zurück Predigt am dritten Sonntage des Advents 1794
     

Gott, du schauest mit heiligem Ernst auf die Thaten der Menschen. Gott, du wiegest mit gerechter Wage dem Guten und dem Bösen Vergeltung für seine Thaten zu. O, warum vergessen wir es so leicht, wenn wir gutes und wenn wir böses thun, wenn wir einsam weinen, und wenn wir der Unschuld Thränen bereiten, daß du uns allgegenwärtig und aufmerksam umgibst, und die Thränen die wir weinen, und die Thränen, die wir erpressen, für die Rechnung einer fernen Zukunft aufzeichnest Warum gedenken wir der Ewigkeit nicht, wenn uns diesseits des Grabes die Einwirkung deiner Allmacht in unser Schicksal nicht tröstet noch schreckt! Wandeln wir doch alle, weinend oder frohlockend, an der Hand der Tugend oder des Leichtsinns, immer näher den Enthüllungen einer unausweichbaren Zukunft entgegen. Ist es doch unser bester Trost, und unser letzter Glaube, daß einst ein Richter auf unserm Grabe stehen, und Leben über die Schlummerndern und Wohl oder Wehe über die Auferweckten ausrufen werde. Gott, dein Sohn ist einmal erschienen, und hat vor den Augen der Forschenden, der Irrenden und der Zweifler deine Wahrheit und Güte gerechtfertiget. Er wird wieder kommen und den Beweis deiner Wahrheit gegen alle Zweifel der Zaghaften, und gegen alle Ausflüchte der Boshaften ausführen, und das Werk, das er einst im Staube und in Knechtsgestalt begann, allmächtig und herrlich ausführen. Es freue sich sein Verehrer, wenn ihm auch die Erde nur Anlaß zur Klage gäbe, seines großen Tages! Es bebe, und besinne sich, und bessere sich der Leichtsinnige! Laß uns alle, durch Sinn und That, in Geduld und Liebe, dem frommen menschenfreundlichen Bilde Jesu Christi ähnlich werden, daß er uns einst als die Seinigen erkenne und zur Theilnehmung an den Freuden seiner Erlösung bezeichnen möge. V. U.

Text: 2.Thessalonicher 1, 6 — 10

6 Denn es ist gerecht bei Gott, mit Bedrängnis zu vergelten denen, die euch bedrängen,
7 euch aber, die ihr Bedrängnis leidet, Ruhe zu geben mit uns, wenn der Herr Jesus sich offenbaren wird vom Himmel her mit den Engeln seiner Macht
8 in Feuerflammen, Vergeltung zu üben an denen, die Gott nicht kennen und die nicht gehorsam sind dem Evangelium unseres Herrn Jesus.
9 Die werden Strafe erleiden, das ewige Verderben, vom Angesicht des Herrn her und von seiner herrlichen Macht,
10 wenn er kommen wird, dass er verherrlicht werde bei seinen Heiligen und wunderbar erscheine bei allen Gläubigen an jenem Tage; denn was wir euch bezeugt haben, das habt ihr geglaubt.

 

