zurück | Predigt am ersten Sonntage nach Epiphaniä 1792. | |
Gott, du hast uns ein liebes aber auch ein wichtiges Geschäft übergeben, als du das Glück der Menschheit in die Hände der Menschheit legtest. Es ist ein edler Beruf, deine wohlthätigen Absichten zum Segen und Trost der Menschheit zu erfüllen. Es ist ein himmlischer Gedanke im letzten schwindenden Augenblick des Lebens, Tugend und Menschenglück erhalten, vermehrt, und der Welt die wir verlassen, übergeben zu haben. Aber schwer drücken die Seufzer der Verwahrlosten, wenn sie Rath und Leitung von uns vergeblich erwarteten, wenn sie unserm trüglichen Beispiele folgten, und mit uns in traurige Abwege verirrten. Bewahre du uns vor sorgenlosem Leichtsinn, schenke uns Weisheit und Kraft, mehre in uns und durch uns Tugend und Gottseligkeit, Laß uns denen, die auf uns achten, lehrreiche und einladende Beispiele des Guten geben, sie zur Vollkommenheit, der wir entgegeneilen, nachziehen, und wirke du die Vollendung, wo wir Schwache nur wünschen und wollen können. Laß uns auch heute erfahren, daß Segen und Kraft die fromme Betrachtung deines Wortes begleite. V. U. Text: Lukas 2, 41 - 52
41 Und seine Eltern gingen alle Jahre nach Jerusalem zum Passafest.
Es ist nicht nur für Eltern, nicht nur für Lehrer und Erzieher, nicht nur für Vorsteher des Staates, sondern für alle Menschen eine wichtige und für jeden Menschenfreund eine angenehme Pflicht in dem noch kindischen, vor unsern Augen aufpressenden Theil unserer Lebensgenossen schon das künftige Menschenalter zu lieben und zu ehren, es gleichsam in seiner Wiege zu pflegen, zu seiner Bildung und Veredlung durch That und Wort das Größere oder Kleinere, das Nähere oder Entferntere beizutragen, was Jeder zu thun Zeit und Gelegenheit und Kraft fühlt, — schon eine wichtige heilige Pflicht, wenigstens unsre Fehler und Unvollkommenheiten nicht durch unvorsichtige Beispiele auf die Nachwelt fortzupflanzen; aber eine Pflicht die viele Klugheit, viele Aufmerksamkeit und Behutsamkeit, viele Geduld und Sanftmuth, — ein von Menschenliebe durchdrungenes Herz erfordert. Wir müssen eigentlich selbst gut fern oder es werden, müssen den Grund der Tugend nicht in den Jüngeren, sondern in uns selbst anlegen, um sie sicher und wirksam auf die Jüngeren fortzupflanzen. Die Art, wie Jesus in seiner Kindheit von Joseph und Maria behandelt wird, kann uns Anlaß werden, — ich wiederhole es, nicht den Eltern allein, sondern jedem, dem Menschenwohl am Herzen liegt, an einzelne Theile dieser Pflicht, dieser eigentlichen Angelegenheit der Menschheit sich zu erinnern. 1) Sie lehren uns wie wichtig es sey, der bildsamen Jugend mit guten Beispielen vorzuleuchten, und geben Gelegenheit 2) zu zeigen, wie wichtig es sey, sie zur Ausübung des Guten zur rechten Zeit selber zu gewöhnen. Wie große Werke auch schon die Vorsehung durch die Gesetze der Natur, Verbindung von Umständen und Aneinanderreihen von Begebenheiten unter den Menschen ausführte, so war doch das Werk, das sie durch Jesum Christum thun wollte, allerdings so groß und einzig, daß keine vereinigte Kraft der Natur, und kein Zusammentreffen der günstigsten Umstände, es zu seiner Reise allein bringen konnte. Die Erlösung des gefallenen Menschengeschlechts war im Himmel beschlossen; es sollte auch durch einen Aufwand von himmlischen Kräften wieder für den Himmel gewonnen werden. Indessen hat Gott den stillen verborgenen Gang der Natur noch nie zwecklos durch Wunder gestört, noch nie etwas anderes durch Wunder gethan, als was ohne sie unmöglich war. Und so müßte uns schon eigene Ueberlegung es wahrscheinlich machen, wenn es uns auch nicht die evangelische Geschichte lehrte, daß auch bei dieser höchsten Wohlthat der Gottheit natürliche Mittel mit übernatürlichen Veranstaltungen sich