xxxxxx   Allgemeine Betrachtungen
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TEXT 14

     

 

 

Unter die goldenen Sprüche, die eine lange Erfahrung erzeugt, eine noch längere bestättiget hat, gehört mit Recht die Bemerkung, daß übel erworbenes Gut eben so zerinne, wie es gewonnen ward. Reich an Belegen für Sie ist die Geschichte, auch an Gelegenheit sie an zu wenden, das Leben.
Soll ich den blutigen Macedonier auf dem Herrscherthron des Orients nennen? Mit siegreichem Schwerd durchflog der Unersättliche die Welt, um nichts zu haben, und, ein frühes Opfer seiner Leidenschaften nichts zurückzulassen, als den Apfel der Eris* hingeworfen unter seinen Feldherrn, und eine Welt voll Waffen und Elends!
Doch wozu der weite Ausblick auf versunkene Königsthronen, zertrennten Monarchien und entblätterte Siegeskränze in ferner Zeit und Welt, als ob euch in dem nahen Leben um uns her, in den Kraisen des gemeinen bürgerlichen Lebens die Göttin mit der Wage und dem Schwerdt still und ernst das nemliche Recht ausübte wie auf den Schlachtfeldern und auf den Thronen.
Nur stiller Fleiß, nur Ruhm und Verdienst, oder weise Wahrnehmung und Benutzung günstiger Augenblicke unterstüzt von Ordnungsliebe Häuslichkeit und Tugend geben dem Wohlstand der Familie eine sichere Unterlage. Schon oft hat die Hand des Betrügers Bösewichtes in der trüglichen Kharte, in verfälschten Rechnungen, in der Tasche des Unerfahrenen in den anvertrauten Anlässen Reichthum, aber mit dem Segen gefunden, der ihm und seinen Händen, das trügliche Gut geführet hätte.
Noch nie weiheten die Thränen der Witwen und Waisen, noch nie die Seufzer und Verwünschungen der Unterdrückten, noch nie das Blut der Betrogenen in der Verzweiflung versprizt, die Schätze in den Händen des Betrügers zu einem glücklichen Besitz. (Pelts.** (Noch selten hat ein unehrliches Kapital in ehrlichen Zinsen gewuchert)
Vier Gründe, die diese Warheit beweisen, oder die Erfahrung durch welche sie schon bewiesen ist.
Abgesehen von andern Ursachen aus denen diese Erscheinung natürlich zu erklären ist, erwähle ich nun eine.
Nie kann der Bösewicht Schätze, durch Unrecht erworben, den Werth legen, nie die Liebe dazu tragen, nie die Freude daran finden, die das Eigenthum gewährt. Warum auch ihr Besitz durch alle seinen Ränken der rechtlichen Streitkunst, wäre er durch erschlichene oder erkaufte Richtersprüche, wäre er durch Kaysers Wort und Brief und Schwerd gesichert, es ist nicht sein Eigenthum, nicht anerkannt von der lezten und obersten Instanz im eigenen Busen. Und das nicht blos geliehene, nicht zur Nutzniesung durch rechtliche Verhandlungen empfangene fremde Gut, rein dieses geraubte, das durch unehrlichen Handel des durch betrügliche Rechnungen, durch falsche Scheine, durch untergeschobene Instrumente, durch Gunst und Geld erschlichene, entwendete, erpresste Gut des Waisen, der Witwe des Staates sollte es die frevle Hand des Verbrechers mit der Liebe des Eigenthums verwahren und pflegen und vermehren können. eben so wie der gewissenhafte Mann den Segen den er aus frommer Eltern Hand empfing, oder durch Fleiß und Müh sich selber eignete***.
Nein!  Es ist schon fast unmöglich****, daß selbst der unbescholtene Mann eine ganze in Pacht auf gewiße Jahre empfangene Länderey ganz mit der Treue ganz mit der Gewissenhaftigkeit, und mit der Hofnung einer belohnenden Zukunft in ihrem höchsten Wohlstand zu erhalten, und noch täglich in höheren Flor zu bringen im Stand sey. Überal begleitet ihn der Gedanke des Unmuthes: Es ist nicht mein Eigentum. -
 

       

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* Apfel der Eris = Apfel der Zwietracht.
Eris: griechische Göttin der Zwietracht und des Streites.

** Wort bzw. Begriff unklar/unbekannt

*** eignete = gemeint ist sicher 'aneignete'.

**** über 'unmöglich' ist 'unerhört' geschrieben
(vermutlich gilt aber das unterstrichene 'unmöglich').

 

 

 
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      Transkription nach dem Autograph (Digitalisat der BLB Karlsruhe S. 36 - 41).

 

Das Jahr ist unbekannt, der Schrift des Originals nach
dürfte der Text um 1810 entstanden sein.