Auch die Thessalonicher, mit welchen sich Paulus in unserm Texte unterhält, mußten es nach ihrem Uebergang zu der Religion Jesu Christi bald erfahren, daß zeitliche Ruhe und Menschengunst und Erdenfreuden das letzte sey, was in ihrem Zeitalter von dem Bekenntniß eines Gekreuzigten zu erwarten war. Auch sie hatten ihren redlichen Theil von dem Vermächtniß empfangen, das Jesus in den Tagen seines Todes seinen Anhängern hinterlassen hatte: ihr werdet weinen und weheklagen, und die Welt wird sich freuen; ihr aber werdet traurig seyn, doch eure Traurigkeit soll in Freude verkehrt werden. Es war eine enge Pforte, und ein schmaler blutiger Pfad, auf welchem die Bekenner eines Religionslehrers, dessen Verfolger und Mörder noch lebten, in das Reich Gottes eingehen konnten, und nur eine Religion wie die seinige, die den Menschen so richtig und wahr in seine Verhältnisse zwischen Himmel und Erde einsetzte, die so unwiderstehbar in den Verstand, und so sanft und wohlthätig in das Herz eindrang, die den Glauben an eine bessere Zukunft mit so bewahrten Unterpfändern gegen die kummerhaften Erfahrungen einer schlimmen Gegenwart belegen konnte, nur eine Religion wie die seinige war im Stand, ohne alle äußere Gewalt und Vorsprache, gegen allen Druck und Drang, mitten in Kampf und Sturm sich stille zu gründen, die härteste Angriffe von innen und aussen im Zeitraum ihrer blödesten Schwäche zu überleben, von Gefängnissen aus, und von Blutgerüsten herab zu triumphiren, und den spätesten Zeiten und den entferntesten Gegenden das Glück der Erkenntniß Gottes und des Glaubens an Jesum Christum zu überliefern. Solch ein Trost der bessern Zukunft gegen die Erfahrungen einer traurigen Gegenwart ist es, mit dessen Zusicherung der Apostel in unserm Texte die Geduld und den Glauben der Thessalonicher in allen ihren Trübsalen und Verfolgungen belohnt und unterstützt. „Es ist recht bei Gott, Trübsal zu vergelten denen, die euch Trübsal anlegen. Euch aber die ihr Trübsal leidet, Ruhe mit uns, wenn nun der Herr Jesus wird offenbaret vom Himmel." Sie haben ihre Thränen schon lange ausgeweint, und die Ruhe an einem bessern Orte gefunden, die sie auf der Erde vergeblich erwarteten, und ihre Verfolger sind auch hingegangen an ihren Ort. Aber der Trost und die Warnung lebt noch über ihren Gräbern, daß noch ein Tag bevorstehe, an welchem ein Richter herabkommen werde, um über ihre Sache, und über die Sache aller, die um Glauben, Unschuld, Tugend, Hoffnung und Unsterblichkeit im Kampfe sind, zu sprechen. Diesen Trost, und diese Warnung laßt uns auffassen, und den Gedanken an die Zukunft Jesu Christi des Richters und Vergelters zum Gegenstand unserer Betrachtung widmen.

Oder sollte dieser Trost und diese Warnung, dieser frohe und schreckliche Gedanke an die Zukunft eines Vergelters kein Bedürfniß mehr seyn? Haben alle Stürme, welche er einst dämpfen, und gegen welche er Geduld und Muth einflößen sollte, ausgewüthet? Haben sie's überall, und haben sie's unter jeder Gestalt? Und wenn die Kampfschwerdter gegen Bekenntnisse, Meinungen und Gebräuche abgestumpft und verrostet sind, wird auch nirgends keine Unschuld mehr verläumdet, keine Tugend verfolgt, keine Gutmüthigkeit mißbraucht, kein guter Wille verschmäht, keine Aufopferung und Mühe menschenfreundlicher Thaten verkannt, keine Thrillen, kein Flehen und kein Trost geängstigter Herzen verspottet? Wird kein Streben und Ringen nach Heiligung und Vollkommenheit erschwert, und keine leichte schlüpfrige Bahn dem Leichtsinn und der Bosheit geebnet und mit Blumen bestreut? — Sind wir gegen unser eigenes Herz, und seine leisen Regungen, und seine raschen Aufwallungen, so verwahrt, daß uns der Aufblick zu einem herannähernden Richter und Vergelter unwichtiger würde? O die Anfechtungen gegen Bekenntnisse und Meinungen waren nicht das Gefährlichste, sie rissen nur in das Gewand der Religion; die Angriffe, die durch Spott und Druck und Verführung auf Glauben und Rechtschaffenheit und Hoffnung geschehen, zielen der Religion nach dem Herzen; und mit welchen Waffen könnte sie sich vertheidigen und retten, wenn sie nicht der Gedanke an die Zukunft, und an den Sieg der Zukunft standhaft und aufrechterhielte? Ergreifet den Schild des Glaubens, — sagt Paulus zu den Ephesern.

