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Hebel-Preis 1952 für Max Piccard |
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Er wurde am 5. 6. 1888 in Schopfheim (Baden) geboren. Nach der Schulzeit begann mit dem Studium der Medizin in Freiburg, Kiel, Berlin und München. Danach wurde er Assistenzarzt in Heidelberg. Hier wandte er sich philosophischen Problemen zu und hörte Vorlesungen bei Heinrich Rickert und bei Ernst Troeltsch. Damit wurden auch die Augen für theologische Grundprobleme geöffnet. Das Suchen nach dem Sinn des Lebens heute begleitete ihn als Arzt nach München. Hier war Picard bis 1918 tätig, gab seinen Beruf dann endgültig auf und lebte seitdem als freier Schriftsteller im Tessin. Schon in München arbeitete er am ästhetischen Problem des Impressionismus: Bloße Eindrücke, gerade wenn sie sich in der Malerei niederschlagen wie im Impressionismus, gehen am Wesen der Dinge vorbei. Der Mensch verliert seine Mitte. Eindrücke sind vergänglich, der Mensch kommt dabei nicht zum eigentlichen Ziel der inneren Sammlung. So markiert das Werk »Das Ende des Impressionismus« (1916) bereits seine kulturkritische Einstellung, die er durchhält und vertieft in immer neuen Anläufen. Sein Werk »Der letzte Mensch« (1921) bildet die Brücke zum bahnbrechenden Buch »Das Menschengesicht« (1930). Hier geht es weniger um eine facettenreiche Physiognomik, als vielmehr um eine tiefangelegte Charakterisierung des Menschen selbst als ein der Genesis entsprechendes Ebenbild Gottes (vgl. 1. Mose 1,27). Die Aufgabe der christlichen "Imago-Dei"-Lehre, nämlich auf die personale Existenz des Menschen hinzuweisen, wird bei ihm zu einer treffenden Konkretion. Dabei kann natürlich das Menschengesicht selbst wesentlich als Wegweisung und Orientierung dienen. Umkehrdialektisch bedeutet das, dass Gott, gerade indem er sich zeigt, unerforschlich ist und bleibt. Symptomatisch dafür ist das Dornbuschsymbol (vgl. 2. Mose 3). Die biblische Aussage wird verbunden mit der Bildästhetik, dem Antlitz der Heiligen in der Kunst. Das ist ein Thema, das immer wiederkehrt und in den Reisebetrachtungen der Städte Italiens »Zerstörte und unzerstörbare Welt« (1951) einen Höhepunkt bildet. In seinem Werk über »Das Menschengesicht« wird auch auf die Gemeinschaft im mittelalterlichen Leben hingewiesen. Die Menschengesichter waren früher ganz im Miteinander. Man lebte im Segen Gottes. Herausgenommen waren die Heiligen; denn sie konnten allein sein und nicht verderben. Darum konnten sie von den Künstlern nur gemalt werden. Im Gegensatz dazu bilden heute die Menschen keine Gemeinschaft mehr nur noch »psychologische oder soziologische Gruppen« (Das Menschengesicht, 1995, S. 112). In dieser Gegensatzbetrachtung verfällt er nicht der Resignation, sondern bietet die Hoffnung als Rückbesinnung auf Gott. - Die Thematik aus dem »Menschengesicht« wird im nächstfolgenden Buch »Die Flucht vor Gott« (1934) ausgeweitet: Geht die Welt des Glaubens verloren oder bemächtigen sich der Seele des Menschen pseudoreligiöse Bewegungen, so muss sich der Mensch auf das Viele einstellen. Das Eine, das ist Gott. Sicherlich wird hier auf ein Hauptthema von Kierkegaards christlichen Reden zurückgegriffen. Es ist der Denker, auf den sich Max Piccard immer wieder stützt. Wer auf der Flucht ist, kennt keine Intervalle mehr. Damit geht die Möglichkeit der Grundbesinnung und mit ihr der Glauben an Gott verloren. Abschnitte wie der über die Sprache sind meisterhaft-meditativ ausgeprägt und verweisen auf spätere Betrachtungen wie die von 1953 »Wort und Wortgeräusch«. Alles ist von Ihnen, von der seelischen Mitte her anzulegen. So wird das