zurück Predigt am ersten Osterfeste 1801
   
(Gehalten in der Gemeinde zu Hagsfelden bei Karlsruhe.)

Wir freuen uns, o Gott, und danken dir, daß du Jesum Christum unsern Erlöser nach kurzer Ruhe im Grab lebendig gemacht und ihm die Herrlichkeit gegeben hast. Wir freuen uns deiner, du bist unser Gott, der das Leben aus dem Tode zurückruft, und die Traurigkeit in Freude verwandelt, und den Kampf der Tugend mit dem Siege belohnt. Darum wollen auch wir auf dich vertrauen, du wirst alles wohl machen, und uns die Gnade schenken, in einem heiligen Leben zu beharren. Gib uns auch heute in deinem heiligen Worte deine Wahrheit zu erkennen.   Vater Unser!

Text: Markus 16, 1 -  9

1 Und als der Sabbat vergangen war, kauften Maria von Magdala und Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um hinzugehen und ihn zu salben.
2 Und sie kamen zum Grab am ersten Tag der Woche, sehr früh, als die Sonne aufging.
3 Und sie sprachen untereinander: Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür?
4 Und sie sahen hin und wurden gewahr, dass der Stein weggewälzt war; denn er war sehr groß.
5 Und sie gingen hinein in das Grab und sahen einen Jüngling zur rechten Hand sitzen, der hatte ein langes weißes Gewand an, und sie entsetzten sich.
6 Er aber sprach zu ihnen: Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier. Siehe da die Stätte, wo sie ihn hinlegten.
7 Geht aber hin und sagt seinen Jüngern und Petrus, dass er vor euch hingehen wird nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat.
8 Und sie gingen hinaus und flohen von dem Grab; denn Zittern und Entsetzen hatte sie ergriffen. Und sie sagten niemandem etwas; denn sie fürchteten sich.
9 Als aber Jesus auferstanden war früh am ersten Tag der Woche, erschien er zuerst Maria von Magdala, von der er sieben böse Geister ausgetrieben hatte.

 

An einem Abend, die evangelische Geschichte sagt, um die neunte Stunde des Tages, neigete Jesus an seinem Kreuze das Haupt und verschied, und eine Finsterniß lag über dem ganzen Lande. Aber an einem Sonntage früh im Schimmer der Morgenröthe war er auferstanden, und die aufgehende Sonne schien auf ein leeres Grab.

Was denken wir hierbei? Die untergehende Sonne, der einbrechende Abend, und die Finsterniß die ihm nachfolgt, soll uns oft eine Erinnerung des Sterbens werden. Die Sterne, die alsdann an dem Himmel hervorgehen, und in der finstersten Nacht am hellsten glänzen, sollen uns das Zeichen der Hoffnung werden, und der anbrechende Tag soll uns mit dem Gedanken an die Auferstehung erfreuen. Aber wozu diese Erinnerungen? Ach nicht zu einem müßigen Gedankenspiel! Es stärke uns das Andenken an Tod und Leben, an den getödteten und auferweckten Jesus zur treuen Erfüllung unserer Pflicht und zum freudigen Vertrauen auf Gott. Eine Anleitung dazu gibt uns unser Text.

Betrachtungen über die frommen Personen, welche das Grab Jesu besuchten.

1) Erweckung zu einem treuen Sinn gegen Jesum.

2) Zum Vertrauen auf seinen Vater, der ihn von den Todten auferweckte.

Unser Evangelium sagt, daß Maria Magdalena und Maria Jakobi und Salome am Ende des Sabbaths Spezereien und Salben einkauften, um den Leichnam Jesu nach der damaligen Sitte zu salben, und daß sie damit am Sonntag sehr frühe an das Grab gekommen seyen, da die Sonne aufgieng. Das sind die nämlichen Weiber, von denen das Evangelium an einem andern Orte sagt, daß sie Jesu, als er noch in Knechtsgestalt umhergieng, nachgefolgt seyen und ihm gedient haben. Wenn Jesus umhergieng und wohlthar und gesund machte, so sorgten sie unterdessen mit einem liebenden und dankbaren Sinn für seine Bedürfnisse; und wenn er an einem Abend nach vielen guten Thaten müde zu den Seinigen zurückkehrte, so waren sie darauf bedacht, ihn mit Bequemlichkeit und Erholung zu erfreuen. Auch seine vielfachen Leiden und Beschwerden suchten sie ihm zu versüßen. Sie halten ihn ja nach Jerusalem zu seinem Leiden begleitet; und ob sie ihm gleich von der Last seiner Schmerzen nichts mehr abnehmen konnten, und unter dem Getümmel des Volks und dem Gespött seiner Feinde nicht einmal mehr ein Wort des Trostes zu ihm sprechen konnten, so hielten sie doch bei ihm aus, und trösteten ihn, wenigstens so gut sie konnten, mit ihrer standhaften Treue, und mit der Thräne des Mitleidens im rothgeweinten Auge. —

