zurück Predigt am Sonntage Judica 1793
     

 Gott, du hast mit väterlicher Güte für die Erziehung und Bildung des menschlichen Geschlechts gesorgt , und deinen gefallenen Kindern mit göttlichem Erbarmen die Wiederkehr zu dir geöffnet und erleichtert. Du willst nicht den Tod deiner Geschöpfe, sondern daß der Sünder umkehre und lebe. Möchten doch alle durch ein vertrauendes Herz zu dir, durch lebhafte Gefühle des Dankes, durch wirksame Ueberzeugung von der Güte deiner Absichten, und durch Folgsamkeit gegen deine belehrenden Winke, so gute Kinder werden, wie du ein guter erbarmender Vater bist! Möchten alle, die Jesus Christus erlöset hat, auf welchen verlorenen Wegen sie noch dahin irren, desto schleuniger umkehren, desto inniger danken, desto herzlicher lieben, je tiefer sie gefallen waren, und je höher du sie begnadiget hast! Laß auch uns den Werth unserer Erlösung stets mit ganzem Herzen schätzen, und unser Glück durch stete Besserung und Vervollkommnung unsern Geistes bewahren. Laß uns auch heute durch Betrachtung deines Wortes wieder weiser und besser werden. Leite uns in deiner Wahrheit. V. U.

Text: Hebräer 9, 11—15

11 Christus aber ist gekommen als ein Hoherpriester der zukünftigen Güter durch die größere und vollkommenere Stiftshütte, die nicht mit Händen gemacht ist, das ist: die nicht von dieser Schöpfung ist.
12 Er ist auch nicht durch das Blut von Böcken oder Kälbern, sondern durch sein eigenes Blut ein für alle Mal in das Heiligtum eingegangen und hat eine ewige Erlösung erworben.
13 Denn wenn schon das Blut von Böcken und Stieren und die Asche von der Kuh durch Besprengung die Unreinen heiligt, sodass sie äußerlich rein sind,
14 um wie viel mehr wird dann das Blut Christi, der sich selbst als Opfer ohne Fehl durch den ewigen Geist Gott dargebracht hat, unser Gewissen reinigen von den toten Werken, zu dienen dem lebendigen Gott!
15 Und darum ist er auch der Mittler des neuen Bundes, damit durch seinen Tod, der geschehen ist zur Erlösung von den Übertretungen unter dem ersten Bund, die Berufenen das verheißene ewige Erbe empfangen.

 

Die ganze Abhandlung, aus der wir euch einen kleinen Theil vorgelesen haben, beschäftiget sich damit, die christliche Religionsverfassung mit der jüdischen, von welcher sie ausgieng, zum Vortheil der ersten in Vergleichung zu setzen.

Wie deutlich auch in allen Religionsanstalten des israelitischen Volkes die Worte vom Sinai sich widerholten: Ich bin ein starker eifriger Gott — aber ich thue Barmherzigkeit, so war doch das Ganze mehr unvollkommenes Bild, als Wesen und Geist. — Gesetze, die mehr Handlungen einschränkten, als Gesinnungen veredelten, Strafen, die mehr abschreckten als besserten, religiöse Beschäftigungen, die eher darauf berechnet schienen, ein sinnliches Volk sinnlich zu leiten, als den Geist zu nähren und zur Vollkommenheit aufzuheben, Entsündigungen und Gelübde, die wohl, wie unser Text sagt, eine leibliche, das heißt, eine äußerliche gesetzliche Reinigung für jeden einzelnen Fall gewährten, aber die Quelle der Vergehungen im Herzen nie ganz verstopften, — dies waren fast die vorzüglichsten Bestandtheile jener ersten Verfassung. Sie war ohne Zweifel dem Zeitalter, für welches sie gegeben war, und der Menschenklasse, welche dadurch sollte gebildet werden, angemessen. Aber es mußte sich aus dem dämmernden Schattenbilde, wenn es von Gottes Finger sollte entworfen seyn, noch etwas besseres aufhellen. Es hat sich aufgehellet, als Jesus, ein Lehrer von Gott gesendet, unter seinem Volke auftrat. Laßt uns aus unserm Texte vernehmen, wie er der gereiften Menschheit die Wahrheit ohne Hülle rein und lichtvoll darstellte, durch welche bessere Anstalten er die ersten verdrängte und ersetzte.

