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AN SEBASTIAN ENGLER |
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[Ende Februar]—20. Merz 1804 Hoffentlich werden Sie, mein lieber Angelo, von allen den Briefen, die ich seit einiger Zeit an Sie habe schreiben wollen, noch keinen erhalten haben, wen nicht Sir Lucifer sein Spiel mit uns treibt, der sich in unsere Correspondenz nichts zu meliren hat, weder in die, die wir wirklich mit einander führen, noch in die, die wir nicht führen. — Ich habe seit Ihrem letzten Schreiben viel geschlafen, und hätte gern die große Sonnenfinsternis Anno 1804. benuzt, mich wieder ins Bett zu legen, wens nur etwas dunkler geworden wäre. Was kann man in diesen Wind und Schneereichen Wintermonden beßeres thun? Etwa das Badische Magazin selig ins Lateinische übersetzen? oder die Inquisitionsakten von Schinderhanes u. Comp. in Hexameter bringen, z. B. „Aber am 4ten Vendemiäire Morgens um Acht Uhr Oder soll man an die Herausgabe eines trigonometrischen Almanachs
denken, und ein Duzend rührende Scenen aus den Logarithmen-Tafeln zu
Monats Kupfern auswählen? Oder eine Topographie des Carlsruhe d. 20. Merz 1804. Lieber Erzbothe! Da bin ich vor ungefahr einem Monate bey dem Wort: lachen, wieder eingeschlafen und vor Kurzem wieder erwacht. Es wird wohl alles noch seÿn, wie es vor einem Monat war. Wenigstens ists heute kalt und schnee'ig, und der unglückliche Berginspektor, an den ich nicht ohne tiefes Bedauern denken kan, wird noch auf dem Brombacher Thor in Lörr. sitzen, wenigstens sizt der gute Pfarrer v. Wies noch beÿ dem Linkenheimer in Carlsruhe. Er fängt an, die spitzige und verfängliche Frage aufzuwerfen, wer der Narr seÿ er? — oder die, die ihn aus christlicher Theilnahme an seinem Zustand und Sorgfalt für seine Wiederherstellung nun bald 4 Monate lang, ohne Hülfe im Kerker schmachten lassen, worunter er meines Erachtens zunächst den ersten Senat zu verstehen hätte, vor welchem seine Sache ligt. Freilich hat der Senat wohl an andere Sachen auch zu denken, die theils wegen ihrer allgemeinern Wichtigkeit pressanter sind, theils von denen, welche sich dabeÿ interessiren, häufiger erinnert und eifriger betrieben werden, und es ist für den guten Pfarrer zu beklagen, daß dieses niemand für ihn zu thun scheint. Ich besuche ihn ieden zweiten oder dritten Tag (denn kein Mensch besucht ihn sonst,) und finde ihn in der manigfaltigsten Laune. Er ist oft so heiter, so witzig, so scharf beobachtend, so richtig schließend, selbst wen er von Luftgespinsten ausgeht, daß man, wen er nur nicht imer und unaufhaltsam allein spräche, die angenehmste und interessanteste Unterhaltung mit ihm haben könte. ist von weitem nicht abzusehen, wan er wegkomen, wo er hinkomen, was für seine Widerherstellung geschehen wird. Haben Sie den beÿ den gegenwärtigen Vakaturen nicht auch ein wenig am Rad des Schicksals gerüttelt, oder fangen Sie an, mit Ihrer Lage sich auszusöhnen und sie lieb zu gewinen. Freilich wenn man das Informiren einmal angefangen hat, man ist wie behext, und kan sich nimer von der süßen Plage losmachen, zumal in Ihrer Lage. Sonst klagt man mit Recht, daß es den Schulmänern zu sehr an Bewegung und Zerstreuung unter den Menschen fehle, aber für Bewegung und frische Luft ist beÿ Ihnen gesorgt. Doch Sie möchten vielleicht statt einer Frage über diesen Gegenstand, lieber eine Antwort von mir hören. Herzlieber Angeliko, ich weiß nichts. Ich weiß nur so viel, daß ich Ihnen alles Schöne und Gute herzlich göne und wünsche, und beÿ diesem Bekentnis der Freundschaft einen großen Wunsch unterdrücke. Den wen Sie gerne Pfarrer in Hausen seÿn könten, so wäre mirs noch lieber, Sie wissen nun einmal, was ich einst für ein böser Bub war. Soll's, wen Sie Morgen oder übermorgen fortgehn, ein anderer auch erfahren, zulezt gar noch einer von meinen Schülern, an die es bald komen wird? Gott befohlen, mein Bester Angelo, und Ihrem frölichen Weiblein meinen hertzlichen Gruß. In Neusatz und Rothensol ist alles ruhig. Ihr redlicher Fr. Hebel
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Konsonantenverdoppelungen
schreibt Hebel mit Reduplikationsstrich:
m = mm ; n = nn; das y mit Überpunkt wie i und j, geht in Webbrowsern nicht, deshalb hier als ÿ dargestellt Die Lesefehler sowie die ev. beabsichtigten Anpassungen von Zentner an den "Zeitgeist" - wurden an Hand des Autographen korrigiert. Einige Wörter, am Zeilenende, die beim A. fehlen, wurden sinngemäß ergänzt. Unklar sind in den letzten Zeilen bef[ohlen] und We[iblein]. Lörr. = Lörrach; Neusatz = Ortsteil von Bühl; Rothensol = Ortsteil von Bad Herrenalb. Vakatur = Synonym für Vakanz Berginspektor = Johann Jeremias Herbster, seit 1769 Faktor, seit 1784 Berginspektor am Bergwerk in Hausen, der wegen Unterschlagung von Geldern des Amtes enthoben und eingesperrt wurde. Deswegen hat Hebel auch ab der 2. Auflage der Al. Gedichte die Widmung weggelassen.
Aktuell völlig unklar ist jedoch, wie der Autograph in die Eutiner Landesbibliothek gelangen konnte.
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