XXXXX   Allgemeine Betrachtungen
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TEXT 72

       


 

     

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Allein dis alles zugestanden steht doch die akerbauende Volksclasse noch in einem besondern Verhältniß zu dem Herrn der Natur und wird öfter und lebhafter als iede andere an ihre Abhängigkeit von ihm erinnert. Der Landmann darf die Fruchtbarkeit des Erdreichs, dem er seine Saaten anvertraut von keinem Menschen erwarten, von keinem Günstling des Glückes erschmeicheln, er bedarf keiner Laune des Königes dazu.

Sie ist durch das ewig wirksame Wort des Schöpfers gegeben, ausgebreitet, unvertilgbar, unerschöpflich und wartet nur auf seine fleißige Hand.

Oder wer führt ihm die Sonne am heiteren, blauen Himmel herauf, daß sie die Keime seiner Saaten entwickle? Wer überzieht den Himmel mit Wolken daß er zu rechter Zeit seine Pflanzung begieße? Oder wer weigert beides und bleibt stumm zu seinen Bitten? Oder wer zerstört die Hoffnung des Glücklichen durch Hagelschlag den Tag vor der Ernte? Nennt mir den Menschen, der einen Regentropfen in dem Dunstkreis zusammenziehen der die Millionen von Weizenkörnern die der Garbenbinder sammelt, um eines vermehren kann?

Da wird alle Weisheit der Gelehrten, da alle Fertigkeit des Künstlers, da alle Macht der Könige zuschanden. Nur zu dem Ewigen kann der Sämann beten, wenn er seine Saat auf den Acker trägt - nur ihm der Schnitter danken, wenn reiche schwere Halme unter der Sichel fallen, nur demuthsvoll und vertrauend sprechen Dein Wille geschehe, wenn alle seine Hoffnungen er vernichtet sieht.So wahr ist es, wenn wir sagen, daß der Landmann unaufhörlich an G.[ott] und an seine V.[erhältniße] zu ihm erinnert werde, und so ist sein Beruf, wenn er nur will mehr als ieder andere eine Schule der Religiosität.

       

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Dieser Text wurde als Teil der Betrachtung
 "Der Ackerbau, eine vorzügliche Schule der Religiosität"
 in "J. P. Hebels sämmtliche Werke, Achter Band" 1834 veröffentlicht.
Der Text wurde von allen späteren Herausgebern in dieser gedruckten Form übernommen - der. o. a. Text ist die Transkription des Autographen.

Der Autograph besitzt keinen Titel und unterscheidet sich in der Rechtschreibung erheblich vom Original - so z. B. bei der Verwendung von 'i' statt 'j', 'aker-' statt 'acker', 'seyn' statt 'sein' und vielfach 'th' statt 't'. Wie üblich hat der Satzbau durch den "hebeltypischen" sparsamen Einsatz von Kommas eine andere Rhythmik (die alle späteren Herausgebern wohl ihren Lesern nicht zuzumuten glauben konnten.

Die Teile '1.' + '2 b' + '3.' entsprechen Text 72; der Teil '2 a' entspricht Text 76;
die Teile '4.' + '5.' entsprechen Text 75; Teil '6' und mögliche weitere sind nicht vorhanden.
Die gesamte Ausarbeitung/Betrachtung enthält mehrere leere und/oder begonnene Seiten, dazu lange gestrichene Passagen, was darauf schließen lässt, dass der Text in mehreren Etappen verfasst und ev. deshalb im Karlsruher Konvolut bei der Restauration 1949 auch nicht in der 'richtigen' Reihenfolge gebunden wurde.
Nichts desto trotz bildet das "BLB-Buch" die Vorgabe dieser Website.

 

 

 
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      Transkription nach dem Autograph (Digitalisat der BLB Karlsruhe S. 259 - 261).

 

Das Jahr ist unbekannt, der Schrift des Originals nach
dürfte der Text um 1820 entstanden sein.