zurück Predigt am Sonntage Oculi 1796
     

Als die Menschen in der Irre gingen, wie verlorne Schafe die keinen Hirten haben, Gott da sahest du herab auf unser Geschlecht, und sprachst: ich will nicht, daß Jemand verloren werde, und gabst uns deinen Sohn, daß er unsre Weisheit und unsre Gerechtigkeit, unsere Heiligung und Erlösung würde. Wir danken dir für diesen theuren Erretter; er hat uns durch seine Lehre deine Wahrheit, durch sein Leben das Bild eines vollkommenen dir wohlgefälligen Menschen, durch seinen Tod unsre Erlösung, und durch Auferstehung und Heimgang zu dir unsre Bestimmung kund gethan in lebendiger Kraft und That. Laß an keinem unter uns deine wohlthätigen Absichten verloren seyn. Laß alle, die es noch nicht glauben wollen, erkennen, daß Heil in ihm, und kein besserer Name den Menschen gegeben sey, darinnen sie mögen selig werden, als der Name Jesus. Gib allen, die es erkennen, deinen Geist, der sie zum Vertrauen und zur Liebe erwecke und an ihrem Leben das Leben Jesu Christi darstelle in Heiligkeit und Gerechtigkeit. Wir beten nicht für die, die es erkannt haben, und im Glauben deines Sohnes und in deiner Liebe wandeln. Sie sind dein. Und ob sie auch noch unter Thränen zu ihrem Ziele wandeln, so ehren sie doch deine Züchtigungen, und freuen sich deiner väterlichen Leitung. Und ob sie auch noch oft mit sich selber um Glauben, Tugend und Hoffnung im Kampfe liegen, so halten sie sich doch im Gefühl ihrer eigenen Schwachheit nur fester an dich, dessen Kraft in den Schwachen mächtig ist. Und ob auch der sterbliche Mensch in ihnen noch erliegen muß im Kampf mit dem letzten Feinde, dem Tod, so freut sich doch dann der unsterbliche seines vollendeten Pilgergangs, und der ahndungsvollen feierlichen Nähe seiner Heimath, und geht siegend über Ungemach und Sünde, über Grab und Tod auf dem Wege seines Herrn hinein zu seines Herrn Freude.
Laß uns alle so fromm und froh und selig werden! V. U.

Text: 2. Korinther 5, 19 — 21

19 Denn Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung.
20 So sind wir nun Botschafter an Christi statt, denn Gott ermahnt durch uns; so bitten wir nun an Christi statt: Lasst euch versöhnen mit Gott!
21 Denn er hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm die Gerechtigkeit würden, die vor Gott gilt.

 

Es kann keinem, der Bibel liest, und mit Aufmerksamkeit und Anwendung sie liest, unbemerkt geblieben seyn, wie die Apostel des Herrn, in welchem Theil der christlichen Religionsweisheit sie sich mit ihren Zuhörern oder Lesern befinden, doch allemal und auf allen Wegen wieder zu der Wahrheit zurückkommen: Christus hat gelebt für unsre Heiligung und ist gestorben für unsere Sünde nach der Schrift, und hat sich durch seine Auferstehung gerechtfertiget und dargestellt als unsern Erlöser und Herrn.

So Paulus in dem Kapitel unsers Textes. Er schaut in dem Anfang desselben mit dem Sehnen eines Pilgers im fremden Lande hinüber nach den Hütten, die nicht zerbrechlich sind, nach dem Hause, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel; tröstet dann sich und die Seinigen, daß sie, so lange sie im Leibe wohnen, dem Herren wallen, und im Glauben wandeln um zum Schauen zu gelangen; stellt den schönen Grundsatz auf, der in seiner Seele Erde und Himmel zusammenbringt: wir fleißigen uns, wir seyen daheim oder wir wollen, daß wir ihm wohlgefällig werden, und knüpft an diesen Grundsatz den ernsten Gedanken: wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi, auf daß ein Jeglicher empfange, nach dem er gehandelt hat bei Leibes leben, es sey gut oder böse.

