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Glaube und Vergeltung

   

 

Es ist mir nicht genug, zu vermuten, daß Gott in einem andern Leben überhaupt das Gute belohnen und das Böse ahnden werde. Er wird wohl den Guten, d. h. den, der mehr Gutes als Böses getan hat, die Folgen seiner bösen Handlungen gleichwohl auch fühlen lassen, so wie dem Bösen aus den Folgen seiner guten Handlungen Tropfen der Linderung in den bittern Kelch sich mischen werden. Also keine absolute Seligkeit und keine ganz trostlose Hölle, so wie auf der Erde keine absolute Tugend und kein absolutes Laster.

Aber wenn ich fragen soll: Was wird sein? so muß ich die Frage, was sein werde, und nicht, was mir das liebste wäre, beantworten; sonst bin ich dem Toren gleich, der sich einbildet, er müsse diesmal im Lotto gewinnen, weil er des Gewinstes so gar bedürftig ist, und könnte leicht dem noch größern Toren gleich werden, der auf den zukünftigen Gewinn hin schon rechnet und zehret.

Der Glaube an einen büßenden Erlöser, er sei gegründet oder nicht, ist allemal tröstlich im Leben und am Rande des Grabes für den, der glauben kann.

Der nicht an ihn glauben mag oder kann, muß dieses Trostes entbehren; über den Rand aber des Grabs hinaus kann es wohl wenig schaden, nicht geglaubt zu haben, was man nicht glauben konnte. Denn wäre dieser Glaube eitel, so wäre es offenbar besser, nicht zu glauben an das und nicht zu hoffen auf das, was nicht ist. Wäre aber wirklich ein büßender Erlöser da, — nun dann — ich traue Gott schon ohne Erlöser zu, und es ist mir begreiflich, daß er mich um meiner menschlichen Fehler willen aus Liebe nicht ganz und nicht ewig unglücklich machen werde. Hat er aber wirklich seinen eingebornen Sohn auch noch zum Sühnopfer dahingegeben, so muß er mich noch mehr lieben, als ich ihm zutraue, mehr, als alle Vernunft begreifen kann, so kann er vermöge seiner größern unbegreiflichen Liebe nicht tun, was er schon nach seiner geringeren begreiflichen Liebe nicht hätte tun können, so kann er keinem kapriziösen Wohltäter gleichen, der alle seine Wohltaten an wunderliche Bedingungen knüpft. Und das täte er doch, wenn er den, welcher das, was die protestantische oder katholische Kirche sagt (weil er nicht prüfen kann oder mag), geradezu glaubt, selig machte, und den, der gern glauben möchte und gewiß glauben würde, wenn er könnte, verdammen wollte.

Was ist auch Glaube an sich? Wer nicht glaubt, um zu handeln, der erfüllt, um die wichtigste Wohltat zu erlangen, die einfältigste Bedingung. Wer glaubt und darum gut handelt, weil er glaubt, - den Glücklichen macht sein Glaube selig. Wer aber ohne den Glauben gut handelt, auch dessen wird sich Gott erbarmen, oder es komme keiner und überrede mich, Gott habe die Menschen so lieb, daß er auch seinen Sohn für sie dahingegeben habe.