zurück Predigt am 2. Osterfeste 1788
   


(vor der Gemeinde zu Grenzach bei Lörrach gehalten)

Gott, du bist deinem Wesen nach den Augen sterblicher Menschen verborgen, aber du hast dich den Menschen sichtbar gezeigt in dem Bilde deines Sohnes. Und ob auch dein Sohn verborgen ist vor unserm leiblichen Angesicht, so wissen wir doch, daß in ihm bei uns bist alle Tage bis an der Welt Ende, und daß wir einst dich in ihm von Angesicht zu Angesicht schauen sollen. Nun so müsse denn der Gedanke an deine Gegenwart uns bewahren, wenn in Versuchungen zur Sünde fallen, uns trösten, wenn wir im Kampf und Leiden glauben allein und verlassen zu seyn. Erhalte unsere Herzen rein. denn nur die reines Herzens sind, werden nach der Lehre deines Sohnes dich, o Gott, schauen.   Vater Unser!

Text: Lukas 24, 13 - 35

13 Und siehe, zwei von ihnen gingen an demselben Tage in ein Dorf, das war von Jerusalem etwa zwei Wegstunden entfernt; dessen Name ist Emmaus.
14 Und sie redeten miteinander von allen diesen Geschichten.
15 Und es geschah, als sie so redeten und sich miteinander besprachen, da nahte sich Jesus selbst und ging mit ihnen.
16 Aber ihre Augen wurden gehalten, dass sie ihn nicht erkannten.
17 Er sprach aber zu ihnen: Was sind das für Dinge, die ihr miteinander verhandelt unterwegs? Da blieben sie
traurig stehen.
18 Und der eine, mit Namen Kleopas, antwortete und sprach zu ihm: Bist du der Einzige unter den Fremden in Jerusalem, der nicht weiß, was in diesen Tagen dort geschehen ist?
19 Und er sprach zu ihnen: Was denn? Sie aber sprachen zu ihm: Das mit Jesus von Nazareth, der ein Prophet war, mächtig in Taten und Worten vor Gott und allem Volk;
20 wie ihn unsre Hohenpriester und Oberen zur Todesstrafe überantwortet und gekreuzigt haben.
21 Wir aber hofften, er sei es, der Israel erlösen werde. Und über das alles ist heute der dritte Tag, dass dies
geschehen ist.
22 Auch haben uns erschreckt einige Frauen aus unserer Mitte, die sind früh bei dem Grab gewesen,
23 haben seinen Leib nicht gefunden, kommen und sagen, sie haben eine Erscheinung von Engeln gesehen, die sagen,
 er lebe.
24 Und einige von uns gingen hin zum Grab und fanden's so, wie die Frauen sagten; aber ihn sahen sie nicht.
25 Und er sprach zu ihnen: O ihr Toren, zu trägen Herzens, all dem zu glauben, was die Propheten geredet haben!
26 Musste nicht Christus dies erleiden und in seine Herrlichkeit eingehen?
27 Und er fing an bei Mose und allen Propheten und legte ihnen aus, was in der ganzen Schrift von ihm gesagt war.
28 Und sie kamen nahe an das Dorf, wo sie hingingen. Und er stellte sich, als wollte er weitergehen.
29 Und sie nötigten ihn und sprachen: Bleibe bei uns; denn es will Abend werden und der Tag hat sich geneigt. Und er ging hinein, bei ihnen zu bleiben.
30 Und es geschah, als er mit ihnen zu Tisch saß, nahm er das Brot, dankte, brach's und gab's ihnen.
31 Da wurden ihre Augen geöffnet und sie erkannten ihn. Und er verschwand vor ihnen.
32 Und sie sprachen untereinander: Brannte nicht unser Herz in uns, als er mit uns redete auf dem Wege und uns die Schrift öffnete?
33 Und sie standen auf zu derselben Stunde, kehrten zurück nach Jerusalem und fanden die Elf versammelt und die bei ihnen waren;
34 die sprachen: Der Herr ist wahrhaftig auferstanden und Simon erschienen.
35 Und sie erzählten ihnen, was auf dem Wege geschehen war und wie er von ihnen erkannt wurde, als er das Brot brach.