Er machte der gefallenen Menschheit die Absichten Gottes bekannt; und sein Evangelium ruht auf zwei Grundsätzen:

1) Gott will Sünden vergeben, denn er ist barmherzig.

2) Gott will des Sünders Besserung, denn er ist heilig.

„Christus ist gekommen, —" so heißt es in unserem Text, — „daß er sey ein Hoherpriester der zukünftigen Güter durch eine größere und vollkommenere Hütte, die nicht mit der Hand gemacht ist, das ist, die nicht also gebauet ist. Auch nicht durch der Opferthiere Leben und Blut, sondern er ist durch sein eigen Blut einmal in das Heilige eingegangen und hat eine ewige Erlösung erfunden."

Christus betrat die Erde; — er, den schon ausserordentliche Erscheinungen bei seiner Geburt, den schon lange vorher eine Reihe von Begebenheiten und Winken, fast die ganze Geschichte seines Volks als eine ausserordentliche Person ankündigte; der bald durch That und Lehre jede Erwartung erfüllte, die man von einem Propheten, von dem größten und letzten der Propheten, von dem Retter seines Volks sich machen konnte; der durch ein Leben, wie es noch kein Sterblicher gelebt hatte, durch Gesinnungen wie sie noch in keiner Seele sich entwickelt, und in keinem Herzen gewirkt hatten, durch himmlische Güte, durch himmlische Herzensreinigkeit, durch himmlische Geistesruhe und Klarheit, als ein Himmlischer im bescheidenen Gewande der Menschlichkeit umher wandelte; der sich selbst als Gottes Bevollmächtigter an die Menschen, als Gottes Liebling und Eingeborner ankündigte, und die Wahrheit seiner großen Aussage durch unzählige Beweise unterstützte, aber durch keine unwürdige Handlung in den mannigfaltigsten mißlichsten Lagen seines Lebens widerlegte, durch keine zweideutige verdächtig machte.

Jesus betrat die Erde und sein ganzes Leben war ein zusammenhängender Beweis, daß er von Gott gekommen war.

Er starb, und seinen Tod begleiteten ausserordentliche Ereignisse, wie sie seine Geburt begleitet hatten. Seinen Tod zeichnete eine Seelenruhe, eine Geistesgröße, eine aufstrahlende Ueberzeugung von naher himmlischer Vollendung aus, wie sie noch kein Sterblicher mit sich ans Grab genommen hatte. Aus seinem Tode entwickelte sich ein Beweis seiner himmlischen Abkunft, der alle andere in sich vereinigte, vollendete und krönte, ein Beweis, den nicht mehr er, sondern Gott, der anerkannt wahrhaftige, für ihn ausführte. Nur Gott konnte den zum Tode Gemarterten, den vor den Augen seiner Feinde und Freunde Erblaßten, den Schlummernden im Grabe zum neuen verherrlichten Leben auferwecken. Er kam wieder, um wieder zu gehen, bestätigte seine Göttlichkeit, um sie wieder bestätigen zu können. Wie vierzig Tage früher der sterbliche Leib hinabgesunken war ins Grab, so wallte nun der verklärte mit dem Geiste vom Himmel seinen Freunden sichtbar zum Himmel empor.

Jesus verließ die Erde, und sein Tod und alles, was sich aus seinem Tode entwickelte, war ein zusammenhängender Beweis, daß er zu Gott gieng, wie er von Gott gekommen war.

