zurück Predigt am ersten Pfingstfeste 1792
   

 

Auch zum Beten hast du uns den Geist deines Sohnes gegeben, Vater unsers Herrn Jesu Christi! Freudiger und kindlicher steigt in dieser Stunde die Andacht unsrer Herzen zu dir empor, dankt dir für alle deine Wohlthaten, und fleht zu dir, daß du sie segnen wollest uns allen. Preis und Ehre sey deinem heiligen Namen; du hast durch die Religion deines Sohnes unsern Verstand erleuchtet, unser Gewissen beruhiget, unsere Kräfte zur Heiligung gestärket, uns den Blick zum Himmel, unserm Vaterland« geöffnet. Und ach, was sind wir wenige! Noch so vielen unsrer Brüder, die schon in den Gräbern ruhen, und die noch ihrer Vollendung entgegen wallen, hast du durch deine Wahrheit dich als erbarmender Vater gezeigt, und sie sind der seligen Gefühle deiner Kindschaft froh geworden, und singen deine Ehre im Himmel und stammeln dein Lob auf Erden. — Begleite ferner das Wort deiner himmlischen Wahrheit mit deinem Segen. Noch warten viele auf dein Heil. Erleuchte, beßre, tröste, die in Irrthum und Elend seufzen. Auch uns laß die Kraft deines Geistes stets inniger empsinden. Noch fehlt uns viel zur Heiligkeit und Vollkommenheit. Noch bedürfen wir zu dem guten Wollen, das er in uns angefangen hat, seines Beistandes, daß wir vollenden mögen. Laß uns durch ihn stets weiser, besser, zufriedener werden.   Vater Unser!

Text: Apostelgeschichte 2, 1 — 18

1 Und als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle an "einem" Ort beieinander.
2 Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Wind und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen.
3 Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt wie von Feuer; und er setzte sich auf einen jeden von ihnen,
4 und sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an zu predigen in andern Sprachen, wie der Geist ihnen gab auszusprechen.
5 Es wohnten aber in Jerusalem Juden, die waren gottesfürchtige Männer aus allen Völkern unter dem Himmel.
6 Als nun dieses Brausen geschah, kam die Menge zusammen und wurde bestürzt; denn ein jeder hörte sie in seiner eigenen Sprache reden.
7 Sie entsetzten sich aber, verwunderten sich und sprachen: Siehe, sind nicht diese alle, die da reden, aus Galiläa?
8 Wie hören wir denn jeder seine eigene Muttersprache?
9 Parther und Meder und Elamiter und die wir wohnen in Mesopotamien und Judäa, Kappadozien, Pontus und der Provinz Asien,
10 Phrygien und Pamphylien, Ägypten und der Gegend von Kyrene in Libyen und Einwanderer aus Rom,
11 Juden und Judengenossen, Kreter und Araber: wir hören sie in unsern Sprachen von den großen Taten Gottes reden.
 12 Sie entsetzten sich aber alle und wurden ratlos und sprachen einer zu dem andern: Was will das werden?
13 Andere aber hatten ihren Spott und sprachen: Sie sind voll von süßem Wein.
14 Da trat Petrus auf mit den Elf, erhob seine Stimme und redete zu ihnen: Ihr Juden, liebe Männer, und alle, die ihr in Jerusalem wohnt, das sei euch kundgetan, und lasst meine Worte zu euren Ohren eingehen!
15 Denn diese sind nicht betrunken, wie ihr meint, ist es doch erst die dritte Stunde am Tage;
16 sondern das ist's, was durch den Propheten Joel gesagt worden ist (Joel 3,1-5):
17 »Und es soll geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, da will ich ausgießen von meinem Geist auf alles Fleisch; und eure Söhne und eure Töchter sollen weissagen, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen, und eure Alten sollen Träume haben;
18 und auf meine Knechte und auf meine Mägde will ich in jenen Tagen von meinem Geist ausgießen, und sie sollen weissagen.