schön und segnend vereinigten, wie sich in der Person des angebeteten Wohlthäters die himmlische Gottheit mit der irdischen Menschlichkeit schön und segensvoll vereinigte. Betrachten wir also Jesum, den wir heute als zwölfjähriges Kind an der Hand seiner frommen Mutter nach Jerusalem wandeln sehen, noch ganz von der menschlichen Seite, abgesondert von dem, was an ihm mit steigenden Jahren den Geist höherer Abkunft immer sichtlicher ahnden ließ, und zuletzt, in den entscheidendsten Beweisen so unverkennbar darstellte; betrachten wir ihn, so wie ihn der Evangelist ansehen mußte, um von ihm sagen zu können: er nahm zu an Alter, Weisheit und Gnade bei Gott und den Menschen, — so war es ein natürlicher, aber ein zweckmäßiger und wirksamer Umstand, daß der bestimmte Retter der Menschheit, der zukünftige Genosse himmlischer Vollkommenheiten von seiner ersten Lebensstunde an mit edeln Menschen umgeben war, und an Joseph, an Maria und andern ächten Israeliten lernen konnte, was Sanftmuth und stille Tugend und herzliche Gottesergebenheit sey, ehe er erfuhr, daß auch Wildheit und Härte, und stolzirendes Laster, und unselige Gottesvergessung ausser der stillen Hütte wüthete, in der sein Herz der Tugend und Menschheit geweihet wurde. Unser Evangelium stellet uns eine einzelne Probe dar, mit welcher Gewissenhaftigkeit Joseph und Maria die Gesetze der Religion vor den Augen des aufmerksamen Kindes beobachten. Alle Männer in Israel waren verpflichtet, auf das Fest der Ostern nach Jerusalem, — wie sich das Gesetz ausdrücket, vor dem Herrn zu erscheinen, dort den Ewigen, der sie aus Egypten geführt und ihnen ihr gutes Land gegeben hatte, gemeinschaftlich zu preisen und zu verehren, dort das Herz mit neuem Vertrauen gegen den Gott ihrer Väter zu beleben, durch neue Huldigungen ihm sich zu widmen, und das Band, das sie sie alle umschlang zur Einigkeit, Verträglichkeit und Liebe fester zu knüpfen. Und Joseph, sagt unser Evangelium, ehrte das Gesetz und gieng alle Jahre nach Jerusalem auf das Osterfest. Und Maria, die durch das Gesetz nicht gebunden war, ehrte das Gesetz, und gieng gleichwohl alle Jahre nach Jerusalem auf das Osterfest. Wer fühlt es nicht, daß es in die bildsame Seele des Kindes wirken mußte, wenn es sah, mit welcher herzlichen Freude sie sich jedesmal zur Anbetung Gottes in seinem heiligen Tempel vorbereiteten, wie gewissenhaft sie jedesmal hinaufwandelten, mit welchen Rührungen sie zurückkehrten, mit welcher Herzlichkeit sie sich noch lange Zeit über das Gute, was sie gethan, gesehen und gelernt hatten, unterhielten. — Wie wichtig konnte so in seinen Augen Religion und Gesetz werden! Wie mußte sich die jugendliche Seele sehnen und freuen in dem Gedanken, einst auch in den Tempel seines Vaters zu wandeln, mit so vielen seiner Brüder den Ewigen anzubeten, und aus dem Munde gepriesener Lehrer Sprüche der Weisheit und Wahrheiten zu vernehmen! Beispiele, die guten und bösen, machen einen stillen aber tiefen Eindruck auf das Herz der Kinder, und Eindrücke aus der Kindheit bleiben oft für das ganze Leben unvertilgbar; so wichtig ist es, sie durch gute Werke zu bilden. Beispiele machen einen stillen aber gewissen und tiefen Eindruck. Wir, durch mancherlei Gedanken, Sorgen und Wünsche und Absichten unaufhörlich beschäftiget, wir können oft da stehen, ohne genau zu bemerken, was um uns her geschieht, was schon so oft vor unsern Augen geschehen ist; oder wir bemerken es, bemerkens mit Aufmerksamkeit, und es bleibt keine Spur davon in unsrer Seele zurück. Unsre Denkungsart hat ihre Richtung schon genommen, die Gesinnungen sind durch Grundsätze und Gewohnheit schon bestimmt, unser Urtheil über gut und böse schon entschieden. Unsre Bildsamkeit ist dadurch verloren gegangen, daß wir uns nun einmal übel oder