Wenn wir unsere Andacht mit dem Gedanken an Jesum Christum, den Richter und Vergelter, beschäftigen wollen, so haben wir drei Fragen zu berühren:

1. Wird er kommen?

2. Was haben wir von seiner Zukunft zu erwarten?

3. Zu welchen Gesinnungen werden wir durch unsere Erwartung verpflichtet?

1. Es ist nicht einerlei Sache, ob wir nach biblischen Aussprüchen und Versicherungen überhaupt die Erscheinung eines Richters und Vergelters, und eine Rechtfertigung der Gottheit über Alles, was von jeher den Menschen unbegreiflich schien, erwarten sollen, und ob wir sie auf die Art, mit den Vorzeichen, mit den Umständen, mit den Verzierungen erwarten dürfen, die jedem seine eigene Einbildungskraft vormalt, der sich gerne mit den Bildern einer verschleierten Zukunft beschäftiget. Die Einbildungskraft der Menschen hat keine Regel, wir kommen mit unserer Vernunft am Ende auf allen verschlungenen Wegen auf Eine Wahrheit. Unser Glaube, unsere Hoffnungen, unsere Tröstungen treffen zuletzt bei den nämlichen Verheißungen der Religion Jesu Christi zusammen, aber jedem malt seine Einbildungskraft seine eigenen Träume mit eigenen Bildern und Farben aus. Nein, so kann der Richter und Vergelter nicht erscheinen, wie sich jeder seine Zukunft einbildet; Sinnlosigkeit und Widerspruch müßte sein Gewand seyn. Laßt uns also für jetzt diese Bilder unserer Vorstellungen, diese Muthmaßung, über die wir uns selbst und andern keine Rechenschaft geben können, auf die Seite stellen. Es wird ein Richter und Vergelter sich offenbaren. Die ewigen, tiefverborgenen, aber immer weisen und unfehlbaren Rathschlüsse der Gottheit werden sich aufklären. Anbetung und Dank und Bewunderung wird in jeder guten Seele an die Stelle der Klage und des Zagens treten. Aber wir rathen und forschen vergebens. Es ist das Gepräge der Werke Gottes: indem wir alle forschen und rathen und jeder seine Meinung faßt, so enthüllet sie ihren Weg und ihre Absicht auf eine Art, die keiner erforscht, und keiner gerathen, und keiner gemeint hat, überschwenglich über alles, was wir meinen und verstehen.

Es wird Vergeltung und Gericht sich offenbaren. Wir gründen unsern Glauben auf die Wahrheit, daß ein Gott über den Wolken wohne, der die Frommheit seiner Verehrer und die Bosheit seiner Verächter bemerkt, und die Klage und den Jammer seine Geschöpfe vernimmt, ein Gott, der nicht ungerecht, ein Gott, der nicht grausam seyn kann, ein Gott, der im langen Laufe der Jahrtausende es noch nicht vergessen hat, daß er einst eine Erde mit allem Gepräge der Weisheit und Güte zu den wohlthätigsten Absichten erschaffen habe, der nicht etwa thut wie Menschen, die über neuen wichtigern Angelegenheiten Versuche ihrer müßigen Zeit auf die Seite stellen, und allmählig die Erinnerung an sie, oder die Neigung sie auszuführen, ganz aus der Seele verlieren. Je weniger sich also diesseits des Grabes die Wege der Vorsehung ausspüren und ihr Schweigen erklären läßt, und wenn Alles um Rath und Hülfe und Trost, wenn Unschuld und Gerechtigkeit um Rache schreit, je lauter die Erfahrungen der Erde von Anbeginn bis zum Ende dem Glauben und der Hoffnung zu widersprechen scheinen, mit der wir den Namen der Gottheit aussprechen, je weniger oft die Thaten der Menschen und ihre Schicksale sich entsprechen, je unerklärlicher und zweckloser jedem vielleicht ein großer Theil seiner Schicksale diesseits des Grabes bleiben muß, desto gewisser muß die Gottheit einmal hervortreten und den Sieg ihrer Weisheit, Gerechtigkeit und Güte denen darstellen, die einst hofften und die zweifelten, die in der verlassensten Stunde zagten, und die über den Zagenden ausriefen: Wo ist nun ihr Gott? Seht ihr eine That herzlicher Menschenliebe mit Undank vergolten, seht ihr einen Sohn, der dem alten Vater die letzte Thräne, die sein Auge noch hat, durch Vorwürfe und Härte abpresst, seht ihr einen Armen, Verrathenen, dem die glatte Zunge der Verführung den Trost des Glaubens un die Unschuld der Seele raubt, seht ihr einen Verehrer Gottes ungetröstet und einen Boshaften ungebessert aus der Welt gehn, o es gibt keinen stärkeren Grund des Glaubens, daß eine Wage der Vergeltung über den Wolken schwebe, als diese Erfahrung. Wenn ihr diese nicht anerkennt, so gebt den Gedanken an Gerechtigkeit und Güte, gebt den Gedanken an Gott und Vorsehung, gebt Glaube und Liebe und Hoffnung auf. Segne Gott und stirb!