 

Wag wir euch vorgelesen haben, christliche Zuhörer, ist nichts anders als die Geschichte von der Entstehung der christlichen Kirche, das letzte, große, feierliche Wunder, in welchem sich der Zweck aller übrigen, und der verborgene, oft unbegreiflich räthselhafte Gang der Vorsehung aufklärte, die Vollendung aller großen Anstalten, welche der erziehende Vater der Menschen von dem Augenblick ihrer ersten Verirrungen an zu ihrer Besserung und Veredlung gemacht hatte. Selbst was Jesus gelehrt, getan und gelitten hat, war gewissermaßen nur Vorbereitung auf diesen feierlichen Tag. Er übergab einer kleinen Anzahl glücklicher Zeitgenossen das Geheimniß seiner Lehre, erfüllte im stillen Umgang ihre Herzen mit einem Trost und mit dem Glauben an Verheißung, die an diesem Tage auf einmal und unerwartet für Lehre, Trost und Verheißung des ganzen menschlichen Geschlechts erklärt wurde. Sie war gegründet in der Tiefe vieler Jahrhunderte, und nun durch Jesu Menschenleben und Heimgang zur Ausführung reif die große Anstalt, durch welche so viele Tausende an allen En» den der Erde bis zu den spätesten Zeiten Licht, Kraft, Trost, Leben und Seligkeit erhalten sollten. Sie mußte nun angekündigt und ausgeführt und verbreitet, er mußte laut in aller Welt geprediget werden, der große Name: Jesus, von dem alle Propheten zeugen, in welchem alle, die an ihn glauben, Vergebung der Sünden haben.

Laßt uns von dem Standpunkt aus, wohin uns die Geschichte des heutigen Festes stellt, auf ihre langen Vorbereitungen zurückschauen, und so mit einem Blick die ganze Anstalt, die Gott zu unserer Heiligung und Beglückung traf, zusammen fassen.

Glaube an Gott, seine Gegenwart und Fürsorge, Kenntniß seines Willens an die Menschen, und die Beweggründe ihn zu erfüllen, stiller, demüthiger, froher Umgang mit dem Nirgendssichtbaren, Allenthalbengegenwärtigen, frohe Ahndungen und Aussichten über das Grab in einen bessern Zustand, — mit einem Wort Religion war von jeher Bedürfniß für die Menschheit, nenn ein Geschlecht der irdischen diesen Namen tragen sollte. Ohne Religion hatte die Vernunft, (so anders Vernunft ohne Religion möglich war), —ohne Religion hätte sie, die den Menschen hoch über das Thier erheben sollte, ihn zuverlässig unter das Thier erniedrigt. Eine Sklavin der stärkeren thierischen Sinnlichkeit hätte sie ihn Ausschweifungen gelehrt, wovor jedes andre Geschöpf seine eingeschränkte Natur wohlthätig bewahrte. Ohne Religion hätte die Vernunft, die den Menschen glücklicher, als je» des andere Geschöpf machen sollte, ihn zuverlässig zum unglücklichsten unter allen gemacht. Sie hätte ihm den gegenwärtigen Genuß, auf den sich die Glückseligkeit der übrigen wohlthätig zusammenzieht, durch trauriges Zurückschauen auf das Vergangene, und durch bange Ahndungen des Künftigen geraubt.

Gott, der dem Menschen sein bestes, was er ihm geben konnte, nicht zur Plage und zum Fluch gegeben hatte, gattete daher auch von Anbeginn mit der menschlichen Vernunft die göttliche Religion. Liebreich und väterlich offenbarte er sich und seine Absichten, wog und stimmte die Kräfte der Menschen so, daß sie ihn fühlen und finden und erkennen mußten, daß die schönste und reifste Frucht unsrer Verstandesübung Gottesverehrung und Tugend und unsterbliche Hoffnung werden möchte. Nicht ganz von außen als eine zufällige fremde Gabe theilte er uns dieses erste Geistesbedürfniß, diesen besten einzigen Trost des Lebens mit. Heimisch in unsern Geist legte er den lebendigen Funken, der durch würdigen Gebrauch unsrer Kräfte, durch Anschauen und Gefühl dessen, was um und in uns ist, und durch günstige Umstände, mehr oder weniger zur heiligen Flamme angefacht werden, aber auch unter den ungünstigsten Umstanden nie ganz verglimmen konnte.

Hätte unser Geschlecht die Winke, die uns der Schöpfer gab, verstehen und benutzen, das Gute, das er uns anbot, wählen und bewahren mögen, das Paradies, das auf einem kleinen Theil der Erde blühte, hätte sich mit den Menschen auf die ganze Erde verbreitet, auch wo sie Dornen und Disteln trüge, und für das Kraut auf dem Felde den Schweiß der Stirne zum Opfer fordert.