gut gebildet haben. Aber wie stille lauschet dagegen das Ohr, wie aufmerksam verweilet das Auge eines Geschöpfes, dessen ganze Thätigkeit sich noch auf Beschäftigung der Sinnen einschränkt, und wie ganz anders nimmt die Seele das auf, was Auge und Ohr ihr zuführen! Da sind noch keine schon gewonnene Erfahrungen, keine schon ergriffene Grundsätze, die ihr das böse Beispiel unschädlich machen, und sie nur zur Nachahmung des Bessern anfeuern könnten. Das Beispiel selbst muß ihr erst zur Erfahrung werden. Der Werth, den sie auf die Person legt, bestimmt für sie den Werth der Handlung, und nach der Handlung bilden sich in ihr die Grundsätze, oder etwas, das die Stelle der Grundsätze vertritt, und ihre Bildung vorbereitet. Das schwache Geschöpf hat verdachtloses Zutrauen, das unerfahrene Geschöpf ehret das Alter mit unverweigerter Achtung, das schuldlose Geschöpf hat Abscheu vor dem Namen Untugend und Schande, und ahndet die Möglichkeit nicht, daß das nicht gut, nicht vortheilhaft, nicht seiner Nachahmung werth sey, was Personen so unbefangen und regelmäßig thun, deren Verstand und Herzensgüte es nach ihren Jahren mißt. Und solche Eindrücke aus den Jahren der Kindheit sind gewöhnlich für das ganze Leben unvertilgbar. Die ersten Bilder gehen ganz und ungeschwächt in die Seele, und wählen sich da, wo noch alles leer ist, gleichsam den geheimsten, vortheilhaftesten, haltbarsten Platz. Indem der zweite Eindruck den ersten schwächen und verdrängen soll, ist seine beste Kraft und Lebhaftigkeit verloren, und je später er kommt, desto unwillkommener , desto wirkungsloser gleitet er ab. — Und hat die Seele einmal gewisse Meinungen und Regeln angenommen, hundertmal beurtheilt sie alsdann aus ihnen richtig oder falsch die nachkommenden Erfahrungen, eh' es ihr einmal einfällt, nach diesen den Grund oder Ungrund ihrer angenommenen Meinungen und Regeln zu prüfen. Und wer hätte es noch nicht gefühlt, wie wichtig einzelne Handlungen uns für immer bleiben, wenn sie in unsern zartesten Jahren eine starke, wie werth, wenn sie eine angenehme Wirkung auf uns hatten? Sie bleiben unsre Lieblingstugend oder Fehler für immer. Wie unwichtig sie auch scheinen, so reihen sich hundert ähnliche und verschwisterte an sie an. Sie geben vielleicht dem ganzen Charakter seine Richtung, allem andern, was wir thun seine Eigenheit. Die Evangelisten lassen in der Lebensgeschichte Jesu von unserm Texte an bis zu seiner Taufe im dreißigsten Jahr eine große Lücke; aber wo er als männlicher Lehrer seines Volks und der Menschheit wieder auftritt, vergessen sie nicht es zu bemerken, wie er jedes Jahr, in welchem Theil des Landes er weilte, hinaufgieng nach Jerusalem auf das Osterfest. Dann suchte er den Tempel wieder, wo er einst als Jüngling saß, und den Lehrern zuhörte; dann flossen aus seinen Lippen andere Lehren und Antworten, Ueberzeugung, Beruhigung und Trost in so viele hundert irrende, traurende, schmachtende Seelen. Dann lernten Blinde die Spuren Gottes in der Schöpfung erkennen, Stumme jauchzten Lobgesänge, und Taube hörten die großen Thaten Gottes aussprechen. Es war ein feierlicher Gang zum Osterfest, der ihn auch damals nach Jerusalem führte, als er die göttliche Wahrheit seiner Lehre und den Bund der Verheissungen Gottes mit Blut und Tod besiegelte. So wichtig, so folgenreich, so entscheidend kann das werden, was wir urtheilen und lassen und thun, nicht bloß um unser selbst, nicht bloß um der wesentlichen und unmittelbaren Folgen, sondern auch um deren willen, deren Aufmerksamkeit und Nachahmung wir unfern Wandel nicht entziehen können; und nicht minder ist es wichtig, daß wir ebenso aufmerksam als sie auf uns selber sind. Und da alle erzwungene Aufmerksamkeit uns nicht vor einzelnen gefährlichen Uebereilungen verwahren könnte, so