Wie von einem heiligen Schauer des Gerichts ergriffen, aber mit dem festen Muth eines guten Gewissens legt er hierauf seinen Corinthern und sich Rechenschaft seiner Berufstreue ab. Er erinnert sich, wie ihm einige zur Last legen, daß er hier im Eifer zu viel und dort in der Mäßigung zu wenig thue, und entschuldigt sich: thun wir zu viel, so thun wir es Gott, sind wir mäßig, so sind wir euch mäßig, und gleichet das weniger oder mehr in der schönen Rechtfertigung aus, (wer mag sie antasten?): die Liebe Christi dringt mich also, der für uns alle gestorben ist, auf daß wir alle ihm leben mögen, und kommt dann unvermerkt auf den Jnhalt unsers Textes, wo er wieder im vollen Gefühl seines apostolischen Berufes ankündiget: Gott war in Christo und versöhnte die Welt mit sich selber, und hat unter uns aufgerichtet das Wort der Versöhnung. — So sind wir nun Botschafter an Christi Statt, denn Gott versöhnet durch uns. So bitten wir nun an Christi Statt, lasset euch versöhnen mit Gott.

So liegt ihm und fallen Aposteln diese Wahrheit immer am hellsten und lebhaftesten in der Seele. Sie ist der Standort, den sie immer im Auge behalten; der Mittelpunkt, an dem ihre Belehrungen und Ermahnungen, ihre Warnungen und Tröstungen, ihr eigener Glaube auf der Erde und ihre Hoffnungen im Himmel an unsichtbaren Fäden zusammenhängen.

Keinem, der zum Christenthum, und zum Christenthum der Apostel sich bekennt, kann also auch die Wichtigkeit dieser Lehre unbemerkt oder zweifelhaft geblieben seyn. Ihr irrtet auf täuschendem Abwege, verlassen von der Hand eurer ehrwürdigen Führer der Genossen und Zeugen Jesu Christi, die er selbst gebildet, und mit seinem Geiste genährt, ausgesendet hat, sein Evangelium zu verkündigen, und die Menschen ihm zuzuführen, wenn ihr überall auf eurem Wege Christus-Weisheit und Christus-Tugend und Christus-Lehre zu erblicken glaubtet, und doch nirgends Christus selber mehr fändet, den Gekreuzigten und den Auferstandenen, des Menschen Sohn in dürftiger Knechtsgestalt, und den Herrschenden auf dem Thron des Vaters; wenn ihr den Gesetzgeber über dem Gesetz, mitten unter den schönen Verheissungen ihre Bürgschaft, und im tiefen durchgreifenden Gefühl eurer Verpflichtung zur Heiligung und Verähnlichung mit Gott, den verlöret, den euch Gott gemacht hat zur Weisheit und zur Gerechtigkeit, zur Heiligung und zur Erlösung.

Lasset uns hören, was Paulus über die Person und den Zweck Jesu für Aufschluß gibt. Gott war in Christo, so lehrt uns unser Apostel. Jesus erschien unter den Menschen eines Weibes Sohn, und ward durch Jahre, Bildung und Erfahrung, was er seyn sollte, reich an Weisheit und Gnade bei Gott und den Menschen, war Mensch unter den Menschen, und seinen Brüdern gleich, nannte sich am liebsten und öftersten des Menschen Sohn, und gieng, obgleich zum ewigen Leben und Wirken bestimmt, doch den Weg, den wir alle wandeln, durch den Tod ins Grab; und seine Bedürfnisse, seine Klagen, seine Leiden, seine Thränen, die letzten menschlichen Seufzer seiner sterbenden Brust sind uns theure köstliche Zeugen, daß er uns angehört, und daß das, was in seiner Seele unter allen Stürmen standhaft auf Gott vertraute, eines Menschen Glaube, und das was in ihm so himmlisch fühlte, so innig liebte und erbarmte und segnete, eines Menschen Herz, und seine Tugend und Heiligkeit eines Menschen errungenes Ziel, und sein Leiden, Tod und Auferstehen eines Menschen Gang zur Unsterblichkeit war. Möchte er von Gott für uns bestimmt gewesen seyn, zu welcher höhern oder geringem Absicht er wollte, kein Engel hatte uns das ersetzen können, was Jesus von Nazareth uns durch seine reine Menschlichkeit ist.

Aber Gott war in Christo. Laßt uns nicht verwegen und mit undankbarer Mühe an dem geheimen Sinn dieser Worte grübeln, Sie sind unverständlich dunkel, und unverkennbar deutlich und klar. Dunkel im Buchstaben und klar in lebendiger Kraft und That.