Aber traurige Verirrung der Menschheit, und heiliger Rathschluß der Gottheit! Gott wollte den Menschen durch keine, auch durch die sanftesten unfühlbarsten Bande der Religion nicht nöthigen, gut zu seyn. Sinnlichkeit auf der einen und Vernunft auf der andern Seite, Religion neben dieser und Unklugheit bei dem Mangel an Erfahrung neben jener mußten sich in der Brust des Sterblichen so das schwebende Gleichgewicht halten, daß es ihm eben so leicht ward das Böse zu wählen und stets schlimmer zu werden, als das Gute zu ergreifen und ewig fest zu halten; und der erste, den sein Schöpfer auf den gefährlichen Scheideweg stellte, wählte von Sinnlichkeit geblendet, noch von keiner Erfahrung gewarnt, das Böse. Es war fast der natürliche Weg, den ein Geschöpf von dieser Art gehen konnte. Unser Geschlecht schien bestimmt zu seyn, erst auf dem langen mühsamen Weg der Erfahrungen klug zu werden, das Schlimmere kennen zu müssen, um das Bessere wählen zu können, von Unvollkommenheiten zu Vollkommenheiten überzugehen. — Unterdrücket die Frage, warum uns Gott in keiner andern als in dieser Schule bildete. Wir müßten fragen, warum er in seinem großen Reiche, in dem großen Zusammenhang und Aufsteigen der mannigfaltigsten Geschöpfe und Kräfte nicht da eine ewige Lücke ließ, wo jetzt die Menschen stehen. War es nicht Weisheit und Güte, daß er auch diese besetzte? —

Indessen verschlimmerte sich das Menschengeschlecht in schnellen Schritten. Wie geiles, wucherndes Unkraut vervielfältigten sich Irrthümer, Thorheiten und Laster, so daß der Ewige schon nach wenigen Menschenaltern bezeugte, — klagte, wenn wirs menschlich ausdrücken dürfen: Sie wollen sich meinen Geist nicht mehr strafen lassen. Der göttliche Funken im Herzen des Menschen war ausgebrochen in ein wildes verheerendes Feuer.

Aber wohlthätig und zu rechter Zeit trat durch ernste Gerichte und erbarmende Leitungen der Schöpfer wieder in das Mittel; und bis für jedes Geschlecht der Erde seine Zeit, die Zeit seiner Vorbereitung würde erfüllt seyn, traf er tief vorbereitete Anstalten, um wenigstens zu einem, wenn auch noch so kleinen und verachteten Volk reine Kenntniß Gottes, seiner Gebote und Absichten zu flüchten, und einst von ihm aus das Licht der Religion wieder über die Erde zu verbreiten, alle aus ihren früher oder später erkannten Verirrungen zurück zu führen, mit dem Troste der Religion für ihre selbsterrungenen Leiden wieder alle zu erquicken, — in einem Geschlecht alle Geschlechter der Erde zu segnen.

Indes die übrigen ihren Weg gingen und sich halfen, so gut die konnten, hier des Ewigen Spuren in seinen Werken wiedersuchten und dort selbst erdichtete Götter mit selbst gewählten Zeremonien ehrten, führte Gott die Nachkommen Abrahams sichtbar an der Hand einen Weg, den ihnen eine unergründete Weißheit vorgezeichnet hatte. Es schien allmählich ganz ausschließlich ihr Gott und Vater und sie sein Volk und seine familie geworden zu sein. Was konnte mehr für diesen Glauben sprechen als der Umstand, daß er ihnen Wahrheiten, Gebote und Verheißungen, die eine Sache der gesamten Menschheit waren, in einer solchen Form in Zeremonien und Satzungen übergab, die genau für sie und ihr Gelobtes Land allein berechnet waren, unter denen die Wahrheit fast jedes andere Volk nichts angieng? Ihnen offenbarte er sich aus der Wolke von dem Berge, aus dem Allerheiligsten des Tempels, durch Wunder und wunderähnliche Verhängnisse, leitete sie so unter mannigfaltigen Schicksalen lange Jahrhunderte hin, und ließ es ihnen nie an Propheten fehlen, die ihnen die Wahrheit von neuem einschärfen, auf ihre jedesmalige Lage anwenden, durch neue Winke die alten verständlicher machen, und durchgehends und immer deutlicher auf eine große Begebenheit hindeuten mußten, die sich im Schoße der abramitischen Nation entwickeln sollte. Sie waren dämmernde Sterne am dunkeln Ort, bis der Tag anbrach und der Morgenstern aufgieng. —

