54. Untergang des Reiches
Juda.
In diesen bösen und gefahrvollen
Zeiten sandte zwar der treue Gott Israels seinem Volk viele Propheten
zur Warnung für die Gottlosen und zum Trost für die Frommen, die mitten
in der verkehrten Welt treu bei ihrem Gott blieben und über das
Unglückihres Vaterlandes weinten. Als lebendige Gottesstimmen ermahnten
sie ihre Zeitgenossen unermüdet zur inwendigen Besserung des Herzens.
Die warnende Gottesstimme fand kein Gehör. Als alle Ermahnungen
fruchtlos blieben, verkündeten sie immer ernsthafter und furchtbarer den
nahen Untergang.
Wo Gottesfurcht und Gerechtigkeit verschwunden sind, da ist der Untergang
nicht ferne.
Hinwiederum verkünden die nämlichen Propheten zum Trost der Frommen und
einer bessern Nachwelt, daß nach allen Trübsalen glückliche Zeiten und
eine selige Wiedervereinigung der Menschen mit Gott zurückkehren werde.
»Der Herr wird sein Volk heimsuchen. Er wird einen König geben aus dem
Hause Davids, der wohl regieren und Recht und Gerechtigkeit anrichten
soll auf Erden. In allen Landen wird Gottes Erkenntnis verbreitet und
Gott gepriesen und verehret werden, nicht mehr mit Opfer und Gaben,
sondern mit reinem, treuen Herzen und mit frommer Tat. Gott wird sie
reinigen von aller Missetat. Er wird ihnen vergeben alle Missetat, worin
sie gegen ihn gesündiget haben.«
Solcherlei Trost und Hoffnung gaben die Gottesmänner, die Propheten, den
Trauernden und ihren Nachkommen als einen Abschiedssegen mit in das
lange, lange Elend, welchem sie entgegengingen.
Es kamen die Chaldäer, welche in Babylon herrschten, das wildfremde,
grausame Kriegsvolk. Diese machten anfänglich das Judenland zinsbar und
führten zehntausend Gefangene weg, alle Vornehmen und Reichen samt dem
König Jechonias und seiner Mutter, alle Kriegsmänner, tausend Schmiede
und Zimmerleute. Doch gaben die Feinde dem Land wieder einen König. Der
König Zedekias wird falsch und sucht bei den Ägyptern Schutz. Das war
ihr letztes. Treulosigkeit ist das letzte. Die Chaldäer kommen wieder,
belagern und erobern Jerusalem und zerstören es samt dem schönen Tempel;
und daß das Elend groß würde, waren auch viele Edomiter in dem
Kriegsheer der Chaldäer, Erbfeinde der Juden. Diese übten eine
fürchterliche Rache aus mit Rauben, Zerstören und Morden, und sind die
Nachkommen des Esau, dem einst Jakob, sein Bruder, den Segen seines
Vaters und das Besitzrecht von Kanaan entzogen hat. So etwas vergißt die
Zeit nicht.
Nach der Eroberung aber führten die Chaldäer das jüdische Volk und allen
ihren Raub, die goldenen und silbernen Gefäße des Tempels hinweg in die
Gefangenschaft. Die Bundeslade kam abhanden. Es weiß niemand, wo sie
hingekommen ist. Wenige, die anfänglich der Feind zurückgelassen hatte,
flüchteten sich wieder in das Land der Knechtschaft ihrer Voreltern nach
Ägypten, aus welchem doch Gott ihre Väter erlöset hatte, auf daß
erfüllet würde, was der Ewige durch Moses gesagt hatte. Also ist jetzt
Israels zahlreiche Nachkommenschaft, das heilige Volk Gottes, verweht
und zerstoben, wie Spreu vom Winde zerstoben wird, und der Heilige steht
noch aus, in welchem alle Geschlechter auf Erden sollen gesegnet werden,
und die Engel wollen nicht kommen, daß sie seine Geburt verkünden. Aber:
Wie sagt zu Abraham der Unbekannte?
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