zurück | Predigt am Feste der Erscheinung 1801. | |
Wir leben hier im Lande der Fremdlingschaft, wo unser Geist sein Bestes nicht suchen soll, und nicht finden kann. Wir üben unsern Sinn und unsere Kraft und unsern Glauben an dem Tagewerk und an den Proben, die du uns, Vater, vorbereitend zu unserer höhern Bestimmung aufgegeben hast, und sehnen uns nach ihr und trösten uns ihrer. O bewahre unserer Seele in der Zerstreuung der Eitelkeit den frommen Gedanken an dich, das heilige Bewußtseyn unserer Pflicht, die Liebe zu ihr, und den freudigen Glauben an das, was in einer bessern Welt auf ihre Erfüllung wartet. Schärfe unsern Sinn, daß wir die allverbreiteten Winke für deine wohtthätigen Absichten bemerken und verstehen; und laß uns in der Religion deines Sohnes ferner unsere Weisheit, unseren Trost und unsere Bewahrung für den Himmel finden. V. U. Text: Matthäus 2, 1 — 12 1 Als Jesus geboren war in Bethlehem in Judäa zur Zeit des Königs
Herodes, siehe, da kamen Weise aus dem Morgenland nach Jerusalem und
sprachen:
Mit vielen Dingen, von der Sonne herab bis in die Tiefen der Erde, und von fernen Meeren herüber bekannt, weiß oft der Mensch gerade das nicht, was ihm zunächst liegt, und was ihn zunächst angeht; ist arm an jener Weisheit, die rathend, fördernd, segnend in Leben und That, und in die edelste That — in Tugend übergeht; arm an Wahrheit und an Vertrauen auf Wahrheit, die allein dem Herzen Festigkeit ertheilt; und da, wo das festeste Herz zusammenschauert, arm an Trost. — Nicht durch des Ewigen Schuld. Er will, daß allen Menschen geholfen werde, und daß alle zur Erkenntniß der Wahrheit kommen. Und wer das, was dem innern lebendigen Menschen Bedürfniß ist, Weisheit, Hoffnung und Trost, aufrichtig, eifrig, mit Glauben an die Vorsehung suchet, der findets. — Und wo ers gefunden hat, unter welcher unscheinbaren Hülle, in welcher stillen unbemerkten Stunde, an welcher gemeinen tagtäglichen Erfahrung, er erkennts und ergreifts, und bewahrts, — und es bleibt nicht ohne Segen. Diese Erfahrungen, sie sind in die evangelische Geschichte verflochten, an welcher heute unser Andenken und unsere Aufmerksamkeit weilt. Laßt uns dieselbe aus diesem Gesichtspunkte betrachten, und Gottes Segen begleite unsere Andacht. Als Jesus geboren war zu Bethlehem im jüdischen Lande, zur Zeit des Königs Herodes, siehe, da kamen die Weisen vom Morgenlande, und sprachen: Wo ist der neugeborne König der Juden? Wir haben seinen Stern gesehen im Morgenlande. Wir wollens nicht ergründen, was es mit dem Wundergestirn für eine Bewandtniß habe, in dessen Erscheinung diese aufmerksamen Weisen einen Wink der Gottheit erkannten, nach Jerusalem zu gehen. Wir wollen nicht erforschen, durch was für ein zweites verschwiegenes Wunder allein sie erfahren konnten, was diese Erscheinung für sie zu bedeuten habe, und die verwischte, verlorene Spur nicht aufsuchen, auf welcher sie irgend Kunde von den Erwartungen und Hoffnungen der Israeliten, und von dem Einen aus ihnen erhalten konnten, in welchem allen Geschlechtern der Erde Segen bereitet war. Genug, sie kommen und fragen: wo ist der neugeborene König der Juden? — Aber eine Erscheinung auf Erden, für uns viel merkwürdiger, als die am Himmel. Im Mittelpunkt einer Nation, die schon Jahrhunderte lang mit gespannter Erwartung einem Erlöser entgegen sah, — in ganz Jerusalem ists, als ob noch kein Mensch von seiner Geburt im nahen Bethlehem etwas wüßte. Schon hatte eine arme Hirtenfamilie auf dem Felde die Botschaft vernommen: Ich verkündige euch große Freude, die allem Volk wiederfahren wird, denn euch ist heute der Heiland geboren. Noch tönte in ihrem getrösteten und erfreuten Herzen der Lobgesang, nach: Ehre sey Gott in der Höhe, und Friede auf Erden, und den Menschen Freude. Schon hatte ein ehrwürdiger Greis, der in den Tempel kam, nach mancher frohen Stunde seines Lebens noch die froheste, nach mancher trüben Stunde noch ihren Trost gefunden, und in der tiefen Abenddämmerung seines Lebens noch die ersten Strahlen eines andern schönen Menschenlebens erblickt, und das seinige mit dem Abendgebet beschlossen: Herr, nun lassest du deinen Diener im Frieden fahren, denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen. Aber noch lebt mitten in Jerusalem ein Mann, und wie es scheint, noch viele um ihn, die von allen diesen Begebenheiten noch das erste Wort zu hören haben, und von landesfremden Männern aus einer unbekannten Ferne es erfahren müssen, und was vielen Freude war mit Schrecken erfahren. So strafte sich an diesem Manne eine unselige Lebensweise, die ein ewiges Haschen und Ergreifen und Vermissen sinnlicher Freude war. So strafte sich der leichtfertige Dünkel einer falschen schimmernden Weisheit, mit der kein ernster Gedanke sich je befreundet. So strafte sich eine unwürdige Gleichgültigkeit gegen die Ankündigungen und Hoffnungen, welche die Weisesten und Edelsten seines Volkes schon Jahrhunderte lang wie ein heiliges Pfand vom Himmel im frommen Herzen trugen, mit einer tief beschämenden Unwissenheit, mit einer traurigen Unfähigkeit, den trostreichen Sinn der neuen Kunde zu verstehen, in der Folge mit thörichten, vermessenen Plänen, mit schiefen verfehlten Maßregeln, und am Ende mit einer Reihe verbrecherischer Thaten. — Trauriger Zustand eines Menschen, der für das Beste und Edelste, was einen für die Tugend erschaffenen und für die Unsterblichkeit bestimmten Geist nähren und stärken und bewahren kann, Aufmerksamkeit und Sinn verliert. Und doch, wie mancher Mensch rückt diesem Zustande noch, nahe oder fern, langsamer oder geschwinder, auf diesem oder auf jenem Wege entgegen! Jm Drängen und Treiben irdischer Pläne und Geschäfte, nur für ein kurzes Menschenleben gut, oder im unseligen Haschen und Genießen der sinnlichen Freude, die kaum Minute und Stunde auszufüllen vermag, verliert er eine ernste Wahrheit nach der andern, eine heilige Pflicht, einen lebendigen Beweggrund für sie, eine siegende Hoffnung nach der andern, aus dem Blicke und aus dem Andenken, wird wie Herodes ein unbekannter Fremdling in seinem eigenen Gebiete, dem Gebiet der Wahrheit und der Tugend, wird unbekannt mit sich selbst, und verliert das edle Gefühl seiner Würde aus der Brust, die Richtung nach seiner großen aufwärts steigenden Bestimmung aus den Augen, und den Stab des Trostes aus der Hand. Aber laßt uns zu einer schönern und erfreulichern Seite unseres Textes übergehen. Wenn auf der einen Seite dieser König alle Mittel aufbietet, um über den wahren Grund einer lange verachteten Sage zur Gewißheit zu kommen, — wenn er eine Versammlung der angesehensten und schrifterfahrensten Männer in Jerusalem zusammen beruft, und auf die ängstliche Frage, wo Christus sollte geboren werden, die dürftige Antwort erhält: zu Bethlehem, — wenn er, um sich der Wahrheit zu versichern, eben so armselig als tückisch die Fremdlinge zu sich beruft, jeden Umstand ihnen ablockt, sie mit der erhaltenen Auskunft nach Bethlehem verweiset, sich wieder Nachricht von dem Erfolg ihrer Reise ausbittet, — wie ehrwürdig und einfach edel erscheinen gegen ihn diese Männer! Aller dieser Umstände, aller dieser Geschäftigkeit und Schlauheit nicht bedürftig, verlassen sie still und unbemerkt Jerusalem, folgen ruhig dem Wink, der ihnen von der Vorsehung gegeben war, und fanden endlich was sie suchten, und was allen Völkern ein Trost werden sollte, in Bethlehem. Wir knüpfen an diesen Fortgang der Geschichte unsere zweite Bemerkung an: Wer mit einfachem Sinn und aufrichtigem Herzen , mit Vertrauen auf die Vorsehung, und mit eigenem Auge Wahrheit, Aufschluß, Freude, Trost, und was dem innern lebendigen Menschen Bedürfniß ist, sucht, der findets. Wie der weise und erbarmende Vater der Wesen alles, was zum Gedeihen seiner Kinder für die Tage ihres Daseyns gehört, vorbereitend, alles vertheilend, nimmer arm und nimmer müde an den Weg legt, — Luft und Wasser und Licht findet und erreicht jedes an seinem Ort und in seiner Stunde, und jedes öffnet sich seinem Segen, und wird durch ihn erquickt und gestärkt. Noch vielmehr ist der Weise und Heilige eingedenk, daß er den menschlichen Geist zu einer unsterblichen Beglückung durch Tugend ins Daseyn rief, und läßt leuchten das Licht der Wahrheit