Unterdessen nahete immer mehr die Entwickelung. Geräuschlos und bescheiden, wie der Morgenstern nach allen Gestirnen der Mondnacht aufgeht, und einen heitern fröhlichen Morgen bringt, nahm ein Jüngling in Nazareth zu an Alter, Weisheit und Gnade bei Gott und den Menschen. Euer Herz nennt euch seinen Namen. Nach wenig Jahren trat er aus seiner Verborgenheit hervor, reinigte die Religion neuerdings von den Schlacken der Zeit, drang zuerst und ganz in ihren Sinn ein, und stellte die Verhältnisse zwischen Gott und den Menschen selbst den Juden von einer neuen, der schönsten und würdigsten Seite dar. Gott ist ein Geist; die ihn verehren, müssen ihn im Geist und in der Wahrheit verehren.— Gort ist ein Erbarmer; also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingebornen Sohn gab, auf daß alle die an ihn glauben nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Was Jesus lehrte und that, war Erklärung und Darstellung dieser zwei Sätze. Sein eigenes Leben war Muster, wie der erste in Ausübung zu bringen, seine Taten und Leiden und seine Liebe waren Beweise, daß der zweite Wahrheit sey, daß er diesen eingebornen Sohn des Vaters selber, er der längst verheißene und herbei geseufzte, der Samen sey, in dem alle Geschlechter der Erde sollen gesegnet werden. Drei Jahre lang bezeichnete er seine Schritte mit göttlichen Wohlthaten, starb dann eines blutigen, jammervollen Todes, um ganz zu vollenden und alles auszugleichen, was zwischen Gott und Menschen noch auszugleichen war, kam nach drei Tagen zum letzten und völligen Beweis, er sey Gottes Sohn, aus dem Grabe zurück, und beschäftigte sich noch vierzig Tage mit seinen Jüngern, wenigen unscheinbaren Männern, die er nach und nach zu seinem Umgang erwählt hatte, unwissenden, menschenscheuen Fischern, auf deren Bildung er die meiste Zeit verwandt, die er als Zeugen seiner Thaten und Schicksale allenthalben um sich hatte.

Aber noch schien er alles, was er that, nur dem auserwählten jüdischen Volk zum Segen zu thun, und den schon lange befremdenden Schein, als ob der Schöpfer Aller nur dieser Wenigen Gott seyn wollte, zur unbegreiflichen Wahrheit erheben. Erklärte er sich doch selbst: Ich bin nicht gesandt denn nur zu den verlorenen Schafen vom Hause Israel. Gebot er doch auch bei einer Aussendung seinen Jüngern: Gehet nicht auf der Heiden Straßen und ziehet nicht durch der Samariter Städte, und war selbst nach seinem Tode auch seinen Freunden noch nichts anders, als ein Prophet wie Moses, mächtig in Thaten und Worten vor Gott und allem Volke. Er war schon wieder zum Himmel aufgefahren, und noch lag das nahe Land Nepthalim am Wege des Meeres in Finsterniß, und die heidnische Galiläa im Ort und Schatten des Todes. Und so schien alles, was man von ihm zu erwarten hatte, geleistet, die Absicht seiner Erscheinung mit einem unvollkommenen Versuch, der wenigen Menschen zu gut kam, vollendet, wenn er nicht seinen Jüngern bei seiner Erhöhung einen Wink gegeben hätte, daß er zum Himmel aufsteige, um vom Thron der Gottheit herab mit Kraft und Herrlichkeit zu vollenden, was er als Mensch im Stillen nur vorbereitet hatte. Ihr werdet die Kraft des heiligen Geistes empfahen, welcher auf euch kommen wird, und werdet meine Zeugen seyn zu Jerusalem und Samaria, und bis ans Ende der Welt.