 

Und ihr habt auch nun Traurigkeit; aber ich will euch wieder sehen, und euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll Niemand von euch nehmen. So, Andächtige, tröstet Jesus noch vor seinem Hingang aus der Welt seine trauernden Jünger.

Ihr habt Traurigkeit. Die Stunde war da, die Zeit Jesu war gekommen, daß er aus dieser Welt gienge zu dem Vater, und die Jünger waren in ihrem Glauben noch schwach. Sie dachten jetzt nicht daran, daß er nach drei Tagen wieder ins Leben zurückkehren, daß er auch noch im Himmel ihr Freund bleiben, daß er unsichtbar bei ihnen seyn, daß er einst wieder kommen und sie zu sich nehmen würde. Es war ihnen, als ob sie nun auf ewig von ihrem Freunde scheiden müßten. Es war ihnen, wie es Kindern ist, wenn sie einen zärtlichen Vater, eine liebende Mutter sterben sehen, sie schluchzend auf den Kirchhof begleiten, ihnen das letzte Lebewohl ins Grab nachrufen, und alsdann trostlos und verlassen in die einsame Wohnung zurückkehren. Darum hatten sie Traurigkeit.

Jesus tröstet sie: Ich will euch wieder sehen, und euer Herz soll sich freuen. Wir bleiben nicht geschieden, will er sagen. In drei Tassen sollt ihr mich wieder haben, und getröstet seyn. Euer Herz soll sich freuen. Es gibt Freuden, woran das Herz keinen Antheil hat, Freuden, die nur das Aug' und das Ohr und den Geschmack belustigen; das sind schwache Freuden, sie trösten nicht, sie starken nicht, sie erquicken nicht und halten nicht aus. Aber wenn sich das Herz freut, da ist Labsal und Stärke. Sagt es, gute Eltern, wenn ihr eure Kinder lange nicht gesehen habt, ob euch ihre Wiederkunft, ihr liebevoller Blick, ihre Gesundheit und Wohlverhalten nicht inniger und besser freut, als die kostbarste Mahlzeit. Jenes ist eine Freude fürs Herz, die euch Thränen des Dankes zu Gott auspreßt; die Mahlzeit ist nur eine flüchtige Freude für den Geschmack. Freuden fürs Herz verspricht Jesus seinen Jüngern.

Und eure Freude soll niemand von euch nehmen. Christus will sagen, er werde alsdann nicht mehr sterben, er werde, wenn er im Himmel sey, sie nie mehr ohne Trost, Hülfe und Hoffnung lassen. Ja er werde sie zu sich holen, auf daß sie seyen, wo er ist. Diese Freude der Jünger nahm ihren Anfang in den Tagen, deren Gedächtniß wir feiern. Wir wollen sie also mit mehrerem betrachten.

Freude der Christen über dem Leben Jesu.

1) Die Freude selbst aus dem Beispiel der zwei Jünger.

2) Wie wir uns derselben fähig und würdig machen müssen.

