34. Davids Flucht und
Gefahr.
Als der König sah, daß David
immer mehr beliebt wurde, ward er ihm gram in seinem Herzen und
trachtete ihn zu töten. Ja sogar, als David ihm einst auf der Harfe
spielte, warf er seinen scharfen Spieß nach ihm. Aber David beugte aus,
daß der Spieß in die Wand fuhr. David mußte zuletzt heimlich entfliehen,
daß er sein Leben rettete; aber Jonathan, sein wackerer Freund, war ihm
behilflich zur Flucht und kam zu ihm heimlich, solange er in Nähe war,
und gab ihm guten Rat, obschon er wußte, daß David, und nicht er, nach
dem Tode Sauls das Königreich erhalten werde. Als aber David mußte
weiterziehen, küßten sie sich und weinten und erneuerten ihren Bund.
»Was wir beide heute geschworen haben im Namen des Herrn, das bleibe
ewiglich!« Gott, gib jedem frommen Menschen in Freude und Leid einen
Jonathan zum Freund und jedem Menschen ein Gemüt, das eines Freundes
wert sei!
Als David entflohen war - daheim bei seinen Eltern wäre er nicht mehr
sicher gewesen - ließ er sich zu seiner Bewaffnung das Schwert des
Riesen geben; denn er sagte: »Es gibt kein besseres.« Mit diesem zog er
frisch in das Freie und sammelte um sich nach und nach eine Schar,
sozusagen ein Freikorps, von sechshundert Mann. Jeder, der zu ihm kam,
war ihm recht, und er war ihr Hauptmann; aber nach ihm war Ithai. Mit
denen zog er hin und her von einer Grenze des Landes zur andern wie ein
verscheuchtes Hühnlein, daß er sich gegen die Verfolgungen des Königs
schützte. Solange der König lebte, verfolgte er ihn. Aber David war in
Gottes Hand. Wen Gott beschützt, der ist auch unter den Feinden sicher
und findet auch unter den Feinden Freunde. Der Feind und der Freund
müssen zu seiner Rettung behilflich sein und die weisen Absichten Gottes
befördern. Ein Räuberhaufen aus der Philister Land fiel in der Gegend
von Kegila ein und beraubte die Tennen. David mit seinen Sechshunderten
eilte herbei, griff die Räuber an, schlug sie in die Flucht und nahm
ihnen alles Vieh hinweg, womit sie ihren Raub wollten fortführen. Denn
der edle Mensch nahm sich überall des Angefochtenen und Verfolgten an,
ob er gleich selbst verfolgt war und von einem Ort an den andern fliehen
mußte. Das ist ein großer Gottessegen, daß gute Menschen im Unglück sich
noch über andere erbarmen können und ihnen beispringen und helfen in der
Not, in welcher sie selber sind. Mit dieser wundersamen Güte ist das
menschliche Herz von Gott gesegnet.
Als David die Räuber vertrieben hatte, zog er siegreich in der Stadt
Kegila ein, daß er daselbst eine Zeitlang seinen Aufenthalt nähme. Saul
erfuhr es und hatte große Freude daran. Er kam heimlich mit Heeresmacht,
daß er die Stadt umzingelte und ihn gefangennähme, und die Einwohner
waren undankbar und schlimm genug; sie hätten ihn ausgeliefert. Aber
Gott warnte ihn, daß er auszog noch zu rechter Zeit in die Wüste, das
heißt, in eine einsame Gegend, wo wenig Menschen wohnten. Siph hieß die
Gegend. Aber wer suchte jetzt den frommen David in der Wüste auf? Wer
kam zu ihm in die einsame Wüste? Jonathan, sein Herzensfreund, kam noch
einmal zu ihm und befestigte seinen Bund mit ihm. Er tröstete und
stärkte seinen Mut, und es war die rechte Zeit. Denn die Einwohner von
Siph, ungastliche Menschen, schickten zu Saul und hinterbrachten ihm,
daß David bei ihnen sei. Saul überfiel ihn abermal heimlich mit
Heeresmacht; es war nur noch ein Berg zwischen ihnen. Saul zog an der
einen Seite des Berges, David an der andern. Er war schon von ferne her
umstellt, und es war schon an dem, daß er umringt und gefangen würde.
Aber zur nämlichen Zeit fielen die Philister in das Land, daß sie Israel
bekriegten. Da brach der König eilends auf, daß er den Feinden
entgegenzöge, und stand für diesmal ab von David. Auf solche Weise
rettete Gott den Bedrängten, als er keinen Rat mehr wußte, durch seine
eigenen Feinde, die Philister.
Wenn ich mitten in der Angst wandle, so erquickest du mich und streckest
deine Hand über den Zorn meiner Feinde und hilfst mir mit deiner
Rechten. |