Und als der Tag der Pfingsten erfüllet war, waren sie alle einmüthig bei einander, — und wurden alle voll des heiligen Geistes, und fingen an zu predigen mit andern Zungen, nach dem der Geist gab, ihnen auszusprechen. Seht hier den großen Aufschluß, der uns alles erklärt, am Ende eines langen Labyrinths den unvermuthesten Ausgang. Die Jünger bis auf diese Stunde von Unwissenheit geblendet, in Vorurtheile verstrickt, fühlten nun ihren Verstand befreit von den Fesseln, die ihn gefangen hielten, und schauten die Geheimnisse Gottes zu unserer Seligkeit, wahr und rein und ganz, wie Jesus Christus sie geschaut hatte. Diese Jünger mit dem unerschrockenen Muth, ein Geheimniß nun vor aller Welt zu verkündigen, das sie sich vor wenigen Tagen zwischen verschlossenen Thüren kaum zuzuflüstern wagten, eine Überzeugung nun vor Priestern und Fürsten im Gefängniß und auf dem Blutgerüste zu bekennen, die einst einer, der kühnste von ihnen, einer Magd mit Schwüren läugnete, mit der größten Geistesfreudigkeit giengen sie aus und lehrten Parther und Meder und Elamiter u. s. w., daß der Schöpfer aller Menschen auch aller Menschen Gott und Vater sey, daß Jesus als Mensch ein Jude zu den verlorenen Schafen vom Hause Israel gesandt, aber als Sohn des allgemeinen Gottes der Herr und Heiland der allgemeinen Menschheit sey, daß Gott die Zeit der Unwissenheit übersehen habe, nun aber allen Menschen an allen Enden Buße gebiete, daß die Lehre Jesu an keinen Ort, an kein Volk, an kein Zeitalter gebunden, die Religion aller Kinder eines Vaters sey. Zwar schien sie noch genau mit der vaterländischen Geschichte des jüdischen Volks durchwebt zu seyn. Aber wie eine gediehene Frucht lösete sie sich durch ihre eigene Reife von dem Stamme, an dem sie sich nährte, ab, und lebt nun als ein selbstständiger Stamm kraftvoll in mannigfaltigen Zweigen, lieblich in immer frischen Blüthen, wohlthätig in gesegneten Früchten. — Der edle Geist, dünstete aus der jüdischen Verfassung, in der er sich erzeugen und läutern, mußte, weg, und ließ die todte Hülle zurück, um immer neu und wirksam die ganze Erde zu durchdringen und zu erquicken.

Es sind nun mehr als siebzehnhundert Jahre verflossen, seit das erste Pfinqstfest so zum Segen der Nachwelt gefeiert wurde. Tief und weit wurzelte unterdessen das Christenthum. Der Geist trug seinen Samen über entfernte Meere, und in die entlegensten Gegenden, und nirgends erstickte er ganz unter dem Unkraut. O es bekennen den Namen Jesu Christi nun erst im großen Sinn gottesfürchtige Menschen aus allerlei Volk, das unter dem Himmel ist, und in allen Zungen und Sprachen hört man die großen Thaten Gottes ausreden. Jesus Christus aber sieht von dem Throne seines Vaters herab den großen ununterbrochenen Gottesdienst, der von allen Gegenden der Erde in dem Gebet und Glauben, im Thun und Dulden seiner Bekenner gefeiert wird, und sieht vom Ausgang und Niedergang vollendete Gerechte zu ihm heimwallen, die ihn auf Erden bekannten, und die er als die Seinigen nun im Himmel bekennt.

Auch uns, versammelte Christen, fand der göttliche Geist und brachte uns seinen Segen, daß wir zum Himmel aufschauen, Gottes und seines Heils uns freuen, allen Kummer, der uns drückt, vor ihm ausweinen, und getröstet ihn unsern Vater nennen, daß wir seinen guten Willen kennen, und in der Erfüllung desselben unsre Glückseligkeit finden , daß wir für unsre Verirrungen Trost, und zur Besserung Kraft durch Christum haben, daß einst am Ende unsres Erdenlebens das Herz des Kindes freudiger und sehnender der Heimath bei dem Vater entgegenwallen kann. — Dank sey aus unser aller innigstem Gefühl ihm, der schon lange, ehe wir waren, für das Heil unsrer Seelen vorbereitend sorgte, wie er schon in den Tagen der Schöpfung alle Bedürfnisse unsres sterblichen Körpers in Rechnung nahm, —Dank dem guten Geist, der uns suchte und fand, und in alle Wahrheit leitete. Ach, daß für keinen unter uns jener große Aufwand und die lange Verbindung und Wirkung jener natürlichen und übernatürlichen Kräfte möge verloren seyn! Jahrtausende hinab wachte und sorgte die Vorsehung für die Bekanntwerdung, Erhaltung und Verbreitung der Wahrheit, daß auch wir und jeder einzelne in seinen Tagen durch sie geheiliget und für den Himmel gebildet werden möchte, — und in einem Augenblick des Leichtsinnes verscherzt er vielleicht seine Unschuld, seine Ruhe, seinen Himmel auf ewig. O laßt uns seine Weg« wandeln ! Führe du uns selbst, Geist des Herrn. —

Gib allen Weißheit und Verstand,
Den rechten Weg ins Vaterland
Den Weg zu Gott zu wandeln.
Laß Sünd' und Ungerechtigkeit
Uns standhaft fliehn, und jederzeit
Gerecht und christlich handeln.

Jesus Christus
Hilf uns allen,
Die hier wallen,
Schon auf Erden
                Bürger deines Himmels werden!

Amen.

 

 
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