Gottes Bevollmächtigter an die Menschen, Gottes Liebling und Eingeborner, was hat er der gefallenen Menschheit, was hat er denen, die über ihre Vergehungen trauern, die am Ende des Lebens mit Schrecken ins Grab und mit Schrecken auf das vollendete Leben zurückschauen, denen, die mit banger Erwartung dem Gerichte Gottes entgegen gehen mußten, über ihre Lage, ihr Schicksal, und über den Sinn ihres Schöpfers für einen Aufschluß gegeben?

Christus ist gekommen, daß er sey ein Hoherpriester der zukünftigen Güter. Wendet eure Aufmerksamkeit auf einige merkwürdige Umstände in dem Betragen und in der Aeusserungen Jesu.

Er wandelte unter den Menschen, um ein sichtbares Bild des unsichtbaren Gottes darzustellen. Wer mich siehet, sagt er, der siehet den Vater! Und siehe, was sich in seinem Bilde ausdrückte, war eine unerschöpfliche Herzensgüte, war alles umfassende und alles erquickende Menschenliebe, war herzliche Barmherzigkeit und Drang zu helfen, wo er einen Leidenden sah, war eine Langmuth und Geduld, die durch keine traurige Erfahrung ermüdet wurde, bis der letzte schwache Schimmer der Hoffnung einen Unlücklichen zu retten erloschen war. Er suchte gerne Sünder auf und beschäftigte sich mit ihnen, nicht weil sie böse waren, sondern weil er sie bessern wollte, die trauernden trösten wollte. Selbst denen, die durch persönliche Beleidigungen gegen ihn sich versündigten, o er vergab ihnen am ersten und liebsten. Ueber jede Rachsucht erhaben, sich selbst einer Würde bewußt, die keine Beleidigung verletzen und keine genommene Rache erhöhen kann, bedauerte er nur den Unglücklichen, der seinen Retter verkannte, und seine Rettung verwarf, trauerte er nur über die Hindernisse, die seine wohlthätigen Absichten, aufhielten und einschränkten, seufzte er nur über die betrübte Erfahrung, daß Menschen Sanftmuth mit Trotz, Herzlichkeit mit Härte, Liebe mit Haß vergelten konnten, und kannte für alle Beleidigungen nur eine, die süßeste und edelste Genugthuung, wenn er durch beharrliche Milde ein Herz erweichen und gewinnen, es für sich, für die Tugend und für den Himmel gewinnen konnte.

So waren die Gesinnungen und das Betragen Jesu Christi, als er unter den Menschen lebte, und wer ihn sah, sah den Vater.

Schon diese Aufmerksamkeit auf den eigenthümlichen Charakter dieses Menschenfreundes, und auf sein Benehmen gegen einzelne Personen, mußte die niedergeschlagene Menschheit mit süßen Ahndungen und mit der tröstlichen Hoffnung aufrichten, daß Gott liebe, und Gott verzeihe, wie sein Gesandter durch Liebe, Versöhung und Gebet für seine Beleidiger, Beleidigungen vergalt.

Aber Jesus hat in einer so wichtigen Angelegenheit nicht nur Ahndungen und Hoffnungen erweckt, sondern auch durch laute, bestimmte, allgemeine, oft wiederholte, in den mannigfaltigsten Ausdrücken dargestellte Erklärungen jede leise Ahndung zum freudigsten Trost, jede schimmernde Hoffnung zur lichtvollen Gewißheit erhoben. Wir rufen nur wenige seiner Versicherungen ins Gedächtniß zurück. — „Uebet Barmherzigkeit, auch euer Vater im Himmel ist barmherzig." — „Vergebet von Herzen euerem Nächsten seine Fehler, auch euer Vater im Himmel will eure Fehler euch verzeihen." — „Gott hat seinen Sohn nicht gesandt in die Welt, daß er ihr Urtheil spreche, sondern, daß die Welt durch ihn selig werde." — „Es wird Freude, Freude im Himmel seyn, über einen Sünder, der auf Erden Buße thut."

