XXXXX   Allgemeine Betrachtungen
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TEXT 74

       


 

     

4.

Ich würde die Zeit n.[icht] finden, wenn ich alle Denkmale der Allmacht und Güte und Weisheit aufzählen wollte die ihn in allen Tagszeiten in allen Jahrszeiten vom Morgenrot des ersten Frühlingstages bis zum lezten duftenden Herbstabend in allen seinen Geschäften unaufhörlich umgeben   Der Berg und das Thal, der Grashalm, die Blume des Feldes Zeugen von ihr. Im Gesang der Lerche im Säuseln des Abendwindes im Rollen der Gewitter vernimmt er ihren Preis. Aus allen Blumenkelchen steigen Weihrauchdüfte ihr empor. Wohin er seine Blicke wendet, begegnet ihm sein Gott. Die ganze Natur wird ihm zum Tempel des Vaters aller Wesen in dessen Händen s.[ein] Schicksal ruht.

Welche andere Berufsart erinnert so unaufhörlich so unausweichlich an die Abhängigkeit Gott an die engen unverrückbaren Verhältniße zwischen dem Sterblichen und ihm?
 

      5.

Zwar gestehen wir gerne zu, daß ieder M.[ensch] in jedem Alter, ieder Stufe des Glückes  in iedem Beruf Gelegenheit genug findet, wenn er auf seine Gefahren achten will, seiner Ohnmächtigkeit sich bewußt zu werden und den Lenker seiner Schicksale über den Sternen zu suchen und zu vernehmen.

Ich will nicht zu der ersten Frage zurückgehen: Wem verdankt der König wie der Bürger der Gelehrte und der Garbenbinder sein Daseyn? Aber wen flehen wir alle um Genesung an, wenn Schmerz und Krankheit in unsern Gliedern wüthet  zu wem heben alle das thränenvolle Aug empor, wenn ein geliebtes Wesen mit dem Tode ringt. Wer erkennt nicht in seinen Schicksalen eine unzerstörbare Verflechtung in dem großen Zusammenhang aller Dinge, der nur von der guten Vorsehung geboten ist? Wahrlich der Unglückliche stünde nicht mehr hoch über dem Gottesleugner, wenn er nicht in seinem Glück und in seinem Mißgeschick, in seinen erfüllten und in seinen vereitelten Hoffnungen das Walten einer höhern Macht erkennte.

Eben so wenig läßt es auf der andern Seite sich leugnen, daß oft genug auch das Wünschen, Streben und Hoffen des Landmanns von menschlicher Willkür und Übermacht durchkreuzt wird. Auch er ist Mensch wie alle und Bürger wie alle und allen Gesetzen und Bedingungen unterworfen von denen alle geleitet werden. Das brennende Haus des Nachbarn ergreift auch das seinige, der Dieb findet auch zu seiner Thüre den Eingang Hader und Zwietracht, Friede und Liebe wohnt auch unter den Dächern der Dörfer, und der Krieg zerstört seine blühenden Saaten die Frucht seiner Arbeit, wie er die Werkstätten des fleißigen Handwerkers zertrümmert, die Magazinne des Kaufmanns plündert und die Palläste der Fürsten verödet. O, er wäre glücklicher als die Erde beglücken kann wenn er über alle Berührungen mit menschlicher Willkür über allen Zwang der Umstände erhaben nur mit seinem Gott in unmittelbarer Verbindung stände.

       

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Dieser Text wurde als Teil der Betrachtung
 "Der Ackerbau, eine vorzügliche Schule der Religiosität"
 in "J. P. Hebels sämmtliche Werke, Achter Band" 1834 veröffentlicht.
Der Text wurde von allen späteren Herausgebern in dieser gedruckten Form übernommen - der. o. a. Text ist die Transkription des Autographen.

Der Autograph besitzt keinen Titel und unterscheidet sich in der Rechtschreibung erheblich vom Original - so z. B. bei der Verwendung von 'i' statt 'j', 'aker-' statt 'acker', 'seyn' statt 'sein' und vielfach 'th' statt 't'. Wie üblich hat der Satzbau durch den "hebeltypischen" sparsamen Einsatz von Kommas eine andere Rhythmik (die alle späteren Herausgebern wohl ihren Lesern nicht zuzumuten glauben konnten.

Die Teile '1.' + '2 b' + '3.' entsprechen Text 72; der Teil '2 a' entspricht Text 76;
der Teil '7.' entspricht Text 73; Teil '6' und mögliche weitere sind nicht vorhanden.
Die gesamte Ausarbeitung/Betrachtung enthält mehrere leere und/oder begonnene Seiten, dazu lange gestrichene Passagen, was darauf schließen lässt, dass der Text in mehreren Etappen verfasst und ev. deshalb im Karlsruher Konvolut bei der Restauration 1949 auch nicht in der 'richtigen' Reihenfolge gebunden wurde.
Nichts desto trotz bildet das "BLB-Buch" die Vorgabe dieser Website.

 

 

 
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      Transkription nach dem Autograph (Digitalisat der BLB Karlsruhe S. 266 - 271).

 

Das Jahr ist unbekannt, der Schrift des Originals nach
dürfte der Text um 1820 entstanden sein.