Es wird ein Vergelter und Richter sich offenbaren. Wir gründen diesen Glauben auf die Zusage Jesu Christi, des Lehrers, der von Gott kam. Mehr als einmal, bei mehr als einer Gelegenheit, kündiget er seine Zukunft in den Wolken des Himmels an, und nie zuversichtlicher, nie warnender und tröstender, als in den Tagen, wo er selber auf dem blutigen Wege des Todes hingieng, um sich seinem Richter zu rechtfertigen, wo die Festigkeit seines Tons und die Ruhe seines Antlitzes, und ein frommer heiliger Aufblick zu Gott im Angesicht des Todes jedem seiner Worte das zweifache Gepräge der Wahrheit aufdrückte. Was wollen wir? Haben wir je, wo uns eigene Anschauung und Erfahrung verließ, seinem Worte geglaubt, hat je eine Zusicherung und ein Trost von seinen freundlichen Lippen, und aus seinem frommen Herzen, eure Schwachheit aufgerichtet, eure trauernde Seele erheitert, euch fühlbar gemacht, daß ihr im Schooße einer liebenden Vorsehung ruht, euern forschenden sehnenden Blick über das Grab hinaus befriedigt? Hat ers? So müßt ihr ihm Alles glauben — oder Nichts. Er war euer Erlöser nicht, wenn er nicht euer Richter ist. Er war nicht da, wenn er nicht wieder kommt.

2. Der Richter und Vergelter wird sich offenbaren. Was haben wir von seiner Erscheinung zu erwarten?

Es ist recht bei Gott, zu vergelten Trübsal denen, die Trübsal anlegen. Entfernet hier vor allen Dingen den Gedanken an Abkühlung einer erhitzten Rachsucht in den Leiden derer, die einst Leiden bereiteten. Gott kennt diese Regung menschlicher Schwachheit nicht, denn er will nie den Tod des Sünders, sondern er will, daß sich der Gottlose bekehre von seinem Wesen und lebe. Das sanfte heilige Herz Jesu Christi kannte sie nicht. Denn sterbend betet der Mensch Jesus Christus: Vater vergieb ihnen, sie wissen nicht was sie thun. Paulus will sie nicht in den Herzen seiner Jünger aufwecken, wie konnte er ihnen sonst anderswo zurufen: Send meine Nachfolger, gleich wie ich Christi. Dem ohngeachtet ist es recht bei Gott zu vergelten Trübsal denen, die Trübsal anlegen. Furchtbar ernsthaftes Wort! Es ist Gerechtigkeit, nicht Rache. Es ist Heiligkeit und Ernst eines ewigen Gesetzes. Es ist Natur der Sache, es ist unabhängige Entwicklung der Folge aus der That, herbe bittere Frucht eines giftigen Saatkorns. Launen lassen sich umstimmen, Leidenschaften lassen sich besänftigen, Rache laßt sich versöhnen. Gerechtigkeit und Gesetz und Natur ist unbeweglich und ewig; über Schmeichelei, über Bestechung durch Gaben, Worte und Thränen erhaben. Furchtbar ernsthaftes Wort! Das Flehen und Jammern der geängsteten Menschheit verhallet nicht in der Luft; die Thräne der unterdrückten Armuth und Blödigkeit verrinnt nicht im Sande; das Blut der gemarterten Unschuld bleicht nicht an dem Gewande ihres Peinigers. Gott wird an seinem großen Tage Trübsal vergelten denen, die Trübsal anthun.