Selbst nach seinem Tode wurden sie noch nicht müde, die Pflicht des Andenkens und der Liebe zu erfüllen. Sie kauften Spezereien, weil sie seinen Leichnam salben wollten. Diese Mühe war gut gemeint, aber unnöthig, denn Jesus war nicht mehr im Grabe, er lebte. Aber diese unnöthige Mühe war darum nicht vergeblich. Sie hatten das Ihrige getan. Sie befolgten, was ihr gutes Herz sie ermahnte. Gott sah in ihr Herz, und Jesus dankte ihnen. Sein Dank war das. daß er wieder zu ihnen kam und mit dem Wort: ich lebe! sie für ihre Bekümmernisse tröstete.

Diesem schönen Beispiel wollen wir auch folgen und Jesu dienen, und seine Schmerzen erleichtern! Wie, sagt ihr, können wir Jesu dienen und seine Schmerzen erleichtern? Sitzt er nicht zur Rechten Gottes, über Gute und Böse zu richten? Ja wohl! und doch könnt ihr ihm dienen und seine Bedürfnisse befriedigen; denn er sagt: Alles was ihr getan habt den geringsten unter meinen Brüdern, das habt ihr mir getan. Laßt uns also aus dankbarer Liebe für seine Wohlthaten Gutes thun an den Menschen, laßt uns die Hungerigen speisen, die Schmachtenden erquicken, die Traurigen trösten, die Schwachen tragen, die Irrenden zurechtweisen. Denn Jesus sagt: Was ihr getan habt den geringsten unter meinen Brüdern, das habt ihr mir getan. Und wenn auch manchmal unsere gutgemeinte Mühe vergeblich ist, und wenn Gott geholfen hat, ehe wir helfen können, und besser, als wir helfen kennen» so wollen wir darum unsere Mühe nicht vergeblich halten, und nicht müde werden, sondern uns trösten, daß wir getan haben, wozu uns unser gutes Herz ermahnte, und daß Gott hinein sieht in das gute Herz, und Jesus wird uns danken, und durch den Frieden und die Freudigkeit, die er uns schenkt, werden wir erfahren, was er jenen frommen Personen sagte: ich lebe, ich bin bei euch, und ihr sollt auch leben.

Als aber die Personen, von denen unser Text redet, im Licht der Morgensonne nach dem Grabe Jesu giengen, fiel ihnen auf einmal ein bekümmernder Gedanken ein: Wer wälzet uns den Stein von des Grabes Thür? Auch diese Sorge war vergeblich. Der Stein war weggewälzt, ehe er ihnen in den Sinn kam. Die guten Seelen dachten nicht daran, daß der Gott, der aus der Finsterniß der Nacht Licht schafft, und der die Sonne, die gestern untergieng, wieder mit neuer Herrlichkeit am geheiterten Himmel herauf führt, daß der Gott auch die Hindernisse wegschaffen kann, wenns nöthig ist, die uns auf dem Wege unserer Pflicht entgegen stehen. Was hätte manches von uns getan? Wir wären muthlos auf dem halben Wege unserer Pflicht zurückgekehrt, weil wir doch den schweren Stein nicht wegwälzen können, und hatten vergessen, daß Gott überschwenglich thun kann, über alles, was wir bitten und verstehn. Aber wenn jene Personen auch so gedacht hätten, so hatten sie nicht so bald erfahren, daß der Stein schon weggewälzt war, und daß Jesus lebe, und daß Gottes Hülfe am nächsten sey, wenn die Roth am größten ist, und Menschenhülfe scheint aus zu seyn.

Also sollen wir uns auf dem Weg der Gottseligkeit und unserer Pflicht durch keine Bedenklichkeiten abhalten lassen, sonst erfahren wir Gottes Hülfe nicht, sondern wir sollen das Unsrige thun, und an Gott glauben. Wer glaubt, fleucht nicht, sagt die Bibel. Und wenn uns auch der Stein zu schwer scheint, Gott wird ihn schon wegwälzen von unserm Weg und von unserm Herzen.

Die Sonne gieng auf, als den Weibern der ängstliche Gedanke einfiel: Wer wälzet uns den Stein von des Grabes Thür? Ists nicht so? Wenn die Sonne aufgeht, das heißt, wenn ein neuer Tag anbricht, so haben wir oft den meisten Kummer. Was werden wir essen? was werden wir trinken? womit werden wir uns kleiden? fragt alsdann das kleinmüthige Herz, und wir beten das alte Lied:

Nun wird es wieder Morgen,
die Nacht vollendet ihren Lauf;
nun wachen alle meine Sorgen
auf einmal mit mir wieder auf.

