XXXXX   Allgemeine Betrachtungen  
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   TEXT 35 (Punkt 9)

 
       

II                                                            [1808]

9.   Aeronautik.

 
       


1,   Was leistet sie jezt schon.

 
         
a   Sie gibt einen neuen Beweis was menschlicher Forschungsgeist vermag
     und belebt ihn mit Muth zu neuen Entdeckungen

b   Führt den Physiker zur genaueren Kentniß der oberen Luft Region.

c   Gibt Standpunkte zur Überschauung größerer Räume.

 
       


2,   Was hindert ihren größeren Einfluß auf den Zustand der Dinge. (Apparatus)
      Der Ballon kann nicht regirt werden

3    Ist es möglich daß diese unvollkommene Zeit noch gehoben werde? Warscheinlich
      Nein.   Ja.   Im lezten Fall.

4,   Was ist noch von ihr zu erwarten

 
         
a   wirklich und scheinbar gutes

b   mit welchen Unbequemlichkeiten verbunden

Zu a,   Schnelle Reisen über Land

 
           


α   wegen Geschwindigkeit der Bewegung

β   wegen der geraden Linien bey günstigem Winde

Erleichterung zur Kentniß unbekannter Länder. Schiffe bringen uns nur bis an die Küste.

 
       

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Dass Hebel theologisch, literarisch und pädagogisch kompetent war, ist eine Binsenweisheit - ebenso bekannt sind seine naturwissenschaftlich-biologischen Kenntnisse -
dass er aber auch im technischen Bereich interessiert, beschlagen und absolut auf der Höhe der Zeit war, ist neu.
Hier als Zusatzinformation eine kleine Zusammenstellung der Fakten, die Hebel offensichtlich bekannt waren und sein Interesse geweckt hatten:
 

     

1783   4. Juni: Die französischen Brüder Joseph Michel und Jacques Etienne Montgolfier präsentieren erstmals ihre Montgolfière in Annonay.
1783   21. November:
François d’Arlandes und Jean-François Pilâtre de Rozier gelingt die erste freie bemannte Fahrt in einer Montgolfière vom Schloss La Muette bis zur Butte aux Cailles, die 25 Minuten dauert.
1783    1. Dezember:
Jacques Charles entwickelt – angeregt durch die Brüder Montgolfier – Gasballone und führt die erste bemannte Gasballonfahrt durch. Die Luftreise dauert etwa zwei Stunden und führt bis in 3467 m Höhe.
Louis-Sébastien Lenormand vollführt Fallschirmabsprünge vom Turm des Observatoriums in Montpellier.
1784    28. Januar: Der Ballon
Ad Astra steigt in Braunschweig zum ersten Flug in Deutschland auf. Am 8. Februar folgt sein zweiter und letzter Flug.
1785    7. Januar: Der Ärmelkanal wird erstmals mit einem Ballon, gefahren von Blanchard und Jeffries, überquert.

Insbesondere den Zeitungsartikel über einen Ballonaufstieg in Basel,
durchgeführt von einem der bekanntesten "Montgolfiers" seiner Zeit,
dürfte er, da Tagesgespräch in Basel und dem Umland - also auch
in Lörrach und Weil, seinen damaligen Aufenthaltsorten, sehr wohl
gelesen haben, wenn er bei dem Ereignis nicht sogar anwesend war:
    Das 37. Stück
                        

Mittwochs-                     Zeitung     

 

Den 7 May                            Anno 1788     

 

                     Basel, den 6 May
Herr Blanchard, der sich den Winter bin-
durch hier aufgehalten, um neue Versuche
über die Aerostatik anzustellen, und sich mit
hiesigen Gelehrten in den physischen Wissen-
schaften des nähern zu unterreden, hat gestern
den 5 Man bey der schönsten Witterung und
einer grossen Anzahl Zuschauer, insonderheit
von angesehenen Fremden, seine dreyssigste
Ascension unternommen und vollbracht. Sie
verdient zu denjenigen gezählt zu werden, bey
welchen er am meisten den Elfer für seine
Kunst, seine Unerschrockenheit und ein wahres
Gefühl von Ehre an den Tag gelegt hat. Um
4 Uhr Baslerzeigers sollte die Aufsteigung vor
sich gehen; allein aus verschiedenen Ursachen
konnte das Ballon nie genugsam angefüllt
werden. Bey drey Stunden lang wurden be-
ständig neue Materialien herbeygeführt, und
Herr Blanchard arbeitete bey der größten Hitze
unermüdet immer fort. Da faßte er plötzlich,
aus Besorgniß die Zuschauer in ihrer Erwar-
 

 

  tung betrogen zu sehen, den herzhaften Ent-
schluß, Schifflein, Flügel und Ballast weg-
zuthun, um sich in einem blosen Netz einge-
wickelt, und ohne Kleidung, der Luft zu
überlassen. Sobald er sich zu erheben anfieng,
verbreitete sich unter die Zuschauer eine all-
gemeine Mischung von Bewunderung und von
Schauers. Durcheinander wurden dile Stim-
men des Mitleidens und des Jauchzend ge-
hört. Nie verlohr indessen Herr Blanchard
die Gegenwart des Geistes, denn er schwung
ohn Unterlaß eine mit dem Basel- Wappen
bemahlte Fahne. Die Ascension war für das
Auge so reizend wie möglich; indem sie we-
ber zu langsam noch zu geschwind geschah.
Nach Verlauf einer halben Stunde sah man
die Luftkugel sich nach und nach senken, bis
sie sich zwischen Basel und einem nahe gelege-
nen Dorfe Alschweiler niederließ. Herr Blan-
chard der sich an einem Fusse etwas verlezt,
wurde hierauf, in Begleitung vieler Gefährten
und einer Menge Personen allerleyi Standes
mit allgemeinen Beyfall in die Stadti beglei-
tet.

 
   

1788    15. Juni: Jean-François Pilâtre de Rozier und Pierre Romain sind die ersten Todesopfer der Luftfahrt, als ihre Ballonhülle durch einen Brand zerstört wird und sie mit ihrer Gondel in die Tiefe stürzen.
1797   22. Oktober:
André-Jacques Garnerin springt mit einem Fallschirm von einem Ballon ab und wird „offizieller französischer Staatsluftfahrer".
1799   Der Engländer Sir
George Cayley (1773–1857) skizziert ein Gleitflugzeug mit einem Seiten- und Höhenleitwerk. Sein Manuskript gilt als Ausgangspunkt für die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Fluggerät „schwerer als Luft".
1804    Sir
George Cayley, der „Vater der Aeronautik", baut aufbauend auf seinem Flugzeugkonzept von 1799 ein erfolgreiches unbemanntes Gleitflugmodell.

 
         
 
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      Transkription nach dem Autograph (Digitalisat der BLB Karlsruhe S. 117).

Der Text wurde vermutlich im Jahre 1808 verfasst.