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 Hebel-Preis 1963 für Prof. Dr. Robert Minder

   


Robert Minder wird 1902 am 23. 8.  in Wasselonne / Unterelsaß geboren. 1912 besucht er das Gymnasium in Straßburg. 1919-20 nimmt er Musik- und Philosophieunterricht bei Albert Schweitzer. 1921 erfolgt seine Aufnahme in die Ecole Normale Superieure, Paris.
1923 gründet er mit deutschen Schriftstellern einen Verständigungsbund. 1927-33 arbeitet er als Lektor an der Universität Straßburg. 1934 wird Minder ausserordentlicher Prof. an der Universität Nancy, 1936 Professor für Germanistik an der Universität Nancy. 1937 knüpft er Kontakte zum Exil; es beginnt eine Freundschaft mit Alfred Döblin. 1939-40 ist er unter J. J. Giraudoux im Informationsministerium 1940 wird er Prof. in Grenoble. 1944 Flucht vor der Gestapo nach Lyon, 1945 Rückkehr nach Nancy. 1947 ist Minder Mitbegründer des Komitees »Aufnahme der Beziehungen zu einem neuen Deutschland«. 1951 erfolgt seine Berufung zum Prof. an der Sorbonne, Paris; auch wird er Korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz. 1956 wird er zum Chefredakteur der Zeitschrift »Allemagne d'aujourd'hui«, 1957 zum Prof. am College de France, Paris berufen. Ebenfalls in diesem Jahr wird er Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. 1966 beginnt er mit dem Aufbau eines Schweitzer-Archivs in Günsbach. 1967 ist er Chefredakteur von »Panorama mondial, encyclopedie permanente«. 11. September 1980 stirbt Robert Minder in Cannes / Südfrankreich.


In seinem in der Zeit unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg verfassten Buch Allemagnes et Allemands beschreibt Minder eine allgemeine Kulturgeschichte Deutschlands und die Beteiligung der verschiedenen deutschen Regionen an der nationalen Geschichte. Er greift dabei auf Überlegungen des wegen seiner teilweise völkischen Ansichten umstrittenen österreichischen Literaturwissenschaftlers Josef Nadler zurück. Der erste Band von Minders Monographie behandelt lediglich das Rheinland. Die Arbeit an den vorgesehenen Folgebänden (zu Schwaben, Niedersachsen, Bayern und Preußen) beschäftigt Minder noch lange, führt aber zu keinen Veröffentlichungen mehr. Neben methodischen Problemen spielt dabei auch die zwischenzeitlich eingetretene politische Entwicklung mit der Entstehung zweier deutscher Staaten eine Rolle. Aber auch in seinen zahlreichen Lehrveranstaltungen, Vorträgen und Essays spielen regionalistische Aspekte immer wieder eine bedeutsame Rolle. Als vergleichender Literaturwissenschaftler setzt Minder immer wieder deutsche und französische Literatur in Bezug. Im Sinne von Interdisziplinarität greift er für seine Analysen auf zeitgenössische Anregungen aus anderen Arbeitsgebieten wie der Soziologie (z.B. die Begriffe des kollektiven Gedächtnisses, des nationalen Symbols und des kollektiven Mythos) und der Psychoanalyse (insbesondere der IndividualpsychologieAlfred Adlers) zurück und wendet diese auf literarische Entwicklungen und einzelne Schriftsteller an.
 
Werke:

Un poete romantique allemand Ludwig Tieck. Paris, 1936 (= Publications de la faculte des lettres de l'universite de Strasbourg 72).
Die religiöse Entwicklung von Karl Philipp Moritz.
Straßburg, 1936
Neuausgabe unter dem Titel Glaube, Skepsis und Rationalismus. Frankfurt: Suhrkamp, 1973 (= suhrkamp taschenbuch Wissenschaft 43)
Allemagnes et Allemands. Paris: Edition du Seuil, 1948
Kultur und Literatur in Deutschland und Frankreich. Frankfurt: Insel, 1962 (= Insel-Bücherei Nr. 771). Taschenbuchausgabe Frankfurt: Suhrkamp, 1977 (= suhrkamp taschenbuch 397)
Hebel und Heimatkunst von Frankreich gesehen. Karlsruhe: C. F. Müller, 1963
Oberrheinische Dichtung gestern und heute. Karlsruhe: C. F. Müller, 1965
Dichter in der Gesellschaft. Erfahrungen mit deutscher und französischer Literatur. Frankfurt: Insel, 1966. Taschenbuchausgabe Frankfurt: Suhrkamp 1972 (= suhrkamp taschenbuch 33)
Hebel, der erasmische Geist. Einleitung zur Ausgabe Johann Peter Hebel, Werke. Hrsg.
 E. Meckel. Frankfurt: Insel, 1968
Hölderlin unter den Deutschen und andere Aufsätze zur deutschen Literatur. Frankfurt: Suhrkamp, 1968 (= edition suhrkamp 275)
Wozu Literatur? Reden und Essays. Frankfurt: Suhrkamp, 1971 (= Bibliothek Suhrkamp 275)

Preise und Ehrungen:

1949: Ritter der Ehrenlegion
1961: Goethe-Medaille des Goethe-Instituts
1962: Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland
1964: Friedrich-Gundolf-Preis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung
1965: Ehrendoktor der Philosophischen Fakultät der Universität Tübingen
1967: Kommandeur des Ordre des Palmes Académiques
1969: Hansischer Goethe-Preis
1970: Außerordentliches Mitglied der Akademie der Künste Berlin
1978: Korrespondierendes Mitglied der der Philologisch-Historischen Klasse der Akademie der
Wissenschaften zu Göttingen

 

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