xxxxxx   Allgemeine Betrachtungen
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TEXT 2

     

 

XXIII

Weise ist der Mann, der von aus den Händen des Glücks nicht mehr verlangt als er bedarf, und der seine Ziele nicht in der Befriedigung, sondern in der Mäßigung seiner Begierde sucht. Kann er sich gleich nicht in Purpur und Seide hüllen. Auch Klxxx und Leinen decken seine Blöse und seine Gesundheit vor den Störungen der Witterung Kann er sich auch nicht in Seide und Purpur hüllen. Er will nur seine Blöse decken. Reitzen auch Indiens Gewürze und Cyperns Weine seinen Gaumen nicht, er will nur seinen Körper nähren und seine Kaft unterstützen. Keine Marmorstützen tragen sein Dach, aber es schüzt ihn gegen die Stürme des Himmels. Er wird nicht unter den Reichen, nicht unter den Angesehenen seines Volkes gepriesen. Ihm genügt der Name eines guten Menschen, eines friedlichen Bürgers eines treuen Familienvaters. Er sieht sich nicht von Schmeichlern umlagert, kein Schwarm von Dienern wartet auf seine Befehle, keine Anbeter huldigen ihm, keine Fremden drängen sich zu seiner Bekanntschaft, ihm genügt ein Freund. Wie sich sein mäßiges Glück zu gönnen, gönnt er iedem andern sein großes.

Das wahre und sichre Glück des Lebens liegt nicht ausser uns sondern in uns, nicht in den Goldkisten, nicht in dem Adelsbriefe, nicht in dem schimmernden Pokal sondern in innigen zur Freude rein gestimmten Herzen. Wer mit einer Brust voll ungerühmter brennender Leidenschaft seine Ruhe im Reichthum oder in dem Stande sucht, findet sie nie. Er hat eine Million gesucht und findet sie nicht, er häuft den Zenit und findet sie noch nicht. Er ist aus dem Staube in die Rathsstube in das Cabinet des Fürsten, an die Spitze einer Armee auf den Thron gestiegen. Immer höher und unerreichbar stieg sie vor ihm auf ie höher er selber stieg. Selbst auf dem Thron ligt sie nur für den, der sie auf den Thron mit bringt. Nur der Zufriedene der seine Wünsche auf das beschränkt, was Natur und Glück und Fleiß ihm gewährt und in den Besitz und Genuß dessen seine Wünsche befriedigt sieht, nur er hat Ruhe und für die Freude des Lebens einen offenen Sinn.

Nur ihm lacht der Frühling und sein Blüthen, ihm schwanden die Gipfel des Blüthenhains in der sanft bewegten Luft, ihm flüstert die vertrauliche Quelle: Sanfter Schlummer besucht seine Lagerstätte während auf seidenen Polstern den Reichen die Sorgen, den Ehrfürchtigen der Neid, den Schwächling die Sünde quälen und der Ausschweifende in lärmenden Spielen, sich zum Schwächling entkräftet, und mit hartem Sinn und leichtem Bohren wacht er den Morgen auf begrüßt die Sonne und hat ein offenes Herz für alle neuen Freuden der Arbeit.

Um sich sein gemäßigtes Glück zu gönnen, gönnt er iedem andern sein größtes. Dankbar und mit Vertrauen blickt er zum Himmel auf, der die Wege des Schicksals hält. Ohne Reue schaut er in die Vergangenheit, ohne Furcht in die Zukunft. Untreu ist ieder andre Besitz, unentreißbar nur den wir im Herzen tragen.

       

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XXIII = Hebels interne Nummer

Eine besondere Schwierigkeit beim Lesen des Textes ist das Fehlen der Kommas,
 was den sowieso schon schwierig zu erfassenden Satzbau Hebels zusätzlich kompliziert - es hilft, wenn man gedanklich an diversen Stellen Kommas einfügt
und dabei hin und wieder auch alternative Setzungen ausprobiert
(z. B.: Untreu ist ieder andre Besitz, unentreißbar nur der, den wir im Herzen tragen.).

 

 

 
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      Transkription nach dem Autograph (Digitalisat der BLB Karlsruhe S. 10 - 13).

 

Das Jahr ist unbekannt, der Schrift des Originals nach
dürfte der Text um 1810 entstanden sein.