12 - 2.   Gedanken zu 'De beneficiis', 'p. 193' von Seneca Konvolut 3 / Text

(Original ohne Titel,
nur mit Quellenangabe)

 

 zurück


2.

De beneficiis   p. 193

Unzählige Beÿspiele lehren, daß es oft minder gefährlich seÿ, große Herrn zu beleidigen als kleine, seÿ es, daß sie in der glänzenden Höhe auf die sie das Schicksal gestellt hat sich über Beleidigungen, wodurch andre entrüstet werden, und über nidrige Furcht erhaben fühlen, oder daß sie eine durch Geburt, Erziehung und Glückliches Daseÿn ihm eigen gewordene Großmuth, Beleidigungen, die sie auch fühlen leichter vergessen lassen. Unter Augustus Regirung, als dem Römer freÿmüthige Äusserungen zwar noch keine Gefahr, wohl aber Verdruß erweckten bereitete, wünschte äußerte Rufus, ein Man von Rathsherrn Stande daß der Kaÿser von der Reise, zu welcher er sich damals anschickte nimer glüklich zurückkehren möchte. Allen Ochsen u. Kälbern, sagte er hinzu, seÿ es eben so zu Muthe, und es waren Ohren zugegen, die wohl darauf achteten. Kaum brach der Morgen an, so erzählte ihm der Bediente, der beÿ der Tafel hinter seinem Platz gestanden war, was er beÿ der Malzeit in trunkenem Muthe gesagt hätte u. rieth ihm, dem Kaÿser zuvor zu komen u. sich selber anzugeben. Dem guten Rath zu folge geht er den Cäsar an, schwört er seÿ gestern nicht beÿ guten Sinnen gewesen, wünscht, daß alles was er könne gesagt haben, ihn selbst u. seine eigenen Kinder treffen möge, u. bittet um Verzeihung u. Versöhnung. Cäsar sagt zu. Aber nicht mand* genug. Niemand, fuhr der Unverschämte fort, wird es glauben, daß ich deine Gnade wieder besitze, wen ich nicht ein Geschenk von dir zeigen kan, u. verlangte von ihm zum Zeichen seiner Huld eine Sume Geldes von Belang, und erhielt es. So handelte August. Rufus aber schenkte dem Sclaven die Freiheit. Eben falls eine schöne Handlung hätte er nicht eben so niederträchtig als verschmizt sich den Manumissionspreis von dem Regenten zum Voraus entrichten lassen.

 

 

 

   

 

Lucius Annaeus Seneca, genannt Seneca der Jüngere (* etwa im Jahre 1 in Corduba; † 65 n. Chr. in der Nähe Roms), war ein römischer Philosoph, Dramatiker, Naturforscher, Politiker und als Stoiker einer der meistgelesenen Schriftsteller seiner Zeit. Seine Reden, die ihn bekannt gemacht hatten, sind verloren gegangen.

Senecas Schrift "De beneficiis" (Über die Wohltaten) ist einzigartig in der uns überlieferten Literatur der griechisch-römischen Antike. Gleichwohl gehört "De beneficiis" in eine lange Reihe – für uns leider nicht überlieferter – themengleicher Traktate, die ebenfalls von Stoikern verfasst wurden. Das Interesse an der Materie entspringt deren Relevanz für die stoische Ethik: Diese kreist um die Frage gemeinschaftlichen Miteinanders, welches als die dem Menschen gemäße Lebensform gilt.
 

Die o. a. Seite - 'p 193' - bzw. deren Inhalt steht im Internet leider aktuell nicht
zur Verfügung, so daß dazu keine näheren Angaben möglich sind.

 

* mand = der 2. Wortteil aus dem Kompositum 'niemand' - wie bei 'jemand' ist schon früh ober- und mitteldeutsch zum Stamm 'manne' = 'man' ein t oder d getreten, Hebel hat das Wort sicher im Sinne von "...nicht Manns genug..." verwendet.

 

 

 

 

<< Text 1   Text 3 >>