Er wird aber auch Ruhe bescheren allen Unschuldigen, Gerechten und Edeln, die Trübsal duldeten. Dank des Erlösers für die Leiden, die sie um seines Namens willen litten, Dank für das Vertrauen auf seine Verheißungen, Dank für die Hoffnungen mit denen sie ihm über Zeit und Grab hinaus in die Ewigkeit nachschauten, wird sie dann trösten. Ihren milden liebenden Sinn, den sie für die Menschen unter allem von Menschen bereiteten Elend in einem frommen Herzen bewahrten, den wird seine Menschenliebe, — auch sie dauerte einst allen Undank aus, — belohnen. O wie wird er die Güte, für welche ihr Kränkungen empfiengt, wie groß und göttlich die Güte, die ihr gegen Kränkungen zurückgabet, segnen! Für manche geheime Thräne, die ihr jetzt den Menschen verberget, für manche dem Herzen abgerungene Edelthat, die jetzt nur ihr und euer Schöpfer kennt, werdet ihr von Menschen und Engeln Belohnung und Segen empfangen. Manches angefochtene und verläumdete Werk der Gottseligkeit, das euch Seufzen für Freude zollte, wird der freundliche Blick des Richters und das Gewissen derer, die euch einst verdammten, rechtfertigen. — Ewige Freude wird auf eurem Haupte seyn. Wonne und Freude wird euch ergreisen, aber Traurigkeit und Seufzen werden von euch fliehen.

Gott wird dann auch (so glauben und hoffen wir) er wird durch die Enthüllung seiner verborgenen Regierung rechtfertigen, was uns auch dann noch unbegreiflich bleiben müßte, wenn am Ende aller Verwirrungen die Unschuld nur geweint hätte, um getröstet zu werden, wenn die Bosheit nur gefrevelt hätte, um zu büßen. Er walte nur! Er hülle sich in Dunkel und Unbegreiflichkeit! Er verziehe, oder komme! Er wird die Weisheit seiner ach so oft, und so kühn, und so kindisch getadelten Rathschlüsse an einem schönen Orte hinausführen zum Sieg. Wir denken uns, jeder, wie er kann, Zukunft und Gericht, Himmel und Hölle, Ende und neuen Anfang. Aber es ist auch hier noch in keines Menschen Herz gekommen, was Gott vor unsern Augen, und durch unsere Schicksale und durch unsere Thaten, — selbst durch unsere Thorheiten bereitet. Am Ende denkt keiner mehr, und kann keiner mehr von Gott erwarten, als was seine menschliche Weisheit und sein menschliches Herz aus den Hülfsquellen göttlicher Macht darzustellen vermochte. Fühlen wir es nicht, daß diese verunglückte Zusammensetzung aus menschlicher Schwäche und göttlicher Größe das nicht seyn kann, was er gewähren wird, der eben so weise als allmächtig, eben so gut als weise ist? Er wird überschwenglich thun, über alles was wir ahnden und verstehen.

3. Laßt uns noch der Gesinnungen gedenken, zu welchen uns der Glaube an seine Zukunft verpflichte.

Wir wollen hier, und jetzt am kaum begonnenen Anfang unsers Daseyns, noch nicht über die Wege Gottes urtheilen, durch Klage und Tadel dem steten, festen und sichern Gang seiner Rathschlüsse nicht vorschreiten, nicht über unsern Richter richten, wir, deren Erfahrungen uns so oft Demuth und Bescheidenheit predigen. Wissen wir doch nicht, ob uns das, was uns am Morgen begegnet, am Abend Thränen oder Freude bringen werde. Mit welchem Kennerauge wollten wir es denn ermessen, wie die herausgerissenen abgebrochenen Erfahrungen unsers Lebens in den allumfassenden Plan der göttlichen Weisheit sich einfügen, und durch welche Folgen der Morgen unsers Dafeyns, hier am Grabe, uns eine Ewigkeit hinab unvergeßlich und fühlbar bleiben wird. Laßt uns aussprechen, wenn uns die Spuren der göttlichen Gerechtigkeit ganz aus dem Auge verschwinden: Unbegreiflich o Gott sind deine Gerichte und unerforschlich deine Wege. Einst werden wir's enden mit dem Lobgesang: Stark ist deine Hand und hoch ist deine Rechte; Gerechtigkeit und Gericht ist deines Stuhles Veste; Gnade und Wahrheit ist vor deinem Angesichte.