Jesus zu einem traurigen Tod bestimmt, zu jedem traurigen Schicksal für das Beste der Welt entschlossen, gab endlich auch noch den Menschen zur letzten völligen Beruhigung die Weisung, in dem Blute das er vergießen, in dem Kampf, den er kämpfen, in dem Tode, den er sterben würde, die Tilgung ihrer Schuld und die letzte Vollendung ihrer Rettung anzuerkennen und zu ergreifen; und seine Apostel fassen diese Erklärung auf und machen die Wahrheit, daß Jesus für unsre Sünden gestorben sey, zur Grundlage ihrer Belehrungen, worauf sie unsre Ruhe, unsern Trost, unsre Zuversicht am Grabe, und die wirksamsten Ermahnungen zur Liebe Gottes, zum Leben nach dem Sinne Jesu, zum Ringen nach himmlischer Glückseligkeit gründen. War auch diese Wahrheit für eine Art von Menschen wichtig, — sie ist es für alle und zu allen Zeiten; aber war sie es für eine Art von Menschen vorzüglich, so war sie es für die, unter welchen die Apostel zuerst als Lehrer auftraten, und die von Jugend auf, gleichsam zwischen Altären erzogen, keine andere Entsündigung als durch Blut und Tod und Opfer kannten. Jn diesem Sinne sagt der Verfasser unsers Textes: nicht durch der Opferthiere Blut, sondern er ist durch sein eigen Blut in das Allerheilige eingegangen.

So belehret Gott die Sichern, daß Abweichung von der Tugend Verderben, die Leichtsinnigen, daß Rettung und Hülfe nöthig sey, ladet die Zagenden mit freundlichem Vaterblick zur Versöhnung, bietet den Schwachen die Hand, und tröstet die Trauernden mit erhabenem göttlichem Trost.

Wir haben euch einen großen und wohlthätigen aber doch erst einen Theil der Austrage Jesu an die Menschen vorgetragen. Der zweite ist eben so wichtig: Gott will des Sünders Besserung, denn er ist heilig.

So das Blut der geschlachteten, und die Asche der verbrannten Opferthiere reiniget die Unreinen zu der leiblichen Reinigkeit; wie viel mehr wird das Blut Christi, der sich selbst ohne allen Wandel, durch den heiligen Geist, Gott geopfert hat, unser Gewissen reinigen von den todten Werken, zu dienen dem lebendigen Gott!

Gott ist heilig; wir geben euch fast nur einen andern Ausdruck für die nämliche Sache. Er ist auch in seiner Heiligkeit gütig, ganz gütig, denn er will durch unsre Heiligung nur unser Glück. Ewige Vergebung, die nie unsern Dank entflammte, nie Gottes- und Menschenliebe in uns erweckte, nie die Gewissen reinigte von den todten Werken, wäre eine Arznei, die den Kranken von einem Tag zum andern bei dem Leben erhielte und nie gesund machte. Ewig durch Vergebung getröstet, und nimmer gebessert, würden wir uns nie zu der Vollkommenheit, deren die geistige Natur des Menschen fähig ist, emporheben, den süßen Frieden, den eigene Tugend gewahret, nie genießen, und der bessern Freuden des Himmels nie würdiger werden. Wir könnten selbst im Himmel nur ein erborgtes kümmerliches Daseyn haben, würden in den Wohnungen der Seligen uns befinden, Zeugen ihrer Seligkeit seyn, und des völligen Mitgenusses ihres Glücks uns unfähig fühlen.

Laßt uns den Gang verfolgen, wie der Lehrer der Menschheit die für den Himmel Erlösten zur himmlischen Tugend anleitet.

