20. Moses.
Also war jetzt von Abrahams Namen und
Nachkommenschaft niemand mehr in dem schönen Lande Kanaan übrig als die
Toten. In Ägypten aber vermehrten sie sich zwar in der Länge der Zeit zu
einem zahlreichen Volk. Als aber ein neuer König aufkam, der nichts mehr
von Joseph wußte, fürchtete er sich vor ihrer Menge und ließ sie
anfänglich drücken mit harten Diensten und unbarmherzig mißhandeln. Ja,
er befahl zuletzt, daß alle neugebornen hebräischen Kinder männlichen
Geschlechts mußten in das Wasser geworfen werden, wie man arme Tierlein
in das Wasser wirft und ersäuft sie, wenn man sie nicht aufziehen will.
So schlimm sah es damals aus um die Verheißung: »Deinen Nachkommen will
ich das Land geben, und sollen in deinen Nachkommen alle Geschlechter
der Erde gesegnet werden.« Aber wie hat der Unbekannte zu Abraham
gesagt, »sollte Gott etwas unmöglich sein?« Und geht nicht schon die
Tochter des Königs am Wasser spazieren? -
Eines Tages, als die Tochter des Königs an dem Wasser spazierte,
erblickte sie am Ufer zwischen dem Schilf ein Kästlein. Man wußte nicht,
ist’s ein Schifflein oder ein Särglein; ist etwas Lebendiges darin oder
etwas Totes. Als sie aber das Kästlein holen ließ und öffnete es, lag
ein hebräisches Knäblein darin; das weinte. Denn also hatte es seine
Mutter in das Wasser gelegt, daß sich Gott seiner erbarmen wollte· Gott
rührte das Herz der königlichen Tochter, daß sie sich des Kindes
erbarmte. Denn sie sagte sogleich: »Das wird eines von den hebräischen
Kindern sein,« und hätte es gern einer braven hebräischen Frau
geschickt, daß sie es säugete und aufzöge.
Es stand aber noch eine fremde Jungfrau an dem Gestade; das war die
Schwester des Kindes, daß sie sähe, was aus ihrem Brüderlein wurde. Sie
trat zu der ägyptischen Königstochter und fragte sie, ob sie eine der
hebräischen Frauen rufen solle, daß sie ihr das Kindlein säuge. Sie rief
ihre Mutter. Gott gab der Mutter aus den Händen der königlichen
Prinzessin ihr Söhnlein wieder, und die Prinzessin belohnte sie noch für
seine Pflege und Erziehung. Da aber das Kind groß war, nahm die
Prinzessin es wieder zu sich, daß es ihr Sohn wäre, und nannte ihn
Moses.
Moses war ein kraftvoller junger Mann, wiewohl er hatte eine schwere
Aussprache. Dabei war er ein herzhafter und heftiger Mann, der besonders
kein Unrecht leiden konnte. Einmal ging er aus und sah die Leiden seiner
Brüder, und wie ein Ägypter einen Hebräer unbarmherzig schlug. Da
schaute er rechts und schaute links, ob sonst niemand da sei, und schlug
den Ägypter tot und verscharrte ihn in den Sand. Gleichwohl erfuhr es
der König; aber Moses entfloh in das Land Midian.
In Midian an einem Brunnen verteidigte er sieben Jungfrauen gegen die
Gewalttätigkeit der Hirten. Denn die Jungfrauen wollten die Schafe ihres
Vaters tränken, und die Hirten wollten es nicht leiden. Das ist die
rechte Art der Herzhaftigkeit, daß sie Unrecht wehre, nicht aber ausübe,
und daß sie sich der Unterdrückten annehme, wiewohl mit Verstand und
Überlegung. Durch diese brave Tat wurde Moses mit dem Vater der
Jungfrauen bekannt. Dieser war ein Priester Gottes und hatte große
Herden. Sein Name war Jethro. Jethro gab ihm eine seiner Töchter, die
Zipora, zum Weibe und vertraute ihm die Hut seiner Herden an. Also wurde
der Pflegsohn der königlichen Prinzessin ein Hirte in einem fremden
Lande, wie seine Väter gewesen waren.
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