Je mehr uns an einer Sache gelegen ist, desto mehr werden wir uns in unsern Gedanken und Unterredungen damit beschäftigen. Zwei Jünger des Herrn giengen einige Tage nach seinem Tode über Land. Und wovon redeten sie wohl mit einander? Der Evangelist sagt: Von allen diesen Geschichten. — Nämlich von dem Leben, von dem Leiden Jesu, und am meisten von der Erzählung etlicher Weiber, daß ihr todt beweinter Freund sollte auferstanden seyn. Ach sie erinnerten einander, wie er in seinem Leben so sanft war und so gut, wie er sie mit Liebe zu sich gezogen, duldend ihre Schwachheit getragen, schonend ihre Fehler verbessert, mitleidig ihre Thränen abgetrocknet hatte. Dann begleiteten sie ihn in Gedanken wieder in den Oelgarten und an die Schädelstätte, sahen ihn wieder kämpfen, leiden, bluten und sterben. Dann erwägten sie wieder zwischen Zittern und Freude, ob es denn wohl könnte wahr seyn, daß er auferstanden sey und lebe. Jetzt brannten sie vor ungeduldiger Freude, daß er vielleicht ihnen selber bald erscheinen und sie trösten und segnen würde. Plötzlich nagte wieder der Zweifel an ihrem Herzen, ob vielleicht das, was die Weiber wollten gesehen haben, nur ein Traum, eine Einbildung, eine trügende Erscheinung gewesen sey.

Und indem sie das redeten, trat ihnen ein Mann in den Weg, den sie nicht kannten, der sie aber zutraulich und mitleidig um die Ursache ihrer Traurigkeit befragte. Es war Jesus selber. — O Seelen, der Herr weiß immer die rechte Zeit uns zu trösten und zu helfen. Wenn wir glauben am verlassensten zu seyn, so ist er mit seinem Trost am nächsten. Er kennt die rechten Freudenstunden. Sie erzählten ihm nun, wie Jesus von Nazareth, ein Prophet mächtig an That und Worten, getödtet worden sey aus Haß seiner Landsleute, wie sie geholfen hätten, daß er Israel erlösen sollte, wie sie durch etliche Personen erschreckt worden seyen, die ihn im Grabe nicht mehr gefunden haben. Wie sie jetzt nicht wüssten, ob er todt sey oder lebe, und ob er denn nun sie vergessen habe, nur ihnen nicht erscheinen wolle.

Und Jesus nahm das Wort und tröstete sie. Sie hatten gemeinet, er sollte Israel erlösen, nämlich das irdische Königreich erlösen von dem Joch ihrer irdischen Feinde. Sie hatten gemeinet, daß der Messias ein weltlicher König seyn müsste, der von allen Völkern angebetet nicht unter die Uebelthäter gerechnet würde. Deswegen schalt Jesus ihren Unglauben und ihres Herzens Härtigkeit, und fieng an ihnen die Schrift zu erklären, wie Christus solches alles leiden und durch Leiden zu seiner Herrlichkeit eingehen mußte. —

Indem der Unerkannte so mit ihnen redete, so freundlich, so tröstend, da zerschmolz ihr Herz. Das Herz brannte in ihnen, wie sie einander selber sagten, von Wehmuth und Trost und Hoffnung, ohne daß sie wußten, woher das komme. Der Mann schien ihnen so bekannt; es war ihnen, als ob sie ihn kennen müßten; seine Stimme, feine Gebärden, seine Reden, alles erinnerte sie an ihren theuren, verlorenen Freund; ihr Herz, ob sie ihn gleich nicht kannten, hieng so fest an ihm, daß sie ihn, als er scheiden wollte, flehentlich baten: Ach nein, bleibe bei uns, denn es will Abend werden und der Tag hat sich geneigt. Aber noch waren ihre Augen gehalten, daß sie ihn nicht kannten.

Freunde, wie es hier den Jüngern gieng, so geht es uns, so lange wir auf Erden wohnen. Der Herr ist bei uns, aber unsre Augen sind noch gehalten, wir können ihn nicht sehen, wir können nur seine gnadenvolle Gegenwart an unseren Herzen empfinden. Wenn ihr in den Zweifeln Licht findet in Gottes Wort, wenn ihr kämpfet gegen die sündlichen Begierden und den Sieg davon traget, wenn ihr Angst habt wegen eurer Sünden, und getröstet werdet, wenn ihr unter Verfolgung und Hohn doch freudig bleibt in dem Herrn, wenn ihr Kraft empfindet und Muth zu guten Thaten, wenn euch die Welt gleichgültig wird, und euer Herz schmachtet, und ihr keine Ruhe findet, als in Gott und bei Gott, — das Gute geschieht nicht umsonst und von ungefähr, erkennet daran, daß der Herr bei euch ist, obgleich eure Augen gehalten sind, daß ihr ihn nicht sehet.