Er macht Besserung und Eifer der Tugend einmal für allemal zur unablässigen Bedingung, unter der wir allein der göttlichen Begnadigung, eines ruhigen Ganges durchs Leben, einer frohen Zuversicht im Tode, und eines seligen Heimganges zu Gott uns getrosten können. Sein Evangelium weiß keinen Trost für den, der nicht die Sünde sondern nur die Strafen scheut; es will nicht die Folgen aufheben, um die Ursachen zu mehren, nicht Uebertretungen tilgen, um neuen Uebertretungen Raum zu machen, nicht das Ansehen Gottes dem Muthwillen der Leichtsinnigen preisgeben, nicht durch Straflosigkeit das Verbrechen gutheißen. Ja wenn es das könnte, sein Stifter wäre nicht von Gott gekommen, er hatte den Vater nie gesehen. Es will, wenn es möglich wäre, den Himmel, nicht die Hölle, auf Erden versetzen. Tönt es doch von dem Jordan her: thut Buße, das Himmelreich ist nahe herbeigekommen. Daher hören wir. auch aus dem Munde des sanftesten Menschenfreundes, der das Verlorene suchen und selig machen wollte, die traurigste Ankündigung für die, welche nur Herr zu ihm sagen, aber den Willen seines Vaters im Himmel nicht thun; und furchtbar, schrecklich furchtbar ist das Urtheil, wenn der verdammen muß, der zu den Menschen kam, um alle selig zu machen, schrecklich der Fluch, wenn er selbst von denen Lippen bebt, die nur des Segnens gewohnt sind.

Der göttliche Menschenfreund macht uns aber nicht nur Tugend zur Pflicht, er lehret uns auch, was Gott gefällige Tugend sey. Es war eine Zeit, in der Menschen aufhörten, sich um das Gute und Böse in ihren Handlungen zu bekümmern. Es kam bald eine Zeit, in der die lichten Begriffe von gut und böse in ihrer Seele erloschen, und die feine Grenzlinie zwischen Tugend und Laster sich verlor. Es kam wieder eine Zeit, in der sie umkehren wollten, und nicht konnten. Der blöde Verstand, unfähig die Wahrheit wieder zu finden, das erschlaffte Herz, unvermögend sich zur himmlischen Vollkommenheit empor zu heben, schufen sich selbst Grundsatze und Pflichten, zwecklose Büßungen, kalte Ceremonien, einzelne gleisnerische Werke, todte Werke, wie sie unser Text nennt. Jesus Christus stellet uns Gott als den Geist dar, in dem sich alle Vollkommenheiten vereinigen, und leitet daher die Pflicht, ihn im Geiste und in der Wahrheit zu verehren, nicht mit todten Werken zu dienen dem lebendigen Gott. Er macht den Menschen mit seiner erhabenen Würde und mit seiner wahren Bestimmung bekannt, und lehrt ihn durch Selbstbeherrschung jene erhalten und diese erreichen. Er stellt uns die Menschen als Mitgeschöpfe Gottes und unsre Brüder zur Seite, und lehrt uns durch Güte gegen sie dem Schöpfer Dank und uns selbst Liebe erweisen. Du sollst lieben Gott deinen Herrn, von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüthe. Dies ist das vornehmste und größte Gebot. Das andere ist dem gleich: Du sollst den Nächsten lieben als dich selbst.

Das Evangelium des göttlichen Menschenlehrers bezeichnet aber nicht nur die Gesinnungen und Thaten, die gut sind, sondern stellet sie auch von ihrer liebenswürdigsten Seite dar, und empfiehlt sie durch die edelsten Beweggründe. Es mildert durch so viele schöne Wahrheiten das Herz, und ruft seine bessern sanftern Gefühle, deren es fähig ist, so wirksam hervor, daß ihm das Liebenswürdige der christlichen Tugend bemerkbar werden, und der Wunsch in ihm erwachen und wirken muß, so gut, so rein, so edel zu werden Es macht den Einfluß unsers Verhaltens auf unsre Ruhe und Freude fühlbar, erinnert uns unaufhörlich, daß wir unsterblich sind, und bringt jede unsrer vorübergehenden Handlungen mit unserm ewigen Schicksal in Zusammenhang, gründet Tugend auf Wahrheit und Unsterblichkeit. Es schöpft aus keiner andern Quelle als tief aus der Natur des Menschen selbst. Ich darf sagen: es lehrt nicht und befiehlt nicht; es giebt dem Verstande die Richtung sich selbst zu belehren und zu überzeugen, dem Herzen die Stimmung sich selbst die heiligsten und unverbrüchlichsten Gesetze aufzulegen.

