zurück Epistel am 3. Sonntag nach Ostern   [zw. 1792 u. 1780?]
     

Epistel am 3ten Sont. n. Ostern.
1. Petr. 2, 11. - 20.

Mitten in der Epistel spricht Petrus von Freien und Freiheit, und legt vor und nachher
 seinen Christen Pflichten auf die alle Freiheit aufzuheben scheinen.

Them. Von der christlichen Freyheit.

     


1, Worin sie bestehe.

1, Man versteht oft unter Freiheit etwas, was gar nicht Freiheit ist. Nemlich
    uneingeschränkte Macht u. Erlaubnis zu thun was ieder will, gutes oder böses.
    Eine solche Freiheit ist

       
a  unmöglich, wenn sie iedem gelten sollte, und das sollte doch seyn.
    Denn 2. Menschen können etwas wollen, so daß der Wille des einen,
    den Willen des andern gerade zu aufhebt. z. B. wenn ich dem andern
    etwas rauben wollte, was er nicht lassen will.

b, ungerecht und verderblich, wenn sie nur etliche gelten sollte. Wer wären
    die etlichen? Die Stärksten, die listigsten, die Geschwindesten. Heute dieser,
    morgen ein anderer, ie nach dem einem das Glük den Vortheil in die Hand
    spielte. Die Welt würde in kurzer Zeit eine Mördergrube, das Menschliche
    Geschlecht eine Räuber bände seyn, reissenden Thieren ähnlicher als
    vernünftigen Geschöpfen. Gerechtigkeit, Billigkeit, Menschenliebe,
    Gottesfurcht würden verschwinden  pp  Röm. 3, 10. - 17.

c  Nicht zu wünschen.

     


2. Oft wird unter Freiheit etwas verstanden, wovon hier nicht die Rede ist. z B.

       


a  Bürgerliche Freiheit, wovon Einschränkungen im 13. u. 14. Vers.

b, Persönliche Freiheit, wovon das Gegentheil im 18 u. 19 Vers.

     


3. Christliche (u. moralische) Freiheit ist das Vermögen nach vorhergegangener
    Überlegung das zu thun und zu wählen, was die, durch die Lehre Jesu geweckte
    und aufgeklärte Vernunft als das beste erkennet. Es gehört also dazu:

       


a  Kentnis des guten und Bösen. Diese verschafet das Christenthum durch
    seinen Unterricht.

b, Entschliessung das gute zu wählen, und innere Kraft den Entschluß zu
    befolgen, diese verschaft das Christenthum durch seine Beweggründe u.
    Anleitungen. "Jch vermag alls durch den, welcher mich mächtig macht,
    welcher ist Christus.

c, Ein Zustand in welchem man auch durch äussere Gewalt nicht gehindert wird.
    Oder Freiheit ist: (nach Leß) Die Fertigkeit u. das Vermögen mit Unterdrükung
    sinlicher Begirden, die Vorschriften des Verstanden zu befolgen.

       

2ter Theil: Wie sich die christliche Freiheit mit dem BefehItn des Apostels vertrage.
Die Forderungen des Apostels sind:

1,  Enthaltung von fleischlichen Lüsten. Dadurch leidet die Freiheit keine Einschränkung.
     Vielmehr wäre sie ohne diese Warnung in der Grösten Gefahr, weil die fl. Lüste wider
     die Seele streiten d.h.

       


a  weil sie die Seele dum und betäubt machen, also der Überlegung die
    Nothwendigkeit zur Freiheit gehört, schwächen und unterdrüken.
b, weil sie die gute Stimmung des Geistes verrüken iedes gute Gefühl, iede
    Kraft lähmen, den sinlichen Gefühlen und Begirden ein Übergewicht
    verschaffen, wodurch alle Willensfreiheit aufgehoben wird, und also den
    Menschen gefangen nehmen unter der Sünde Gesetz. Röm. 7, 2. 3.

     


2.  Guter Wandel, d. h Furcht Gottes, Allgemeine Ehrerbietung, Bruderliebe,
     Unterwürfigkeit  pp

       


a Überhaupt. Es schränken diese Forderungen die Freiheit nicht ein, weil sie
   nichts anders wollen, als was der Vernünftige Vermöge seiner Freiheit selbst
   wählen u thun wird,

b Insbesondere.

   

 

     


α  Gehorsam gegen die Obrigkeit ist erforderlich um das Ansehen der
    Obrigkeit zu erhalten, und das Ansehen der Obrigkeit ist zur Erhaltung
    der Freiheit nöthig, weil wir nur durch sie in den Zustand gesezt
    werden, der im 1sten Theil nr. 3. lit. C angeführt wird. Ohne Obrigk.
    würde die Freiheit in iene Zügellosigkeit ausarten die zu Anfang des
    1sten Theiles beschrieben worden.

β, Unterwerfung der Knechte unter den Willen ihrer HErrn, auch den
    wunderlichen scheint die Freiheit am meisten zu beeinträchtigen
    allein es ist zu bedenken einmal: das persönliche oder natürliche
    Freiheit verschieden sey von der christlichen; Wer sich in den
    Knechtsstand begibt, thut es um durch seiner Hände arbeit sich
    den Unterhalt zu verschaffen, den ihm sein Vermögen nicht
    hinlänglich gewähret. Nun verspricht uns Christus nirgends durch
    seine Religion vermöglich zu machen und reich, daß wir die Hände
    in den Schoos legen könten, sondern gut, ruhig zu frieden. Fürs
    andere ist auch dieser Stand gut und nützlich und unentbehrlich,
    seine Beschwerden aber unvermeidlich.
    Wolte man also die Beschwerden vermeiden, so müsste man den
    ganzen Stand der Herrschaft und des Gesindes aufheben, das heisst
    eine nützliche Einrichtung zerstören, Verwirrungen anrichten. Der
    freye Mensch also, der nur das gute will, wird sich freywillig
    entschliessen, die Beschwerden zu ertragen, um grösseres Böse
    zu verhüten.

 

 

 
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