an allen Orten; und es strömt von ihm Wärme und Segen aus zur Reife jeder schönen Gesinnung und That; und wir haben alle einen Sinn für die himmlische Wahrheit, und ein Herz für ihre wohlthätigen Wirkungen, und ein leises, ahndendes und tröstendes Gefühl für das, was noch unter mancher verhüllender täuschender Gestalt für uns verborgen ist, und was uns erst die Ewigkeit in seiner Klarheit entwickeln kann. — Das Wort von Gott, von dem der innere Mensch lebt, wie der äußere von Brod, ist, wie Moses seinem Volke sagt, dir nicht verborgen, noch zu ferne, noch im Himmel, daß du möchtest sagen: wer will hinauf fahren und es holen, daß wir's hören und thun, noch jenseits des Meeres, sondern es ist das Wort fast nahe bei dir in deinem Munde und in deinem Herzen, daß du es thust. Möge es nur jedem vernünftigen Geiste in ernster, aus dem Strome der verschlingenden Eitelkeit geretteter Stunde zum innig gefühlten Bedürfnisse werden, über sich, sein Daseyn und seine Bestimmung, über seinen Urheber und das Verhältniß zu ihm, — über seine Pflichten und ihren heiligen unzertrennlichen Zusammenhang mit seinen Hoffnungen, zur stillen Beruhigung zu kommen! Möge es nur die Frage eines redlichen unbefangenen Herzens seyn: Was bin ich, und was soll ich und wie kann ichs werden? — nicht die Frage einer unnützen, überall zwecklos herumschweifenden Wißbegierde, oder einer falschen vielseitigen Klugheit, die nicht den Werth ihrer Absichten nach ihrer Uebereinstimmung mit der Wahrheit, sondern die Wahrheit nach ihrer Brauchbarkeit für irdische fremdartige Absichten wagt! So wird Gott der Vater des Lichtes an dem Himmel voll Nacht um dich her schon einen Stern für dich aufgehen lassen, der dich zur Wahrheit und zum Glauben an sie, zur Ruhe und zum Trost führt, und über dem großen Gedanken: Ewige Beseligung in Tugend, leuchtend stille steht. — Und mögen wir's nur erkennen, daß die Wahrheit geräuschlos, aber nahe genug unter den Menschen wandelt, und in dem Menschen wohnt, und ihrer allverständlichen Sprache unsere unbefangenen Sinne öffnen! Aber ach! wie oft suchen wir, was uns rathen und segnen und trösten soll, in Jerusalem, und siehe es ist in Bethlehem! Das heißt, wir suchens im Geräusche der Menschen und unter ihren Künsten; wir fragen Weise und Schriftgelehrte, und lassen uns wagen und wiegen vom veränderlichen Wind menschlicher Lehren, und es wartet auf uns in der Stille an unbesuchter Stätte. Es ist eine göttliche Stimme in uns; sie spricht desto lauter, je stiller und ruhiger es wird um uns her; sie fordert uns mit unwiderstehlichem Drange auf, unserer geistigen Natur getreu, das heißt, gut zu seyn, und giebt dem, der es ist, Hoffnung und Glauben, der hoch und siegend über dem Schauplatz der irdischen Vergänglichkeit schwebt. Es liegt eine lehrreiche Tafel vor uns, sie steht auf der Erde und reicht bis an den sternenvollen Himmel, die Tafel der allverständlichen Natur. Sie rufts dem Sinn, der an ihr weilt, mit tausend und aber tausend harmonischen Stimmen zu: es ist ein Gott und ein Gesetz der Weisheit, der Ordnung und der Güte; es ist ein stetes reges Fortschreiten zu sichern Zwecken. Auch du, o Mensch, mit deinen großen Anlagen stehest auf einer solchen Linie, und und rückest auf ihr durch eine wohl eingerichtete Bildungsstätte weiter. Zwar unter deinen Füßen beleuchtet jede aufgehende Sonne Gräber, aber über deinem Haupte ruft dir der nächtliche Himmel die Worte Jesu nach: in meines Vaters Hause sind viele Wohnungen. — Und es reiht sich an den Faden unsres Lebens ein Zusammenhang von Erfahrungen, und alle, alle, wenn wir ihren Sinn ihnen abverstehen wollen, sprechen die tröstende Wahrheit aus: es führt uns eine unsichtbare erziehende Hand durch's Leben, hier ist vorbereitende Anstalt und irgendwo selige Vollendung, und alle wollen uns bilden und läutern für diese selige Vollendung. Und es ruft zu diesem allen eine heilige bestätigende Stimme aus höhern Welten, die Religion dessen, den uns Gott gesendet hat. — O, daß wir mit dem reinen Sinn und mit dem unverschobenen Gefühl so innig und lebendig sie aufnehmen mögen, wie er sie