Als in einer einsamen heiligen Stunde der hohe Gedanke mit unnennbar großem himmlischem Gefühl und einer nimmer zu besiegenden Stärke in seiner Seele sich gebar: ich kann, ich will, ich muß meiner armen, irrenden, trostlosen Brüder Retter werden, ich will den Menschen durch Beispiel und Lehre, durch Leben und Tod, Vertrauen und Liebe und Tugend, und der Gottheit durch Gebet und Thränen und Gehorsam Begnadigung aberringen, ja ich will sie erlösen aus der Hölle und vom Tode erretten, — da war Gott mit ihm. Als am Jordan im heiligen hehren Tempel der Natur die Glorie des Himmels über ihm schwebte, und seinem großen Entschluß die segnende Bestätigung und Weihe gegeben ward: dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe, und als es so rein und einstimmend, so neu und doch so bekannt, so ernsthaft feierlich und doch so lieb und kindlich in seiner Seele und in seinem innersten tiefsten Gefühl antwortete: du bist mein Vater, von Ewigkeit hast du mich gezeuget, — da war Gott mit ihm — O wenn er mit verklärtem Antlitz Worte der Weisheit, der Heiligung und des Trostes, die noch nie auf der Erde, nur im Himmel gehört wurden, aussprach, und in seinem Herzen das Gefühl der Wahrheit und der Liebe, und der Hoffnung bis zum Gefühl der Seligkeit Gottes zusammenfloß, und wenn er des Erfolgs getrost wie Gott mit ausgestreckter Hand das stürmende Meer besänftigte, in das verschlossene Ohr des Tauben rief: Hephata thue dich auf, und in das stille Behältniß des Todes gebot: Lazarus, ich sage dir: komme heraus, — da war Gott mit ihm, und Schöpferstimme Gottes rief aus dem Munde des Sohnes Maria. — Als er seinen Lieben auf dem Wege des Todes zum Troste gab: Ich gehe hin, aber ich komme wieder, — (nur ein kurzer Seitengang ins Grab, und dann ein frohes Wiedersehen am Wege von der Erde zum Himmel), — und als im heiligen Schimmer der Sonntagsfrühe, am dritten Tag der Getödtete und Beweinte ins Leben zurückkehrte, um seinen Frieden zu bringen den Eilfen, und Verständniß der Schrift den Jüngern auf dem Wege, und Glauben dem Thomas und Versöhnung dem Petrus, und als sie ihn sahen und ihm glaubten und sich freuten seines Lebens und seines Sieges und seines Heimganges zu dem, der ihn gesandt hatte, — da war Gott in ihm. Und als sie nach seinem Hingang alle seine Verheißungen erfüllt sahen, und seine unsichtbare Nähe an unverkennbaren Wirkungen erkannten, und den Segen seines Evangeliums ausser ihnen mit frohem Erstaunen überschauten, und in ihnen mit stiller Seligkeit fühlten, da bekannten sie: Gott war in Christo, und nun ist er verklärt in Gott, und Gott war verklärt in ihm.

So faßts Paulus an einem andern Orte zusammen: Er ist geboren von dem Geschlechte Davids nach dem Fleisch, aber kräftiglich erweiset ein Sohn Gottes nach dem Geist, der da heiliget seit der Zeit, da er auferstanden ist von den Todten, nämlich Jesus Christus unser Herr.

Gott versöhnte die Welt, so fährt er in unserm Texte fort, mit ihm selber, und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu, und hat unter uns aufgerichtet das Wort der Versöhnung. — Laßt uns nun, dem Sinn dieser Worte so nahe als möglich zu kommen, nachdenken, was Jesus von Nazareth, dieser Größte und Einzige, dieser Verwandte der Göttlichkeit und des Menschen — was er als Menschen Sohn dem Schöpfer und was er als Gottes Sohn dem Menschen war.