Der Mann, der die Jünger begleitete, folgte ihnen in die Herberge, setzte sich mit ihnen zu Tisch, nahm das Brot, dankte, brachs und gabs ihnen, wie er es genommen, gesegnet gebrochen und gegeben hatte in der Nacht, da er verrathen ward; — und da fiel ihnen gleichsam die Binde von den Augen, und sie erkannten ihn an dem, daß er das Brot brach.

Setzet euch einen Augenblick an den Platz der Jünger, und stellet euch ihre Freude vor. Ihre Ungewißheit war nun gehoben. Es war kein Traum der Weiber, daß Jesus auferstanden sey; denn sie sahen ihn selbst von Angesicht zu Angesicht. Sie waren nun überzeugt, daß er auch sie liebe und sie nicht vergessen habe, weil er auch ihnen erschienen war. Sie halten die Freude zu sehen, wie ihr einst unglücklicher Freund, der so viel leiden mußte, jetzt von Gott belohnt, erfreut, gerechtfertigt und verklärt sey. Wo ist ein Mensch, wenn er seinen Freund leiden sah, der sich nicht freue, wenn es ihm nach langen Anfechtungen wieder gut geht? Die Jünger sahen jetzt ferner, daß sie ihre Hoffnung nicht auf einen Betrüger, nicht auf einen elenden, sterblichen Menschen gesetzt hatten, den Gott in der größten Noth am Kreuz verlassen hatte, sondern daß ihr Freund, auf den sie trauten, wahrhaftig sey Gottes Sohn, der Fürst des Himmels, der Herr des Lebens und des Todes, der Messias, den schon die Väter des alten Testaments geweissaget halten. Sie, denen es erst noch in der Seele wehe that, wie ihr Freund und Herr gemartert, verspottet und gelobtet worden, sahen ihn jetzt mit inniger Wonne wieder lebendig, von Gott belohnt, gerechtfertigt und verklärt. Sie, die auf allen Seiten von den Juden verspottet wurden, wegen ihres gekreuzigten Messias, konnten jetzt ihren Feinden getrost unter die Augen treten und sagen: Sehet, daß er den Tempel Gottes abbrechen und in drei Tagen einen neuen bauen konnte. Sehet, daß er, der andern geholfen hatte, sich selbst und uns helfen kann. Sehet, daß er Christus, der Sohn des Hochgelobten, und König in Israel ist. Er ist zwar nicht vom Kreuz herabgestiegen, aber er hat noch mehr, noch etwas unbegreiflicheres getan, er ist aus dem Tod ins Leben zurückgekehrt. Jetzt, wenn ihr wollt, könnet ihr sehen und glauben. Endlich werden die Jünger von aller Besorgniß auf die Zukunft befreit. Sie, die da glaubten Waisen zu seyn, hatten jetzt ihren Stab und ihre Stütze wieder. Jesus hatte ihnen einst wohl gesagt: Ich will euch nicht Waisen lassen, ich komme zu euch. Ich gehe hin zu dem, der mich gesandt hat. Ich will euch den Tröster senden, den heiligen Geist, daß er bei euch bleibe ewiglich. Ich will euch eine Wohnung bereiten in meines Vaters Haus und euch zu mir nehmen, auf daß ihr ewig sevd, wo ich bin. —

Aber ihr Glaube war damals noch schwach. Sie konnten das nicht begreifen. Jetzt sahen sie, daß er das Schwerste, die Auferstehung vollendet hatte, und zweifelten nicht mehr, daß der, welcher aus dem Tod ins Leben zurückkehrte, wohl auch gen Himmel fahren, den Tröster, den heiligen Geist senden, unsichtbar bei ihnen bleiben, und sie trösten könne, daß der Geist, welcher Jesus von den Todten auferwecket hat, auch sie dereinst erwecken werde. Da wars erfüllt: Ich will euch wieder sehen, und euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll Niemand von euch nehmen.