auch aufgezeigt in dem Buch »Die Grenzen der Physiognomik« (1937). Wieder geht es auch um das menschliche Antlitz. Von der äußeren Betrachtung her also vom Nur-Sehen auf das Gesicht kann man kein Urteil über den Menschen fällen. Allein vom Menschen aus ist der Mensch nicht erklärbar. Hier wird auch der Zeigefinger kritisch auf die Ideologen gerichtet, die ohne Bezug zur Transzendenz den Menschen diesseitig sehen und benutzen. Und wieder wird diese Thematik später, nach dem Zusammenbruch 1945 vertieft mit der Zielrichtung auf eine kritische Selbstanalyse des Einzelnen in dem Buch »Hitler in uns selbst« (1946). Das populärste Werk von Piccard ist zweifellos »Die Welt des Schweigens« (1948). Der Mensch im Wortgeschrei und im Sog seiner technischen Vernunft lebt am Abgrund. Der Verlust der Stille ist ein Verlust der Besinnung auf den Schöpfungszusammenhang. Das Schweigen als »einziges Phänomen« ohne Nutzen ist darum gerade so nötig, um dem Menschen seine Mitte wiederzugeben. Einer Welt ohne Schweigen ist die Hoffnung entgegenzusetzen, dass das Schweigen nicht ganz verloren gegangen ist. Im Gebet ist das Schweigen. So ist der Glaube mit dem Schweigen zu verbinden. Das Buch mündet aus mit einem Zitat des oben erwähnten Kierkegaard. In der Studie »Ist Freiheit heute möglich?« (1955), ergänzt und neu erschienen unter dem Titel »Einbruch in die Kinderseele« (1961), rechnet er mit der Psychoanalyse ab, soweit sie in die kindliche Welt einbricht und das Kind in die Welt des Erwachsenen stellt. Es kann nicht ein einzelnes Erlebnis aus der ganzheitlichen Psyche des Kindes herausgeholt werden, da die »Auflösung der Erlebniseinheit« schädigende Folgen bis zum Erwachsenenalter zeitigt. Sehr persönlich kommt das Anliegen von M. P. in seinen Briefen an seinem elsässischen Freund, dem Priester und Schriftsteller Max Pfleger (1883-1975) zum Ausdruck (»Briefe an den Freund K. Pfleger«, 1970). Vor allem wird hier nochmals das Problem des Menschengesichts tiefgehend beleuchtet. Max Picard ist ein Kulturphilosoph und -essayist von Rang, der sich darum bemühte, die Humanidee mitten im Massenzeitalter mit dem Suchen nach Gott zu verbinden. Daraus resultiert eine philosophisch-christliche Anthropologie, die versucht der Zerrissenheit des Menschen in der Moderne zu begegnen und ihr kein fertiges Rezept, sondern Wegweisung zu geben. Max Picard ist am 3.10. 1965 in Neggio (Tessin) verstorben. Werke: Das Ende des Impressionismus, 1916; Expressionistische Bauernmalerei, 1917; Mittelalterliche Holzfiguren, 1919; Der letzte Mensch, 1921; Das Menschengesicht, 1930 und 1955; Die Ungeborenen, Rundgespräch zwischen M. P., Otto Gemlin, Paul Alverdes, Fritz Künkel, Hermann Herrigel, Wilhelm Michel, 1933; Die Flucht vor Gott, 1934 und 1980; Die Grenzen der Physiognomik, 1937 und 1952; Die unerschütterliche Ehe, 1942; Hitler, in uns selbst, 1946 und1969; Die Welt des Schweigens, 1948 und 1988; Zerstörte und unzerstörbare Welt, 1951; Die Atomisierung in der modernen Kunst, 1953; Wort und Wortgeräusch, 1953; Ist Freiheit überhaupt möglich?, 1955; dass. umgearbeitet in: Einbruch in die Kinderseele, 1960; Der Mensch und das Wort, 1955 und 1980; Selbstzeugnis in: E. Kern, (Hrsg.) Wegweiser in der Zeitenwende, 1955; Das letzte Antlitz, (zus. mit F. Eschen) 1959; Bild und Wort, gr. Aufsatz in der FAZ v. So., 2. Sept. 1961; Nacht und Tag. Brief an eine Freundin, 1967; M. P. Briefe an den Freund Karl Pfleger, 1970; Das alte Haus in Schopfheim, 1974; Fragmente (aus dem Nachlaß), 1978; Wie der letzte Teller des Akrobaten, Werkauswahl, hrsg. von Manfred v. Bock, 1988. |
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