Als Menschen Sohn war er dem Schöpfer, was wir ihm alle seyn sollten. Sein reines wohlbehaltenes Ebenbild in Heiligkeit und Gerechtigkeit, die vor ihm gefällig ist; der demüthigste, hingegebenste Verehrer der Gottheit, ohne Murren; das liebende sehnende Kind ohne Mißtrauen; der Menschen Freund und Gehülfe und Tröster ohne Eigennutz; Fleisch und Blut, aber ohne Sünde; mitten in der Welt unter Heiligen und Sündern, unter Schwachen und Boshaften, allen lockenden und drohenden Versuchungen an seine Sinnen, an sein Gefühl und an sein Herz, an seine Liebe und an seine Hoffnung ausgesetzt, aber ohne Fall. Er gab seine Seele, als ihm das Auge brach, so rein und heilig in die Hände seines Gottes zurück, als sie von seinem Gott ihm eingehaucht war, nur durch Leiden und Versuchung köstlich bewährt, Gottes ewiger Gnade und aller Seligkeit des Himmels durch eigene Gerechtigkeit werth. Das war Jesus von Nazareth unser Bruder, der Einzige. Habt ihr noch nie gehört, wie eine einzelne Familie oder eine ganze Gemeinde um eines Einzigen willen, der ihr angehörte, sich geehrt fühlte, oder wie eine gesunkene Familie an einem Einzigen, der in seiner Person ihre vorige Würde wieder herstellte, sich auch wieder aufzurichten strebte? Wohl fühlt sie jetzt am stärksten, wie tief sie herabgesunken ist, wenn sie sich neben diesem Einzigen betrachtet. Nichts desto minder freut sie sich seiner, und nimmt Antheil an seiner Ehre und an seinem Glück. Wenn sie bemerkt, wie er sich ihrer nicht schämt, sie nicht verachtet, sich gerne zu ihr bekennt, sie gerne zu ihm hinaufziehen will, o dann bricht allen, die ihm angehören, das Herz; sie nennen ihn ihren Freund und Vater und Engel, sie lieben ihn und vertrauen auf ihn, hoffen an seiner Hand und durch seine Fürsprache Schonung Verzeihung und Achtung wieder zu erhalten, bemerken es, wie sie um seinetwillen geschont und geachtet werden, und bemühen sich, — wenigstens die edlern unter ihnen, — seines Namens und seiner Fürsprache und des Glücks, zu dem er ihnen verhelfen will, würdig zu werden. Ist es euch nicht, als ob ihr Jesu des Menschen Sohns, und seiner Tugend und Liebe euch auch freuen müßtet, ihn lieben, und ihm vertrauen möchtet, etwas von ihm zu erwarten hattet, durch Annehmung seines Sinnes, und Nachahmung seiner Tugenden euch empor heben, seines Namens werth, und seiner Ehre bei Gott würdig werden möchtet? Und wenn ihr euch neben ihn vor Gott stellt, mit Scham und Reue, mit Liebe und Hoffnung, ihm gerne ähnlich zu werden wünschet, und doch fühlt, wie unähnlich ihr ihm noch seyd; ist es euch nicht, als ob ihr sagen müßtet zu Gott: um, des Einen willen, der meines Geschlechtes ist, und mich liebt, weil ich ihn liebe, und ihm ähnlich zu seyn mit heißer Seele mich sehne, um des Einen willen, der für alle sich dir geheiliget und geopfert, und an dem Tage seines Fleisches für mich gebetet hat, — flehe ich zu dir o Gott um Schonung, Versöhnung und Gnade, um Kraft zum neuen Leben, und dann um Erhörung seiner Bitte, daß ich schauen und mich freuen möge seiner Herrlichkeit, die du ihm gegeben hast! Tausende haben schon so empfunden und so gebetet, und sich an ihm zur Hoffnung und Tugend ermannt, und die Bibel hat sie nicht ohne Trost gelassen, denn sie sagt uns auch was Christus als Gottes Sohn den Menschen ist.

Gott war in Christo, — und wer ihn sah, der sah den Vater, und was er von dem Vater gehört hatte, das redete er. Des Menschen Sohn, sagt er, ist nicht gekommen, daß er die Welt richte, sondern daß die Welt durch ihn selig werde; — wer an ihn glaubt, der wird nicht gerichtet. Das ist der Grundsatz seines Herzens, den er bekennt, dies sein Beruf von Gott, den er ankündiget, dies die Ueberschrift zu jedem Kapitel seines Lebens. Vergebung und Besserung ist der große Inhalt seiner Lehre, im stillen Umgang mit seinen Vertrauten und in der lauten Predigt am Gotteskasten des Tempels, und auf dem Berge. Besserung und Vergebung, wenn er Gott kennen lehrte, den Richter und den Vater, den Heiligen und den Erbarmenden, und wenn er den Menschen mit sich selber bekannt machte in den geheimsten Falten seines Herzens. Vergebung und Besserung, wenn er Unwissende belehrte, Schwachen Muth einsprach, Gefallene aufrichtete, Leidenden wohl that, Traurige tröstete, Fromme segnete, und Lasterhafte erschütterte, und über Verstockte weinte. Vergebung und Besserung, wenn er selbst das einladende Bild eines vollkommenen Menschen in seinem Wandel und zum belehrenden Muster und zur ermunternden Nachahmung aufstellte, und mit unerschöpfter Herzensgüte und Langmuth Schwachheiten trug, Beleidigungen verzieh, und für seine Feinde betete. Vergebung und Besserung, wenn er sich selbst für die Sünden der Menschen zum Opfer weihte, und zur Beruhigung deren, die ihm glaubten, und deren die noch zweifelten, ein heiligendes Leben mit einem versöhnenden Tode beschloß. So hängts die Bibel zusammen; so unser Text. Sie redet nie von unsrer Vergebung, ohne sie anzuknüpfen an den Tod Jesu. Sie redet nie von dem Tode Jesu, ohne unsre Vergebung als seine schöne wohlthätige Frucht ihm zur Seite zu stellen. Mag sie uns hier noch dunkel sprechen; einst wenn wir so manches Andre werden verstehen lernen, was wir jetzt nicht verstehen und doch glauben, werden wir auch diesen Zusammenhang einsehen, und niederfallen und anbeten und danken.

