xxxxxx   Allgemeine Betrachtungen
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TEXT 1

     

 

 

Man kann das Allgemeine Urtheil, daß der Reiche glücklicher ist als der Arme seÿ zwar nicht iezt billigen, denn wer würde nicht das Loos des ersten dem Loß des 2ten Vorziehen.
Niemand entbehrt gerne. Aber der Arme entbehrt viel. Selbst seine Bedürfnisse befridigt nur kümmerlich die Arbeit oder die Milde seiner glücklichen M.* Die Bequemlichkeiten die dem Leben so wohl thun sind ihm fremde. Allen ienen Freuden, in denen die Glücklichen schwelgen rauschen an ihm vorbei, und was davon sein Auge oder Ohr erreicht muß ihn eher zu Unmuth über sein Schicksal hinab stimmen, als zur freudigen Theilnahme daran aufrichten.
Aber getrübt ihn daß der R.[eiche] nichts entbehre, daß das Glück allen s.[einen] Launen zu Gebot stehe.
    Und doch
entbehrt oft der Reiche

Ach er entbehrt oft größerer Güter als der Arme. Güter um die er den Bettler beneidet, dem er ein Scherflein reicht.
Ich befürchte keinen Widerspruch wenn ich unter allen Gütern die der Mensch von dem Schicksal oder und der Natur oder sich selbst erlangen kann die Ruhe des Gemüthes als das erste nenne, und glaube keinen großen Beweises zu bedürfen, daß Geld am wenigsten diese köstlichen Grades Geists sichern erkaufen läst sie sich mit Millionen nicht, und nicht sie, aber Sorgen Furcht, unersätliche Begirden, Neid sind die Gefahren des R.[eichthums]

Oder wollt ihr die körperliche Gesundheit für das höchste Glück des Lebens rechnen. Sie ist wenigstens ein hohes. Aber ihr Besitz hängt eben so wenig von den Millionen ab, als der innere Frieden der Seele. Es ist wahr der R.[eiche] hat mehr Mittel die verlohrene Ges.[undheit] wieder herzustellen, wenn es möglich, aber er hat auch mehr Gelegenheit und Versuchung sie zu verlieren. Es gibt wenigstens viele die bei kärglichem Mal ein hohes gesundes Alter erreichen und viele die an den üppigen Tischen die ihnen der Reichthum deckt, einem frühen Siechthum entgegen essen.
Aber was ist einem kummerhaften Gemüthe tröstlicher, was ist dem Gesunden wie dem Kranken unentbehrlicher als ein treuer Freund, und auch dessen entbehrt oft der Unglückliche, der die Welt so glücklich preist.
Ia freundliche Mienen, ia glatte Worte, ia dienstfertige Hände und zahlreiche Besuche sind feil um blendendes Gold, aber Freundschaft, ein treues Herz in Leid wie in Freude v[on] uns hat einen andern Preis den auch der ärmste geben kann. Seÿ der Freunde werth, so wirst du Freunde haben.
Ich sage nicht, daß alle unbemittelten Menschen vergnügt, daß sie gesund, daß sie für Freundschaft empfänglich seÿen daß man nur arm seÿn dürfe. Ich würde der Erfahrung widersprechen. Ich sage auch nicht, da alle Reichen unruhig in ihrem Gemüthe krank am Körper, verlassen von Freunden seÿen ( daß er nie weich werden dürfe um p zu verlieren. Ich würde der Erfahrung widersprechen und eine Ungerechtigk. an vielen edlen Menschen begehen. Aber iener kann doch neben den dürftigsten Beschränkungen iene unbezahlbaren Güter des Lebens besitzen, und dieses kann im unmeßbaren Überfluße ihrer beraubt seÿn, und es gibt doch fröhliche Bettler sogar, und niedergeschlagene Millionäre, gesunde Tagarbeit und Kranke die Reichthum die ihrer Pflege bedürfen. Ja es gibt Freundschaft und das Heilen und öde Einsamkeit zwischen den Wänden und Mauern und so entbehrt oft der Reichthum mehr als d. A. **

       

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* M. = ev. Mitmenschen
(nach dem Punkt folgt ein nicht lesbarer Buchstabe)

p = perge (lat.) = usw.

** d. A. = der Arme.

 

Ein ähnliches Thema behandelt Hebel in Text 13 - 1 der ungedruckten Papiere.

 
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      Transkription nach dem Autograph (Digitalisat der BLB Karlsruhe S. 6 - 9).

 

Das Jahr ist unbekannt, der Schrift des Originals nach
dürfte der Text um 1820 entstanden sein.