Gehet denn diese Freude der Jünger auch uns etwas an? Ja, Seelen, wenn ihr den Herrn lieb habt.— Ihr, die ihr Jesum nicht gesehen, und doch lieb habt, und nun an ihn glaubet, wiewohl ihr ihn nicht sehet, werdet euch freuen mit unaussprechlicher und herrlicher Freude. Freunde, denen nichts lieber ist als Jesus, denen das Herz brennt vor Verlangen bei ihm zu sevn und ihn zu sehen, — auch für euch kommt die Stunde, daß eure Augen nicht mehr werden gehalten seyn. Ihr werdet ihn sehen, wenn er kommt und eure Seelen auflöset von den Banden des Leibs, um sie zu sich in den Himmel zu nehmen. Ihr werdet ihn sehen, wenn ihr in seinem Schoß ausruhet von den Drangsalen des Erdenlebens, und von seiner Hand das Erbtheil empfanget, das er euch erworben hat. Ihr werdet ihn sehen, wenn er kommt in seiner Herrlichkeit und alle heilige Engel mit ihm, wenn er euch zuruft: Kommt ihr gesegnete meines Vaters, ererbet das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt. Dann wird er euch in Ewigkeit nimmer verlassen. Auch euer Herz soll sich da freuen, und eure Freude soll Niemand von euch nehmen.

Wir können einen Menschen, um den wir uns nichts bekümmern, den wir nicht lieben, lange sehen, und unser Herz freuet sich doch nicht. Wollet ihr also der Freude an Jesu fähig werden, so müsset ihr euch jetzt um ihn bekümmern und ihn lieb gewinnen. Wie machen wir das? Die Jünger würden wohl auch wenig nach Jesu gefragt haben, wenn sie nicht so viel mit ihm umgegangen, nicht viel Gutes an ihm gefunden, viel Liebe von ihm zuerst erfahren hatten. Aber er war in seinem Leben so liebreich gegen sie, er hatte sie so oft getröstet, sie so oft in Nöthen und Gefahren errettet , so sanft mit ihnen gesprochen. Sie waren unzertrennlich von ihm, und befanden sich nirgends wohl, als bei ihm. Das verursachte ihren Schmerz, als er von ihnen genommen, und wie ein Missethäter mißhandelt und getödtet ward. Das erweckte ihre Freude, als sie ihn wieder sahen und hatten. Wollet ihr also Jesum auch lieb haben, o so dürft ihr nur seinen Umgang suchen, ihr dürft euch nur mit ihm beschäftigen in seinem Wort, im Gebet, in stillen Betrachtungen der Seele, und ihr werdet so viel Liebe, so viel Gutes, so viel Trost und Freude bei ihm finden, daß ihr ihn lieben müßt. Er hat sein Blut aus Liebe für euch vergossen, sein Leben aus Liebe für euch in den Tod gegeben; sollte das eure Herzen nicht für ihn gewinnen? Wenn der Apostel uns zur Liebe gegen ihn erwecken will, so darf er weiter gar nichts sagen, als das: Laßet uns ihn lieben, denn er hat uns zuerst geliebt.

Die Jünger baten den Herrn: Bleibe bei uns, denn es will Abend werden. Es ist nicht ganz klar, ob sie es mehr um ihret- oder um seinetwillen sagten. Um ihretwillen konnten sie es sagen, weil es ihnen schwer fiel, voll Hm zu scheiden. Sie baten ihn, er solle sie doch nicht verlassen. So müssen auch wir oft zu dem Herrn beten. Es wird oft Abend bei uns, das heißt, es wird oft finster in unserer Seele, wo wir den Beistand des Herrn vonnöthen haben, das Licht der Freude und des Vertrauens auf Gott bei euch verschwinden will, dann betet: Herr, bleibe bei uns, denn es will Abend werden in unserer Seele. Wenn euch eure Sünden kranken, wenn ihr keinen Trost findet, dann betet, — wenn der Tag eures Lebens einst zu Ende gehet, und die Nacht des Todes einbricht, dann, ach dann betet: Herr bleibe bei mir, denn es. will Abend werden, und der Tag hat sich geneiget.

