zurück zur
Gedicht-
übersicht
 

 

 

Hebel-Gedichte - hochdeutsche und englische Übersetzung
 

Der Geist in der Neujahrsnacht

Der Geist in der Neujahrsnacht

The Ghost on New Year's Eve

 

 

 


Tochter, suech e Strumpf, und stopfen do hinten ins Fenster,
wo hütt´s Büebli mittem Stecke d´Schibe verheit het.
G'schicht ich im neue Johr kei größer Unglück, as das isch,
chönneter z´friede si. Doch weiht's mer so frostig in Aecke,
und i bi die letzti Nacht e wengeli z'jung gsi
für mi Alter, doch mit Zucht, und eimol isch keimol.
Will me Geister erblicke, und heiligi Sachen erfahre,
mueß me, wenns Zwölfi schlacht, nit in de Federe liege.

Nu mer hen is verspötet mit allerhand fründlige Gspräche
z'Heiterschen an der Stros, und Uhr und Zeiger isch gstande.
D'Uhr het im alte Johr no welle ne wengeli Frist lo,
oder hani is verhört.- "Guet Nacht, ihr Nochbere", sagi,
"mi Weg wird am witschte si go Chrotzige", sagi,
"gebis Gott e glücklich Johr und freundigi Sinne!"
"Das geb Gott der Her", so sage die Andre, "und schick di,
sust trapiert di der Geist no näume, eb de deheim bisch,
wo mit sim Chind im Arm am letzte Dezember an d´Stroß stoht.
D'Postknecht wisse's alli, und rite lieber e Feldweg." -
's isch so cho, und zmitts im Dorf, und woni ums Eck gang,
nebe 's Xaveris Huus, bim Bluest, do stoht er am Brunne,
groß bis fast ans Dach und inneme duftige Mantel,
gwoben us Wulken und Liecht, und mitteme Bändel im Chnopfloch,
und het in den Armen und halber im Mantel verborge
wunderschön e Büebli gha mit fründligen Auge,
chüeßts und lächlets a us sinnen ernstlige Mine,
wie us nächtligem Gwülch der Vollmond lieblig in d'Welt luegt.

Siehsch mi nit, so thuesch mer nüt - so denki und weih mi
mit em heilige Chrütz, und stell mi hinter de Brunnstock,
und will lose, was er seit, und wienerem zuespricht.
Wenig hani z'erst verstande; 's Wasser het bruuschet
us de Röhren in Trog und us em Brunntrog ins Gräbli.
"Chilchhof" - hani verstande, und - "Nüt darf ewige Bestand ha." -
Und - "Jez gohsch in d'Welt mit dine Schmerzen und Freude.
Theil sie verständig us, und was ich nümme cha schlichte,
bring zuem gueten End. Sie hen e freundige Herbst gha.
Trinkt ein z'viel, und sitzt er lang im nächtlige Wirthshuus,
gang, und bietem heim, und füehren, daß er kei Bei bricht!
Nimm di der Armueth a, und sorg mer für Witwen und Waise,
mach mer die Chranke gsund. - Die brave Saldate han ich no
mit Trumpete und Pauken und Ehre-Chränzen ins Land gfüehrt.
Loß du Freuden und Tanz und Aepfelchüechli nit fehle,
wenn sie im Urlaub sin deheim bi Vater und Muetter.
Seig kei Fabelhans, und denk nit, wil e Kometstern
duftig am Himmel hangt, so müeß isch Feldzug und Schlachte,
Hungersnoth und Sterbet bringe, Zetter und Elend.
's isch mi Ehrestern. Siehsch nit mi Bändel am Chnopfloch?
Roserot isch Freud, und Grüen isch lieblige Hoffnig.
Gang, verdien der au so ein mit dine Merite,
und schmück Jung und Alt mit frumme Sitte und Thate!"

Drüber schnurrts im Thurn in alle Räder am Schlagwerk,
und wie's Zwölfi schlacht, so stellt er 's Büebli an Bode,
wie der Engel so schön, und wie der Morgen so lieblig,
und seit: "Das walt Gott! Jez gang uf eingene Füeße!
Gieb er frei wohl Acht zum güetige Fürste in Karlsrueh,
zue de Friburger Here, und zue de Lande im Brisgau,
aß sie kei Leid erfahren, und bringene Freuden und Gsundheit!
Süeß, wie Sunneblick, het's Büebli glächlet und Jo! gseit.
Aber mittem letzte Schlag im luftige Chilchthurn
goht er in große Schritte 's Dorf us, und gegenem Rhi zue,
alliwil gschwinder und größer, und alliwil bleicher und dünner,
wiene Nebelduft am Feldberg oder am Belche.
Und wie nootno in der Mitternacht d'Glocke verbrummt het,
het sie der Duft verzoge, und isch vergange und weg gsi.