Das Evangelium von Jesu belebt endlich durch die Lehre von der Versöhnung den Muth nach der Vollkommenheit, die er empfiehlt, mit Vertrauen zu ringen. Ohne Zweifel eines der wichtigsten Verdienste, die der Erlöser um unsre Seligkeit hat. Redet einem Unglücklichen, der durch Schuld oder Mißgeschick von ehemaligem Wohlstand in Armuth herabgesunken ist, von Klugheit, Sparsamkeit und Fleiß, so viel ihr wollt, preiset ihm die Vortheile dieser Tugenden, so beredt ihr könnt; ihr kommet zu spät. Je schwerer, je unmöglicher es ihm scheinen muß, sich wieder zu seinem vorigen Glücke emporzuschwingen, desto muthloser wird ihn eure Beredsamkeit machen, ihn, der schon sein Bestes verloren hat, desto gleichgültiger gegen den traurigen Rest machen, der ihm noch übrig ist. Ebenso leget einem Greisen, der zum Grabe wankt, die schönsten Lebenspläne vor, öffnet ihm die glänzendsten Aussichten. Ihr werdet ihn einen Augenblick in diese Täuschung hinzaubern, aber er wird auch mit den Worten des Nikodemus fragen: kann ein Mensch auch wieder in seiner Mutter Leib gehen, und geboren werden, wenn er alt ist? — Ebenso schildert dem sündigen Erdensohn den süßen Frieden mit Gott, den Trost des Gewissens, das Glück der Gerechten. Seine Thränen werden Zeugen seiner Rührung seyn, aber je scheuer er zum Himmel aufblicken muß, je gewisser ihn sein Herz verdammt, desto fruchtloser wird euer bester Rath an ihm verloren seyn. Wer setzt mich Verlorenen wieder auf die unerreichbare Stufe zurück, auf die mich mein Schöpfer gestellt hat, von der ich ausgehen muß, um mich mit unbelastetem Gewissen zur Vollkommenheit zu erheben? Jesus Christus setzt dich zurück, wenn er sagt: Mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben, gehe hin, und sündige nicht von neuem.

So hat Gott durch Christum die Gefallenen begnadiget; so will er die Begnadigten heiligen. Laßt uns, christliche Zuhörer, die wir seinen Namen nennen, und getauft sind auf seinen Tod, unsern Trost, wenn unser Gewissen zagt, Licht und Leitung, wenn es irrt, Aufmunterung, wenn unser Muth erbebt , in diesem Evangelium suchen. Laßt uns durch Vertrauen auf Gott unsern Glauben an Jesu Verheißung, durch Veredlung unsers Sinnes und Wachsthum in jeder Tugend unsere Huldigung zu seiner Wahrheit beweisen. Ihr seyd Menschen, gewiß fühlt euer Herz die Größe seiner Liebe, den Werth seiner Aufopferung, und Regungen des Danks für beide. Nehmet die Wahrheit: Dank der Lippen lohnt ihm nicht, ihr könntet ihm nur durch die Freude danken, keine seiner Wohlthaten an euch verloren zu sehen. Es preise dich, Freund der Menschen, die Gesinnung guter Herzen, es verherrliche dich auf Erden der Segen guter Thaten, es lohne dir im Himmel die Freude der Gerechten, die, von deiner Wahrheit geleitet, den Weg zu dir gefunden haben.

Amen.

 

 
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