müssen wir selber gut werden, die Fehler, um sie nicht mit ihrem Unsegen auf die Nachwelt zu vererben, in uns selber ausrotten, und mit ungezwungenen liebenswürdigen Tugenden einladend vorangehen. Doch die Eltern Jesu erinnern uns noch an eine zweite Pflicht. Als Jesus zwölf Jahr alt war, — dies ist das Alter welches das Gesetz bestimmte, — nahmen sie ihn mit sich nach Jerusalem. — Der Tag, auf den das fromme Kind so lange sich gefreut hatte, war nun da. Alles Gute, worauf er durch sie so oft aufmerksam worden, wartete nun auch auf ihn, und ward ihm zu Theil. Wenn er auch von jetzt an noch länger zunehmen mußte an Alter und Weisheit, so war er doch nun durch Jahre und Seelenkraft vorbereitet genug, den Zweck seiner Wallfahrt zu fühlen, in dem Tempel mit aufwallenden Empfindungen der Andacht zu beten, an der Stelle wo er vor zwölf Jahren dem Herrn dargestellt wurde, mit Thränen der kindlichen Unschuld seine Gelübde selber zu bekennen, und sein Leben der Gottheit zu heiligen, den Tempel Gottes und das Werk Gottes für immer lieb zu gewinnen. Er kam nicht zu früh und unvorbereitet; denn er saß unter den Lehrern daß er ihnen zuhörte und sie fragte. — Er kam nicht zu spät, denn noch war es seiner unverstimmten Seele Zweck und Wonne, zu verweilen in dem, das seines Vaters ist. Die Zarten, die in der Mitte der gereiften Menschheit nachblühen, zu jedem Guten, das sie schon durch Beispiele kennen, selber und zur rechten Zeit anzuleiten: dies ists, was wir noch aus dem Betragen Josephs und Maria nachahmen wollen. Zur rechten Zeit, das heißt: nicht zu frühe. Denn es ist einer von zwei Fällen jedesmal unvermeidlich, wenn die Seele sich Beschäftigungen unterziehen soll, zu denen sie noch keine verhältnißmäßige Kraft besitzt: das Gute, wie leicht es auch scheint, wird ein schwerer mühsamer Zwang, wie liebenswürdig es auch ist, ein trauriges gehässiges Geschäfte; oder die Natur, die keinen zwecklosen Zwang geduldig erträgt, weiß sich immer zu helfen, es geht ein unvermerkter Betrug, ein tauschender Wechsel der Kräfte in der Seele vor. Der Körper übernimmt die Geschäfte des Geistes, das Gedächtniß nimmt auf, was dem Verstand zur Nahrung und Uebung gegeben ward, und läßt es unbenutzt liegen und veralten an seiner Stelle, die Sinnlichkeit lernt tändeln mit den heiligsten Angelegenheiten des Herzens. Armes Geschöpf, wenn Körper, Gedächtniß und Sinnlichkeit schon so frühe Stellvertreter deines Geistes, Verstandes und Herzens werden, und den Besitz ihrer Rechte vielleicht auf immer an sich reißen Zu rechter Zeit das heißt: nicht zu späte. Jedes Gute, jede Wahrheit, jede gefaßte Lehre der Religion und der Weisheit, jede Vollkommenheit, der Gedanke schon etwas Gutes gethan zu haben, und das Bewußtseyn es thun zu können, ist Vortheil und Glück, gibt der Seele Gefühl und Muth und Eifer» Wahrheit und Tugend ist das Eigenthum der Geister. Einem Menschen das Gute, dessen er fähig ist, das Erbtheil, das ihm als Mitgabe zu seinem Daseyn vom Schöpfer gebühret, zwecklos vorenthalten, — heißt es ihm mißgönnen, heißt sich versündigen an dem Schöpfer und an seinem Geschöpfe. Nicht zu späte. Die schlummernden Kräfte der Seele wachen eine nach der andern auf, ob wir sie wecken und beschäftigen oder nicht. Sie fühlt, sie versuchet, sie übet sich, und je mehr sie sich übet, desto mehr gewinnt sie an Stärke; je gewagter sie sich versuchet, desto mehr lernt sie ihre Stärke fühlen. Jede Fähigkeit, jede auflebende Neigung ist Anlage zu einer Tugend oder zu einem Laster, zum Stolz oder zum Edelmuth, zum Trotz und Eigensinn, oder zu Muth und Standhaftigkeit, zur Wohlthätigkeit oder Verschwendung, zur Sparsamkeit oder Geiz, zur gewissenhaften Gottesverehrung oder zum Unglauben, zum vernünftigen Glauben oder zum Aberglauben. Hier ist der