11 - 2. Cic[ero] de oratore Konvolut 3 / Text
 

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Cic. de oratore. e. 2.

Schon oft, wen ich einen Blick auf die grösten und geistreichsten Männer warf, schien mir die Frage an ihrem Orte zu seÿn, warum wohl die Anzahl derer, die sich berühmt gemacht haben in iedem
 x Fach Beruf größer seÿ als in der Beredsamkeit. Den wohin auch iemand seine Aufmerksamkeit und seine Gedanken wenden mag überal finden wir sehr viele die sich in iedem Fach nicht nur der gemeinen sondern auch der höchsten Künste hervorgethan haben. Den wen man für die Kunst der berühmter Männer unter die Nützlichkeit u. oder die Größe ihrer Thaten zum Maßstab nimt, wer wird nicht den Feldherrn noch vor den Redner stellen. Oder wer wird noch zweifeln, daß wir fast eine Anzahl von vortreflichen Heerführern nur aus unserer einzigen Stadt, aber kaum einige aufstellen könen die sich durch Beredtsamkeit ausgezeichnet haben.
Aber auch Männer die mit Rath u. Klugheit das gemeine Wesen handhaben u. lenken könten hat unser Zeitalter in Menge, noch mehr das Zeitalter unserer Vätter u. sogar unserer Altfordern gezählt, und doch haben sich sehr lange gute Redner gar nicht, u. kaum ein erträglicher in iedem Zeitalter gefunden. - Doch es könte iemand sagen, daß die Beredtsamkeit von der wir sprechen mehr mit andern Studien die in höhern Künsten u. einer gewissen Vielseitigkeit gelehrter Kentniße ihren Grund Element haben, nicht mit den ruhmvollen Vorzügen eines Feldherrn, oder mit den Einsichten eines guten Rathsherrn verglichen werden* zu vergleichen seÿ. Nun den, so wollen wir uns gerade zu diesen Fächern der Gelehrsamkeit wenden, u. uns umsehen, wer in ihnen sich hervor gethan habe, u. wie viele. So werden wir uns am leichtesten überzeugen, wie klein die Zahl der Redner imer war, u. noch ist.
x Es ist bekant, daß die Philosophie von den gelehrtesten Leuten gleichsam für die Schöpferin und Mutter aller gepriesenen Wissenschaften ansehen** Aber es ist schwer zu sagen, wie groß die Zahl in diesem Fach die Zahl der gelehrtesten Männer von den manigfaltigsten u. reichsten Studien seÿ, die nicht mit einem Gegenstand insbesondere sich beschäftigten, sondern alles mögliche theils durch wissenschaftliches Forschen theils auf dem Wege des Vortrags umfassten. In welcher Dunkelheit der Gegenstände, in welcher tiefen, vielfältigen freien Kunst arbeitet der Mathematiker, und doch haben es in diesem Fach so viele Leute zur Vollendung gebracht, daß man glauben muß, iedem der sich ihr mit Leidenschaft ergeben hat, seÿ bis zur Erreichung seines Zwecks gelangt. seÿ. Wer hätte sich noch der Musik oder der Sprachforschung ganz ergeben, und wäre nicht zur umfassenden Kentniß dieser Gegenstände in ihrem ganzen fast unendlichen Maße gelangt.
Ia ich glaube mit Warheit sagen zu können, daß neben allen die sich mit dem freien Studium u. der Regel der genanten Künste beschäftigt haben, die Zahl der vortrefflicher Dichter imer die kleinste gewesen. ***Aber selbst unter dieser Auswahl, wo so selten, etwas ein ganz vorzüglichen Man aufsteht, wird man bei genauer Vergleichung dessen was sowohl

 

 

 























 x Du weißt

   

 

"De oratore" (lateinisch „Über den Redner“) ist ein grundlegendes Werk Ciceros zur Rhetorik, in dem die Voraussetzungen für den Rednerberuf, das Wesen der Rhetorik, der Aufbau der Rede, Fragen des Stils und der moralischen und philosophischen Pflichten des Redners erörtert werden. Die Schrift ist als ein Dialog zwischen Lucius Licinius Crassus und Marcus Antonius Orator, Ciceros Lehrern und Vorbildern, gestaltet, der im Jahr 91 v. Chr., kurz vor Crassus’ Tod geführt worden sei. Cicero hat ihn 55 v. Chr. veröffentlicht und seinem Bruder Quintus gewidmet. Er zählt zu Ciceros Hauptwerken.
(Quelle: Wikipedia)

 

x = Die Bedeutung des oberen x ist unbekannt,
dagegen verweist das untere x auf die Korrektur am Seitenrand

* = Im Autographen ist das 'ver' - wohl aus Versehen - nicht gestrichen worden

** = Wort unsicher, vom Sinn des Satzes her aber kaum etwas anderes möglich

*** Ab hier ist der Rest des Textes mit einem Schrägstrich ungültig gemacht, zudem bricht der Text nach 'sowohl' am Ende der Seite ab. Ein ev. Fortsetzung ist in den Ungedr. Pap. nicht vorhanden.