63. Das Evangelium
verbreitet sich nach Rom.
Aber der eifrigste unter allen, man
darf es wohl sagen, war Paulus, der jüngste unter den Aposteln. Paulus,
erfüllt und belebt von dem Heiligen Geist, reisete umher in allen
Ländern und in den vornehmsten Städten, wo damals Juden und Schulen
waren, lehrte das Evangelium unter den Juden und Heiden mit großer
Gefahr und stiftete und erbaute ansehnliche Gemeinden oder Kirchen, zum
Beispiel in einer Stadt namens Antiochia. In Antiochia blieb er mit
seinen Freunden und Gehilfen ein ganzes Jahr. Daselbst wurden auch die
Bekenner des Evangeliums zum erstenmal und seitdem Christen
genannt, das heißt: Angehörige Christi, Königlichgesinnte, nämlich
solche, welche sich zum Reich Gottes zählen und Christum als ihren
Herrn und König erkennen und verehren. Denn Christus heißt soviel als
ein Gesalbter, das ist: ein König.
Als der Apostel die ganze Gegend,
welche er zu durchreisen vermochte, in einen schönen Pflanzgarten des
Christentums verwandelt hatte, kam er endlich wieder nach Jerusalem.
Die Juden in Jerusalem warteten schon lange auf ihn, daß sie ihn
töteten. Es entstand wegen seiner ein Aufruhr selbst in dem Rat. Der
römische Kriegsobriste, der in der Burg lag, rückte mit der ganzen
Besatzung aus und führte den Apostel als Gefangenen in die Burg. Damals
sprach zu ihm der Herr: »Fürchte dich nicht, Paulus! Denn wie du von
mir in Jerusalem gezeuget hast, also mußt du auch in Rom zeugen.« Es war
aber Rom damals
die berühmteste und mächtigste Stadt in der Welt und die Residenz des
Kaisers. Die Juden faßten einen neuen Mordanschlag gegen ihn. Vierzig
Juden verschworen sich, sie wollten nichts essen und nichts trinken,
bis sie ihn getötet hätten. Es hatte können ein langer Fasttag werden.
Denn der Qbriste ließ ihn der Nacht mit hundert Mann zu Fuß, siebenzig Reitern und zweihundert Schützen nach Cäsaria abführen vor den
Landpfleger Felix, daß man sagen kann, das Evangelium sei mit einem
römischen Kriegskommando geflüchtet und gerettet worden, daß es nach
Rom, in die Hauptstadt der Welt, gebracht würde.
Zwei Jahre lang saß
Paulus gefangen und ward nicht losgesprochen und nicht verurteilt. Doch
durften die Seinigen zu ihm kommen und ihm dienen. Es widerfuhr ihm
nichts Böses. Nach zwei Jahren kam ein anderer Landpfleger, namens
Festus, in das Land. Die Juden verlangten von ihm, daß er den Apostel
nach Jerusalem bescheiden sollte zum Verhör. Denn sie hatten den
Anschlag gegen ihn noch nicht aufgegeben, ihn zu töten. Der neue
Landpfleger schien zuletzt nicht abgeneigt dazu. Aber der Apostel faßte
einen herzhaften Entschluß zu seiner Rettung. Er sprach: »Ich stehe vor
des Kaisers Gericht. Ich begehre mein Recht von dem Kaiser.« Denn er
wußte wohl, in welcher Gefahr er wäre, wenn er nach Jerusalem wäre
gebracht worden. War der Apostel kurz entschlossen, so war es der
Landpfleger auch: »Auf den Kaiser hast du dich berufen, zum Kaiser
sollst du ziehen.«
Um dieselbe Zeit besuchte den neuen Landpfleger der
König Agrippa, welcher jüdisch war und von dem Geschlechte des Herodes.
Der Landpfleger bat den König, er wolle den Gefangenen ein wenig
verhören; er verstehe die jüdischen Religionssachen besser als er.
Paulus hielt eine rede an den König und bewies ihm alles so schön aus den
Propheten, daß der König zu ihm sagte: »Es fehlt nicht viel, du
überredetest mich, daß ich ein Christ würde.« Er ist keiner geworden.
Wenig ist gar oft so viel als alles. Doch überzeugte er sich von der
Unschuld des Apostels, und daß man ihn könnte freistellen, wenn er sich
nicht auf den Kaiser berufen hätte.
Paulus wurde in ein Schiff gebracht, daß er nach Rom geführt würde vor den Kaiser. Einige Getreue begleiteten
ihn. Sie wollten ihren teuern Freund und Lehrer nicht verlassen. Auch
war der Hauptmann, der die Gefangenen in Aufsicht hatte, gütig gegen
ihn; aber die Fahrt auf dem Meer war sehr gefährlich. Viele Tage und
Nächte lang erschien weder Sonne noch Gestirn. Sie hatten schon alle Hoffnung des Lebens verloren. Nicht weit von der
Insel Melita zertrümmerte das Schiff. Aber alle kamen noch glücklich
an das Land. — Endlich kamen sie wohlbehalten nach Rom. Auf solche Weise
entging der standhafte Apostel durch Gottes gnädige Fürsorge den
Nachstellungen seiner Feinde in Jerusalem und der Todesgefahr auf dem
Meer.
Der Herr hat seinen Engeln befohlen über dir. — Aus sechs Trübsalen wird dich der Herr erlösen, und in der siebenten wird dich kein
Unfall rühren. In Rom geschah ihm diesmal nichts. Er blieb zwei Jahre
lang daselbst für sich und lehrte dort von Jesu mit großer Freudigkeit
und unverboten.
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