-
 dern? Der Wirth mußte ohne Geld umkeh-
 ren, und der Gasconier setzte seine Reise unge-
 hindert fort.

   
  zurück  


                     

 

 

  nach oben