wichtige gefahrvolle Zeitpunkt. Wenn wir die Anlagen nicht bilden, die aufstrebende Kraft nicht richten, so ist sie dem gefährlichen Zufall, oder einem noch schlimmern Rathgeber, der Sinnlichkeit überlassen, die am frühesten da ist, am schlauesten ihren Vortheil benutzt, aber selten Tugenden bildet. Der Samenkern, den die Natur in die Erde warf, geht ohne euer Zuthun auf unter Sonnenschein und Regen. — Aber durch eure Pflege gedeihet der aufstrebende Keim zum schlanken fruchtbaren Baum. Kommt ihr zu spät, so ist er verschossen in wildes Gesträuch. Nicht zu späte. Wir haben nichts zu säumen; das Ziel, das die Natur dem Menschen zur Lebensdauer gesetzt hat, ist so kurz, des Guten, das er lernen und gewöhnen und vollenden soll, so viel, die Erndte so groß, und der Stunden zur Arbeit so wenige. Es wartet auf die, welche uns nachfolgen, noch so vieles, was wir schon sollten gethan haben, daß es nicht gleichgültig ist, ob sie einige Monate oder Jahre früher oder später fähig werden, ihr Tagewerk zu beginnen, der lohnenden Ewigkeit entgegen zu wirken, ob die besten glücklichsten Augenblicke benutzt oder verloren werden. Ich wiederhole es, christliche Zuhörer, die Betrachtungen, die wir angestellt haben, gehören zu einer Pflicht, die viele Klugheit, viel Aufmerksamkeit und Behutsamkeit, Geduld und Sanftmuth erfordert. Aber es ist eine Pflicht, deren Erfüllung uns von einer großen Verantwortuug befreit, eine Pflicht, deren Erfüllung mit großem Trost und Segen lohnt, eine Pflicht, die wir der Menschheit, zu der wir gehören, in deren Mitte uns so viel Freude und Vortheil zu Theil wird, unerlaßbar schuldig sind. Auch wir sind einst unter guten und bösen Beispielen aufgewachsen, haben hier unter Leitung und Rath den guten Weg sicher gefunden, haben dort, uns selbst überlassen, gefahrvoll und zufällig das Bessere oder Schlimmere auf immer ergriffen. Die Edlen, deren Beispiele und Ermahnungen wir unsere bessere Bildung verdanken, schlummern zum Theil schon lange im stillen Grab, Aber uns haben sie die Wahrheit und Tugend, die uns beglückt, als ein heiliges anvertrautes Gut, für die Nachwelt übergeben, und sind mit dem Trost aus der Welt gegangen, daß wenn auch ihr Name vergessen wird, die Nachwelt von ihrem Eifer für Religion und Rechtschaffenheit die glücklichen Früchte genießen werde. Die Leichtsinnigen, deren begangene Fehler noch in den unsrigen sich erneuern, sind auch ihren Weg dahin gegangen. Fühlen wir, was für ein trauriges Erbtheil sie uns hinterlassen haben, so laßt uns die, denen wir einst den Schauplatz und das Andenken unserer Thaten überlassen werden, besser berathen. Laßt uns weise seyn und aufmerksam, lasset uns Gottesfurcht und Tugend üben, sie faßt alle Weisheit in sich. Es ist ein wunderbarer Znsammenhang der Dinge in der Natur, den wir nicht zu berechnen vermögen. Das Wort, das du heute redest, verhallet nicht. In der Seele, die es jetzt auffasset, tönet es vielleicht nach einem halben Jahrhundert laut oder leise wieder, und gebieret ein Verbrechen oder eine Edelthat, eines Menschen Wohl oder Weh. Der Gedanke kann einst unsere Ruhe oder Verzweiflung am Rande des Grabes entscheiden: ich gehe den Weg meiner Väter, die Hand der Zeit wird die letzte Spur meines Daseyns auslöschen, aber unerkannt lasse ich Fluch oder Segen mit meinen Thaten zurück. Ja wir gehen dahin, wir überlassen die, welche unsrer hinabsinkenden Leiche nachsehen, ihrem Schicksal, aber einst werden sie uns als Zeugen wieder zur Seite stehn, und auf uns hinweisen, wenn der Richter ihre Thaten prüft. Mögen es alsdann Stimmen des Dankes und Blicke des Segens seyn, welche uns wieder an Thaten erinnern, die wir im Lande der Sterblichkeit für die Ewigkeit vollbrachten! Amen.
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