zurück   Der Ursprung: Hebels Quelle für sein  Lange Kriegsfuhr

 

 

 

 

  Der brave Knecht *.

In einem schwäbischen Dorfe lebte eine
Famille ehriich und zufrieden und ihrem klei-
nen Bauerngut von dem Verdienste, den sie
sich durch vier rüstige Rosse erwarb. Als im
Jahre 1850 die Oestreicher sich vor den Fran-
zosen zurückzogen, mußte der Bauer seine
beiden Züge vorspannen. Bei der ersten Sta-
tion wurden die Pferde, da nicht genug an-
dre zu haben waren, bis zur nächsten Stadt
wieder gebraucht, der Knecht mochte vorstel-
len und bitten, wie er wollte. Da er endlich
entlassen wurde, sah und hörte er daß er
nicht mehr sicher in sein Dorf kommen könne.
Die Franzosen waren schon weit vorgerückt.
Der, gute Bauer, der ohnehin in jenen Tagen
schon um sehr Vieles gekommen war, hatte
um des Knechts und der Pferde willen eine
überaus große Angst. Er gieng selbst in die
Orte, durch welche die Armee gezogen war,
erkundigte sich sorgfältig bei Bekannten und
Unbekannten, aber wer hätte in jener allge-
meinen Verwirrung auf einen Wagen acht
haben können? So kam er trostlos heim, und
durfte fast nicht zweifeln, daß Knecht u. Pferde
verunglückt seyen. Und wenn auch in den er-
sten Wochen und Monaten ein Nachbar oder
Vetter sie tröstete, daß beldes, Knecht- und
Zug, vielleicht wieder erscheinen würden, so
mußten sie doch am Ende die Hoffnung ganz
aufgeben, nachdem sie ein halbes Jahr um-
sonst auf ihre Erfüllung geharret hatten. Die
armen Leute konnten nun ihre Felder nicht
mehr so gut bestellen, wie sonst, und nicht so
manchen schönen Gulden durch Lohnfuhren
verdienen. Jedermann bedauerte ihre unver-
schuldete Armuth, aber keiner konnte ihnen
helfen, weil das ganze Dorf durch Freunde
und Feinde hart mitgenommen war. Sie
verloren aber den Muth und die Hoffnung
auf Gott nicht; sie schränkten sich ein, so gut
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*) Eine ganz wahre Geschichte.         D. H.
 

 


[19. Dezember 1810]

        sie konnten, sie arbeiteten unermüdet von
Morgen bis Abend, und beteten mit kindli-
chem Vertrauen zu Gott, dem Vater der
Armen und der Betrübten. Auch des Knech-
tes dachten sie oft, der schon als Hirtenknabe
bei ihnen diente und immer ein fleissiger und
getreuer Bürsche war.

Ein neuer Zufall setzte die Famille in noch
größere Bekümmerniß. Der Bruder der Mei-
sterin hatte ihr ein Kapital von fünfhundert
Gulden aufgekündigt, und drang auf schleu-
nige Bezahlung, weil er nur dadurch sein
eignes Gut vor gerichtlichem Verkaufe retten
konnte. Eines Abends saßen der Vogt und
ein Gerichtsmann bei diesen Leuten, und be-
riethen sich über allerley Mittel, diese Noth
abzuwenden; der Mann stützte sein schweres
Haupt auf seine Hände und klagte, daß alles
umsonst sey, wenn Gott nicht helfe: u. Frau
und Kinder lagen in der Kammer auf ihren
Knieen, und beteten schluchzend, die Mutter
für die Kinder, und die Kinder für die El
tern, daß ihnen der liebe Gott doch Obdach
und tägliches Brod lassen wolle!

Und horch! da sprengen Pferde daher, und
halten vor dem Haus, und der Sohn erkennt
durch das Fenster den Knecht, und ruft: der
Konrad kommt! -- Und der tritt wirk-
lich in die Stube, reicht den erstaunten Bau-
ern die Hand und sagt: Gott grüß Euch.
Meister und Meisterin und gebt mir die
Schuld nicht, daß ihr so lange warten muß-
tet; aber ich denke, ihr werdet doch zufrie
den seyn. Und mit dem schnallt er seine Gurt
ab, leert sie auf den Tisch, daß große und
kleine Thaler und Dutaten ihn bedeckten.
Vor Ueberraschung und Freude waren Mann
und Frau stumm und blaß und standen un-
beweglich da, sie wußten nicht ob sie wachten
oder träumten. Der Knecht aber erzählte den
Andern, wie er nicht mehr nach Hause zu-
rückkehren konnte, und in der nächsten Stadt
 
      zum größten Glück von einer reichen Herr-
schaft um großen Lohn gedungen worden sey,
sie eilends zu flüchten. Da auf Postpferde
nirgends zu rechnen gewesen sey, so hätte sie
ihn immer weiter mitgenommen, und ihm
wenigstens noch einmal so viel bezahlt, als
er würde gefordert haben. In Böhmen habe
er durch Verwendung der Herrschaft sogleich
das Recht erhalten, Kaufmannsgüter in den
östreichischen Staaten zu transportiren, und
dabei ein großes Stück Geld verdient. "Es
"sollten 1100 Gulden seyn, sagte er, aber
"Meister, der Falk ist gefallen, und das
"neue Roß kostet zwölf Dublonen; auch hab
"ich meinen. Jahrslohn davon genommen,
"denn die alten Kleider waren bald zerrissen."
Von dem Dank der geretteten Familie und
der Freude des ganzen Dorfs will ich nichts
sagen. Da der Bauer in der Predigt des
folgenden Sonntags die Worte hörte: Rufe
mich an zur Zeit der Roth, so will
ich dich erretten, da hätte der Mann
aufspringen und laut bezeugen mögen: ja,
der Herr war mein Schutz, eine sichere Hülfe
in anliegender Noth! -- Und als, nach
einem Vierteljahr, Konrad mit der ältesten
Tochter des Meisters ehelich verbunden wur-
de, da sprach der Herr Pfarrer freundliche
Worte über den Text: Ey du frommer
und getreuer Knecht, du bist in we-
nigem getreu gewesen; Ich will
dich über vieles setzen, gehe ein in
die Freude deines Herrn!
   
     


                     

 

 

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