Gott war in Christo, und versöhnte die Welt mit ihm selber, und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu. Gehet bei dieser trostvollen Ankündigung des Apostels nicht vorbei, sie heißt: Laßt euch denn versöhnen mit Gott. Nehmet die Zusicherung der Geduld und Langmuth und Gnade, die euch Gott durch Christum entgegenbietet, dankbar an, und erfüllet ihre einzige aber unerläßliche Bedingung. Sehet auf Jesum Christum, belebet durch seine Aufforderungen euren Muth zur Heiligung, erwärmet an seiner himmelreinen Tugend euer Herz. Nähret mit seiner Weisheit euren Geist. Nehmet zu an Kindlichkeit gegen Gott, in Vertrauen, Liebe und Gehorsam, daß er in eurem Sinn und Wandel den Geist und die Liebe und Heiligkeit seines Sohnes erkenne. Sollte das Anschauen der Tugenden Jesu Christi euch noch nie das Sehnen abgenöthiget haben, auch so gut und vollkommen und selig zu seyn. Solltet ihr noch nie in einer stillen wehmüthigen Stunde über eure Fehler getrauert, und um Trost zum Himmel geblickt, — euch nie nach einem von jedem Vorwurf reinen und frohen Bewußtsein der Gnade Gottes im Glück und Unglück gesehnt haben? Sollte dies zuvorkommende Erbarmen, dieses, daß Gott die Welt versöhnet hat mit sich selber, nichts in eurem herzen rege gemacht haben, kein leises Gefühl der Beschämung, der Reue, des Dankes, der Freude, kein neues nie empfundenes oder doch lange vermißtes Gefühl der Kindesliebe, keinen Entschluß, euch versöhnen zu lassen mit Gott? O der hat nie im Ernst an Gottes starken Eifer gegen die Missethat, und an seine Barmherzigkeit für alle, die seine Gebote halten, geglaubt, der sich nicht ermuntert und gedrungen fühlt, den Bund der Versöhnung durch Sinnesbesserung einzugehen. Es ist ein gefährlicher und ein schrecklicher Gedanke, — ein gefährlicher Gedanke, im Vertrauen auf die Gnade des Richters zu verachten die Gnade des Richters, und doch liegt so etwas in der Seele dessen, der eine Versöhnung glaubt und sie gleichwohl nicht annimmt; — und ein schrecklicher Gedanke: meiner Uebertretung ist bereits zu viel, wozu kann nun Reue und Besserung mir mehr nützen, meine Vergehungen klagen meine Tugenden an! und doch liegt so etwas in der Seele dessen, der keine Versöhnung hofft, und gleichwohl Schuld und Uebertretungen mehrt. Gott bewahre euch vor der verborgenen Gefahr des einen und vor der Trostlosigkeit des andern. Er lasse euch mit heiligem Schauer wahrnehmen seinen Ernst, wenn er euch Gehorsam gebietet, und mit aufmunterndem Troste sein Erbarmen über alle, die mit den Thränen der Reue im Auge, und mit dem Entschlusse der Besserung im Herzen, zu ihm kehren. Er lasse euch mit heiligem Schauer erkennen die steile Höhe zum Ziel, das ihr zu erreichen habt, und mit froher Zuversicht die Gewißheit, daß ihrs erreichen werdet. Wandelt ihm mit Demuth und Vertrauen, mit Gebet und Wachsamkeit, in Glauben und Liebe, mit ausharrendem Muthe entgegen. Und Segen des Himmels über euch, wenn ihrs erreicht habt!

Amen.

 

 
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