ausspricht! — Laßt uns hier wieder einen Augenblick an unserm Texte, und zwar an seiner schönsten Stelle weilen. Einen neugeborenen König der Juden wollten die Weisen aus Morgenland huldigend mit Geschenken besuchen. Wo anders konnten sie ihn suchen, als in Jerusalem? Wo in Jerusalem anders, als in des Königs Palast? Wie anders dort, als in königlichem Glanze? So glaubten sie, — aber wie tief unter ihrer Erwartung fanden sie alles im verborgenen dürftigen Bethlehem! Verdient der den Namen eines Weisen, den keine unscheinbare Aussenseite und kein Vorurtheil in der wahren Schätzung der Dinge irre macht, und der erkennt, daß das Große und Edle und das wahrhaft Königliche nicht in Glanz und Aufwand besteht, und in der bescheidensten Hülle am sichersten gefunden wird, so ruhe auf diesen Männern der ehrenvolle Name: die Weisen aus Morgenland! Sie fielen an dem Ziele ihrer Wallfahrt nieder, und beteten an, und boten huldigend ihre Gaben. Wir erheben uns wieder von dieser sinnlichen Ansicht. So ist die Religion dessen, den die Weisen besuchten, und die Erfahrung derer, die bei ihr Weisheit suchen, sie trägt das Gepräge von Bethlehem , und nicht von Jerusalem. Sie bietet dem Witz keine spielende Unterhaltung, der Vernunft keinen Stoff tiefer Untersuchungen, dem Ohr keinen Wohlklang erhabener Sprüche. Sie ist weit entfernt von den ärmlichen Empfehlungsmitteln jeder falsch berühmten Kunst. Sie besteht nicht in äußerm Gepräge; sie übt sich nicht hervordrängend an den Ecken der Gasse; sie bewährt ihre Kraft nicht in übermenschlichen Thaten; sie lohnt auch ihre Freunde nicht mit Gold und mit der Seligkeit irdischer Paradiese; und darum erfaßt der ihren Geist nicht, der nicht mit aufrichtigem Herzen bei ihr die Weisheit sucht. Aber sie ist rein aus der Natur des Menschen und des edelsten menschlichen Herzens geschöpft, und ist belehrend, erfreuend, tröstend, für die Bedürfnisse des menschlichen Herzens, unter welchem Gewande es schlage, berechnet. Sie ist die wohlthätige Religion des innern verborgenen Menschen vom Thron bis an den Pflug und bis an den Bettelstab hinab, die Religion des aufmerksamen Menschensinnes und des vertrauenden Menschengefühls, die Religion der frommen Gott ergebenen Uebung; und darum erkennt und erfaßt ihren Geist der gewiß, der die wahre Weisheit mit aufrichtigem Herzen sucht. Und wo sie einkehrt in ein Herz, da bringt sie mit, was wir alle suchen, Weisheit, guten Willen und Kraft zur Tugend, stillen Gottesfrieden, und das Unterpfand unsterblicher Hoffnungen. So sey unser Sinn und unser Herz! O meine Freunde, hier auf dem irdischen Schauplatz lauschender Truggestalten, hier an dem dunkeln Weg zum Grabe, — laßt uns oft den zerstreuten Blick von dem Fernen und Fremden, was uns nichts angeht, zurückziehen auf das, was uns nahe, was uns am nächsten ist, — auf uns selbst. Laßt uns nicht die erste Frage, die den vernünftigen Geist beschäftigen kann, zur letzten, und das ernsteste Geschäft zum unbedeutendsten machen. Diese Bekehrtheit straft mit vieler eitler Mühe, mit vielen schiefen Maßregeln, mit vielen verfehlten Zwecken, und am Ende mit einer traurigen Verarmung und Verkümmerung des unsterblichen Geistes. — Weisheit zu suchen, die wahre, die in Gesinnung und Thaten lebt, das sey unsere erste Bemühung, die alles unser übriges Forschen herrschend leite; — wir werden sie finden. Durch sie täglich besser, edler, ruhiger zu werden, sey unser zweites Geschäft, das sich segnend in alle übrigen verbreite. Und der freudige Glaube an unsere unsterbliche Bestimmung, der aus beiden hervorgeht, werde der Segen, der alle unsere Freuden heilige, und alle unsere Leiden tröste. Dazu erleuchte uns die wohlthätige Religion unseres Erlösers, und das fromme Vertrauen auf sie. Sie hat Antwort auf jede redliche Frage, sie hat Kraft für jeden guten Willen, sie hat Segen für jeden guten Kampf, und für jeden Unmuth Trost, und legt uns die Gewährschaft der Unsterblichkeit in's Grab. Heiliger Vater, erhalte uns das fromme Vertrauen zu ihr, und den unverkünstelten Sinn für sie. — Amen.
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