Zwei Spracherinnerungen
(1816)
Ein
guter Teil der geneigten rheinländischen Leser wird ersucht, zwischen
den Wörtern „Lehren" und „Lernen" einen Unterschied zu machen. Lehren
heißt Unterricht geben. Lernen, das heißt Unterricht empfangen und
annehmen. Man kann nicht sagen: „Der Herr Provisor hat mich die
Regeldetri gelernt", sondern, „der Herr Provisor hat mich die Regeldetri
gelehrt", oder, „ich habe sie bei ihm gelernt." Nicht so: „Lern mich das
und das, damit ich's auch kann", sondern so: „Lehr mich das und das."
Gewissen geneigten Lesern hat es bei dem Anfang dieser Erinnerung wollen
ein wenig angst werden, die da glaubten, es komme etwas anderes und sie
seien gemeint. Nein selbige ficht der Hausfreund nicht an. Er will nur
denjenigen ein wenig behülflich sein, die gern Hochteutsch sprechen
möchten, und haben es doch nicht recht im Gang. Der Hausfreund kennt
einen zum Beispiel, der die ganze Woche spricht nach Landesart, wie es
auf selbigen Bergen seit den urgroßväterlichen Zeiten üblich ist. Aber
am Sonntag tut er's nicht anderst. Am Sonntag muß Hochteutsch gesprochen
sein. Er sagt: „Es hat mich veil Mühe gekostet, so zu reden daß man's
gleich zu Papier bringen könnte. Aber iez geht es anfangen." An hohen
Festtagen tut er auch etwas Französisch dran wie Knoblauch ans
Saueressen.
Zweite Erinnerung. Auch wolle man gefällig einen Unterschied machen
zwischen den zwei Ausdrücken: „Es ist" und „Es war." „Es ist" sagt man
von demjenigen, was in der gegenwärtigen Zeit geschieht oder seinen
Bestand hat, währenddem daß man davon redet. Z. B. Es ist heute Sonntag
„Es war" sagt man von demjenigen was in der vergangenen Zeit geschah
oder seinen Bestand hatte, und sich nimmer so befindet, währenddem man
davon spricht. Der Herr Schulmeister, wenn er früh um halb neun Uhr das
Lied bei dem Pfarrer holt, soll nicht sagen: „Es war gottlob heut ein
schöner Tag", sondern, „es ist ein schöner Tag." Ein Vater, der ein
frommes Töchterlein hat, soll nicht sagen: „Sie war ein wohlgesittetes,
züchtiges Mägdlein", sondern: „Sie ist es", das andere kommt noch früh
genug wann sie aufgehört hat, es zu sein. Kurz, wo man in der gemeinen
Rede sagt, es ist, da sagt man es auch in der hochdeutschen. Es kann
nicht fehlen. |