Chunnsch bald mit em Strumpf? 's zieht alliwil schärfer und chüeler.
Wenni lang verzehl, stohsch lang do ummen und gohsch nit.

 
Tochter, suche einen Strumpf und stopfe ihn da hinten ins Fenster,
wo heute das Büblein mit dem Stecken die Scheibe zerbrochen hat.
Geschieht euch im neuen Jahr keingrößeres Unglück, als es das ist,
könnt ihr zufrieden sein. Doch weht es mir so frostig in die Ecke,
und ich bin die letzte Nacht ein wenig zu jung gewesen
für mein Alter, doch mit Zucht, und einmal ist keinmal.
Will man Geister erblicken, und heilige Sachen erfahren,
muss man, wenn es Zwölf schlägt, nicht in den Federn liegen.

Nun wir haben uns verspätet mit allerhand freundlichen Gesprächen
in Heitersheim an der Strasse, und Uhr und Zeiger sind gestanden.
Die Uhr hat dem alten Jahr noch wollen ein wenig Frist lassen,
oder ich habe sie überhört.- "Gute Nacht, ihr Nachbarn", sage ich,
"mein Weg wird am weitesten sein nach Krotzingen", sage ich,
"gebe uns Gott ein glückliches Jahr und freudige Sinne!"
"Das gebe Gott der Herr", so sagen die Anderen, "und beeile dich,
sonst drapiert dich der Geist noch irgendwo, ehe du daheim bist,
der mit seinem Kind im Arm am letzten Dezember an die Strasse steht.
Die Postknechte wissen es alle, und reiten lieber einen Feldweg." -
es ist so gekommen, und mitten im Dorf, wo ich ums Eck gehe,
neben des Xavers Haus, o Wunder, da steht er am Brunnen,
groß bis fast ans Dach und in einem duftigen Mantel,
gewoben aus Wolken und Licht, und mit einem Bändel im Knopfloch,
und hat in den Armen und halb im Mantel verborgen
wunderschön ein Büblein gehabt mit freundlichen Augen,
küsste es und lächelt es an aus seiner ernstlichen Mine,
wie aus nächtlichem Gewölk der Vollmond lieblich in die Welt schaut.

Siehst du mich nicht, so tust du mir nichts - so denke ich und weihe mich
mit dem heiligen Kreuz, und stelle mich hinter den Brunnenstock,
und will lauschen, was er sagt, und wie er ihm zuspricht.
Wenig habe ich zuerst verstanden; das Wasser hat gerauscht
aus den Röhren in den Trog und aus dem Brunnentrog in den Graben.
"Kirchhof" - habe ich verstanden, und - "Nichts darf ewig Bestand haben."
Und - "Jetzt gehst du in die Welt mit deinen Schmerzen und Freuden.
Teile sie verständig aus, und was ich nicht mehr kann schlichten,
bring zu einem guten Ende. Sie haben einen freundlichen Herbst gehabt.
Trink einer zuviel, und sitzt er lange im nächtlichen Wirtshaus,
gehe, und gebite ihm heim, und führe ihn, dass er kein Bein bricht!
Nimm dich der Armut an, und sorge mir für Witwen und Waisen,
mach mir die Kranken gesund. - Die braven Soldaten habe ich noch
mit Trompeten und Pauken und Ehren-Kränzen ins Land geführt.
Lass du Freuden und Tanz und Apfelküchlein nicht fehlen,
wenn sie im Urlaub sind daheim bei Vater und Mutter.
Sei kein Fabelhans, und denke nicht, weil ein Kometstern
duftig am Himmel hängt, so müsstest du Feldzug und Schlachten,
Hungersnot und Sterben bringen, Zeter und Elend.
es ist mein Ehrenstern. Siehst du nicht meinen Bändel am Knopfloch?
Rosarot ist freude, und Grün ist liebliche Hoffnung.
Geh, verdiene dir auch so einen mit deinen Meriten,
und schmücke Jung und Alt mit frommen Sitten und Taten!"