Vielleicht sagten aber die Jünger das auch um seinetwillen. Weil sie ihn nicht kannten, so wollten sie für ihn sorgen. Du siehst, daß die Nacht vor der Thüre ist, begib dich in keine Gefahr, komme, bleibe bei uns, iß mit uns, und ruhe bei uns aus. — Freilich können wir so den Herrn Jesus nicht versorgen und beherbergen. Er sagt aber: Was ihr getan habt dem geringsten meiner Brüder, das habt ihr mir getan. Laßt uns also dem Herrn Gutes thun an seinen Brüdern, den Menschen. Seyd barmherzig an ihnen, auf daß er barmherzig sey an euch. Sorget dafür, daß die Menschen sich freuen können, wenn sie euch sehen, weil ihr ihre Wohlthäter, nicht ihre Peiniger seyd, so werdet ihr euch auch freuen können, wenn ihr einst euren Wohlthäter, den Herrn, sehet. O Freunde, das thut, wenn ihr jetzt einen Leidenden wißt, einen Trostlosen. Bekümmerten, Verlassenen kennt; gehet hin. tröstet ihn, trocknet seine Thränen, helfet ihm so gut ihr könnt, öffnet ihm euer Herz, sprecht zu ihm: Bleibe bei mir, denn es will Abend werden, und der Tag hat sich geneiget.

Doch die christliche Wohlthätigkeit ist nicht das Einzige. Ihr müsset euern ganzen Lebenswandel so führen, wie er es gerne hat, wenn ihr ihn jetzt unsichtbar bei euch haben, und ihn einst mit Freude im Himmel sehen wollt. Wer von euch still und sanftmüthig ist, befindet sich der gern in einer Gesellschaft, wo getobt, gezankt, geflucht wird? Wer von euch arbeitsam und fleißig ist, ist der gerne unter Leuten, die den ganzen Tag nichts thun? Gewiß nicht; jeder Mensch ist am liebsten bei denen, die auch so denken, reden und thun, wie er. Anders gehet es Jesu nicht. Es mochten wohl mehrere Leute auf der Straße nach Emmaus wandeln, aber Jesus gesellt sich zu keinen, als zu den Jüngern. Send und wandelt wo ihr wollt; wenn ihr sündliche, unzüchtige Gespräche führet, spottet, eure Nächsten verlästert, fluchet, so ist Christus nicht bei euch. Wenn ihr nachdenket, wie ihr euch an einem Feinde rächen, wie ihr einen Schwachen unterdrücken, einen Unvorsichtigen betrügen wollt; Christus ist nicht bei euch. Wenn ihr, anstatt fleißig zu seyn in eurem Beruf, eure Tage in Müssiggang zubringt, wenn ihr, anstatt eure Gesundheit, eure Kräfte, eure Güter zu schonen und wohl anzuwenden, euch in sündlichen Lüsten entkräftet; Christus ist gewiß nicht bei euch, und ihr nicht bei ihm. — Alle Menschen werden ihn einst sehen, nicht alle werden sich freuen. Einige werden auch sagen: Ihr Berge fallet über uns, ihr Hügel bedecket uns. Das soll an uns nicht eintreffen, meine Christen. Wir wollen wachen über unser Herz, wollen Gutes thun, damit wir, wenn der Herr Jesus sagt: Ja ich komme bald, antworten können aus der Offenbarung Johannes: Amen! Ja, komm Herr Jesu.   

Amen.

 

 
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