Wir wollen an die Vergeltung denken, und uns auch hüten, daß wir nicht Trübsal anrichten. Nicht aus kalter Ueberlegung und Vorsatz. O dessen Geist hat nie in das freundliche Antlitz Jesu Christi geschaut, das um Schonung für seine Brüder fleht, der kalt und überlegt einen Menschen quälen kann. — Nicht in der Hitze aufgewiegelter Leidenschaft. Die Hitze der Leidenschaft ist bald verflogen, aber das Wort, das ihr entfährt, hallet in der Ewigkeit wieder; die That, die sie gebiert, lebt die Unsterblichkeit eines Gewissens aus. — Nicht aus Leichtsinn und Unbedacht. Der Trost, einst vor dem Gerichte Gottes unter Brüdern zu stehn, sanft und gut und lieb aus keinem Auge Vorwurf und Klage zu fürchten, den Genossen seiner Zeit im Pilgerlande dort mit Dank und Liebe und mit dem Gruß der Unsterblichkeit wieder zu begegnen, der Trost ist der bedächtlichsten Aufmerksamkeit auf unsere Mienen, Worte und Thaten werth.

Wir wollen uns aber der Ruhe im Himmel freuen, auch wenn wir Trübsal leiden. Hier der Sturm, dort die Ruhe; hier der Kampf, dort der Sieg; hier der Drang der Menschen, dort der Friede Gottes. Betet für eure Beleidiger um Besserung und Gnade. O ihr habt die Meinung Jesu Christi, wenn er euch den Trost der Zukunft aus den Wolken zeigt, ganz verstanden, wenn der Gedanke an die Vergütung aus seinen Händen eure Brust vor Rachsucht, und eure Lippe vor Fluch über eure Feinde bewahrt, wenn er euch Versöhnlichkeit und Gebet für eure Beleidiger abgewinnt.

Lasset uns endlich durch Heiligung unserer Gesinnungen , durch herzliche Liebe Gottes und treue Befolgung der Gebote Jesu Christi unsre Hoffnungen befestigen.— Lasset uns darreichen in unserm Glauben Tugend und in der Tugend Mäßigkeit, und in der Mäßigkeit Geduld, und in der Geduld Gottseligkeit, und in der Gottseligkeit die Liebe. Die Erde hat der Lockungen zur Thorheit und Verirrung viele. Gebt durch das Andenken an die Zukunft dem Geiste, dem Unsterblichkeit gebührt, Uebergewicht und Sieg in den Versuchungen, die ihm kurze vergängliche Freuden zum Tausch für sein himmlisches Erbtheil bieten. Lebt dem Himmel, dem ihr entgegen geht, nicht der Erde, die ihr zurücklaßt, nicht der Erde, die nimmer seyn wird, wenn ihr anfangen werdet zu seyn. Wirket und hoffet in dem Geiste Jesu Christi, der einst auch auf der Erde begann und im Himmel vollendete. Nehmt den Beifall Gottes, nehmt den Segen eurer Brüder, nehmt den Trost eures Gewissens in die ernsthafte Stunde des Todes mit, und erwacht dann einst wann er kommt zur frohen Erndte eurer Hoffnungen.

Mitgenossen seiner Leiden
Sind wir, einst erndten wir auch Freuden
Mit ihm, dem Ueberwinder ein.
Laßt uns kämpfen, laßt uns ringen,
Mit unserm Haupt hindurchzudringen,
Und seiner Freuden werth zu seyn!
Er, unsre Zuversicht,
Verläßt die Seinen nicht.
Wir sind stille.
Die Gott vertrau'n,
Die werden schau'n
Wie herrlich er die Seinen führt. —

Amen.

 

 
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