Darüber schnurrts im Turm in allen Rädern im Schlagwerk,
und wie es zwölf schlägt, so stellt er das Büblein auf den Boden,
wie der Engel so schön, und wie der Morgen so lieblich,
und sagt: "Das walte Gott! Jetzt geh auf eigenen Füßen!
Gebe er frei wohl acht zum gütigen Fürsten in Karlsruhe,
zu den Freiburger Herren, und zu den Landen im Breisgau,
dass sie kein Leid erfahren, und bring ihnen Freuden und Gesundheit!
Süß, wie ein Sonnenblick, hat das Büblein gelächelt und Ja! gesagt.
Aber mit dem letzten Schlag im luftigen Kirchturm
geht er in großen Schritten dass Dorf hinaus, und gegen den Rhein zu,
alleweil geschwinder und größer, und alleweil bleicher und dünner,
Wie ein Nebelduft am Feldberg oder am Belchen.
Und wie nach und nach in der Mitternacht die Glocke verstummt ist,
hat sich der Duft verzogen, und ist vergangen und weg gewesen.

Kommst du bald mit dem Strumpf? es zieht alleweil schärfer und kühler.
Wenn ich lange erzähle, stehst du lange da herum und gehst nicht.
 
Daughter, find a stocking and stuff it into the window back there,
where the boy broke the pane with his stick today.
If no greater misfortune befalls you in the new year than this,
you can be content. But it's so frosty in my corner,
and last night I was a little too young
for my age, but with discipline, and once is never.
If you want to see ghosts and learn about holy things,
you must, when the clock strikes twelve, not be in bed .

Now we have been delayed by all sorts of friendly conversations
in Heitersheim on the street, and the clock and pointer have stood still.
The clock wanted to give the old year a little more time,
or I overheard it. ‘Good night, you neighbours,’ I say,
‘my journey will be the furthest to Krotzingen,’ I say,
‘may God give us a happy year and joyful spirits!’
‘may God the Lord grant that,’ say the others, "and hurry,
otherwise the ghost will drape you somewhere before you get home,
standing with his child in his arms last December on the street .
The postmen all know it and prefer to ride along a dirt road." -
it came to pass, and in the middle of the village, where I turn the corner,
next to Xaver's house, oh wonder, there he stands by the fountain,
tall almost to the roof and in a fragrant cloak,
woven from clouds and light, and with a ribbon in his buttonhole,
and in his arms, half hidden in his cloak,
a beautiful little boy with friendly eyes,
kissing him and smiling at him from his serious expression,
like from the night clouds the full moon is looking lovingly at the world .

Can't you see me, can't you hurt me – I think that and consecrate myself
with the holy cross, and stand behind the fountain,
wanting to listen, what he says, and how he speaks to him.
I understood little at first; the water rushed
from the pipes into the trough and from the fountain into the ditch.
‘Churchyard’ – I understood, and – ‘Nothing may last forever.’
And – "Now you go out into the world with your pains and joys.
Distribute them wisely, and what I can no longer settle,
bring to a good end. They had a pleasant autumn.
If one drinks too much and sits long in the nightly tavern,
go and bring him home, and guide him so that he does not break a leg!
Take care of the poor, and provide for widows and orphans,
make the sick healthy. - I have led the brave soldiers
into the country with trumpets and drums and wreaths of honour.
Let there be no lack of joy and dancing and apple fritters
when they are on leave at home with their fathers and mothers.
Don't be a fabulist, and don'ot think, because a cometstar
hangs fragrantly in the sky, you must bring campaigns and battles,
famine and death, strife and misery.
It is my star of honour. Don't you see my ribbon on my buttonhole?
Rose-red is joy, and green is lovely hope.
Go, earn one for yourself with your merits,
and adorn young and old with pious customs and deeds!"

About that, in the tower, purr all the wheels in the striking mechanism ,
and when it strikes twelve, he places the little boy on the floor,
as beautiful as an angel and as lovely as the morning,
and says: "May God rule! Now walk on your own feet!
May he take good care of the kind Duke in Karlsruhe,
the lords of Freiburg, and the lands of Breisgau,
that they experience no sorrow, and bring them joy and health!
Sweet as a Sunview, the little boy smiled and said Yes!
But with the last stroke in the airy church tower,
he walks out of the village with long strides, towards the Rhine,
ever faster and taller, ever paler and thinner,
Like a misty scent on the Feldberg or the Belchen.
And as at midnight the bell bit by bit fell silent ,
the fragrance dissipated, faded away and was gone.

Are you comming soon with the stocking? it draughts ever tighter and and colder.
If I talk for too long, you stand there for a long time and don't go.
 

                     
 
 
 
zurück zur
Gedicht-
übersicht
 

 

 

Übersetzung in Hochdeutsch: Hansjürg Baumgartner

Übersetzung in Englisch: DeepL (free version)