O nicht so, meine Freunde. Laßt uns thun, was jene zaghaften Seelen auch hatten thun sollen, zum Himmel schauen und denken: Der Gott, der aus Finsterniß Licht schafft, und die Sonne, die gestern untergieng, wieder mit neuer Herrlichkeit am geheiterten Himmel heraufführt, kann überschwenglich thun über alles, was wir bitten und versteh». Die Sonne bleibt nicht aus, wenn die Nacht auch noch so lang und finster war. Denn aufeine finstere Nacht folgt der helle Tag, und auf einen trüben Morgen ein heiterer Abend.

Die Personen, die das Grab Jesu besuchten, fanden, wenn ihr wollt, weniger als sie suchten. Denn sie suchten Jesum, und trafen nur einen — Engel an. Aber eigentlich haben sie denn doch mehr gefunden, als sie erwarteten. Denn sie suchten den todten Jesus, und der Engel sagte ihnen: daß er lebe. So wiederfahrt auch uns in unserm Leben, und oft selbst auf dem Wege unserer Pflicht etwas ganz anderes, als wir wollten. Wir halten's für schlimmer, aber es ist besser, und der Ausgang, das Ende rechtfertigt Gottes weisen Rath und Willen, und beschämt unsere thörichte Meinung. Du wünschest Reichthum, damit du in Müßiggang und Wohlleben deine irdischen Tage verbringen könnest. Aber Gott schenkt dir Gesundheit und Kräfte, Gelegenheit zur nützlichen Arbeit, und zur Arbeit seinen Segen; das ist besser! Oder du wünschest nur Gesundheit und Kräfte, um dir und den Deinigen Nahrung mit Ehren zu erwerben. Aber Gott legt dich in Krankheit nieder, damit deine Seele in Geduld und Trübsal bewährt werde, und dich und die Deinigen ernährt er doch. Das ist auch besser. Oder du bist gesund und arbeitsam, aber der Segen Gottes bleibt manchmal aus. Du wünschest mit allen Menschen in Ruhe und Frieden zu leben, aber Gott läßt es zu, daß du beunruhiget, angefochten, verfolgt wirst, damit du in der Demuth, in der Versöhnlichkeit, in der Liebe geübt werdest, und doch befiehlt er seinen Engeln über dir, daß sie dich behüten und bewahren auf allen deinen Wegen, und daß sie dich auf den Händen tragen. Das ist auch besser!

Also wollen wir nicht verzagen, wenn Gottes Wege nicht die unsrigen sind, sondern mit Demuth und Vertrauen annehmen, was er uns bereitet hat. Gott wirds wohl machen.

Endlich sagt unser Text: Die Weiber giengen schnell hinaus und flohen von dem Grabe, denn es war sie Furcht und Entsetzen angekommen. Das ist etwas sonderbares. So lang sie glaubten, Jesus ihr Freund und Erretter sey noch todt, so hatten sie Ursache sich zu fürchten, und da waren sie ruhig. Aber wie sie hörten. daß Jesus lebe, und sie hätten sollen freudig werden, kam sie Furcht und Entsetzen an, und sie flohen. Aber ist das nicht wieder unsere eigene Erfahrung? Oft ist der Leichtsinn des Menschen am sichersten, wo die Gefahr am größten ist, und ein andermal fürchtet das schwache Herz, wo es nichts zu fürchten hat. Denn des Menschen Herz ist ein trotzig und ein verzagtes Ding, wie die Bibel sagt. Ich will euch ein einziges Beispiel anführen: Was fürchtet der Mensch, selbst mancher fromme mehr, das Leben oder den Tod? Ohne Zweifel den Tod. Aber dem Frommen ist der Tod weniger zu fürchten, als das Leben. Nur das Leben hat Mühe und Sorgen und Ungemach. Nur das Leben hat Krankheit und Schmerz. Nur das Leben hat Versuchung und Sünde. Aber ein seliger Tod befreit den Gerechten von allen diesen Leiden, und bringt ihn zur Ruhe und dahin, wo Jesus ist, und Freude die Fülle und liebliches Leben hat. Darum sagt Paulus: der Herr wird mich erlösen von allem Uebel. Also wollen wir im Leben unter so vielen Versuchungen und Gefahren nicht sicher seyn, sondern unsere Seele in den Händen tragen, und vor dem letzten Ende eines frommen Lebens wollen wir uns nicht fürchten, sondern dem Herrn unsere Seele empfehlen. Was jene Frauen an dem Grabe des Erlösers vor aller Furcht halte bewahren sollen: Jesus lebt! das soll auch täglich unsere Freude und am letzten Abend unser Trost seyn.

Jesus lebt, mit ihm auch ich!
Tod, wo sind nun deine Schrecken?
Jesus lebt, er wird auch mich
Von den Toten auferwecken.
Er verklärt mich in sein Licht;
Dies ist meine Zuversicht.

Amen.

 

 
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