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Es gibt ein altes Kirchenlied, das mit den Worten anfangt: «Mitten wir
im Leben sind mit dem Tod umfangen.» Was kann mit mehr Wahrheit gesagt
werden, ohne von zusammengefallenen Häusern, verödeten Schlössern und
zerstörten Städten, diesen Ruinen der Vorzeiten, diesen Denkmalen der
Hinfälligkeit zu reden. Wo sind die, die sie gebaut, die sie bewohnt
haben, wo sind selbst die jüngsten, ihre Zerstörer?
«Ihre Leiber deckt der Sand», und das nicht einmal mehr. Selbst in Erde
und Staub aufgelöst, warten sie und sind bereit, andere in sich
aufzunehmen und zu decken, die jetzt Paläste bauen, bewohnen und
zerstören. Auch wollen wir nicht weitläufig davon reden, daß die Natur
viele tausend Pflanzen, viele tausend Tiere täglich vor unseren Augen wie
wohl still und ohne Leichenpomp zu Grabe bringt, eine eben so unermüdete
Totengräberin, als sie eine unermüdete Gebärerin, Hebamme, Säugamme ist.
Wir wandeln über Leichen; wo wir den Fuß hinsetzen, steht das Leben auf
dem Tod. Doch darum bekümmern wir uns nicht viel; es scheint uns nichts
anzugehen, als ob wir nicht alle ein Gesetz des Werdens, des Daseins und
des Hingehens hätten. Aber, wie viele tausend Menschen sterben, kaum
geboren, an Schwächlichkeit dahin? wie viele in der Blüte ihrer Jahre? und
welcher, sei er so alt geworden, als er mag, ist vom Tode vergessen
worden? Auch Nestor ist dem Methusalem nachgefolgt.
Viele Menschen und
die meisten rafft irgend eine Krankheit dahin. Wenige löset das Alter auf.
Manchem löscht Zufall, oder vorsätzliche Gewalt von andern oder ihm
selbst, wie man zu sagen pflegt, das Lebenslicht aus. Einer wird
erschossen, der andere erstochen, totgeschlagen, totgeworfen, gehenkt,
geköpft, gevierteilt, verbrannt; da erstickt, dort ertrinkt einer, ein
anderer verdurstet, verhungert, erfriert, fallt zu Tod, bekommt Gift,
grämt sich zu Tod, so daß wir, wenn wir alle Gefahren berechnen, die das
Leben umlagern, bekämpfen, belauern, uns mehr verwundern müssen, daß so
viele alt werden, als daß so viele iung aus der Welt gehen.
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