Willige Rechtspflege (1815)
Als ein neu angehender Beamter zu Zeiten der
Republik das erstemal zu Recht saß, trat vor die Schranken seines
Richterstuhls der untere Müller, vortragend seine Beschwerden gegen den
obern, in Sachen der Wasserbaukosten. Als er fertig war, erkannte der
Richter: „Die Sache ist ganz klar. Ihr habt recht." Es verging eine Nacht
und ein Räuschlein, kam der obere Müller und trug sein Recht und
seine Verteidigung auch vor, noch mundfertiger als der untere. Als er
ausgeredet hatte, erkannte der Richter: „Die Sache ist so klar als
möglich. Ihr habt vollkommen recht." Hierauf als der Müller abgetreten
war, nahte dem Richter der Amtsdiener. „Gestrenger Herr", sagte der
Amtsdiener, „also hat Euer Herr Vorfahrer nie gesprochen, solange wir
Urteil und Recht erteilten. Auch werden wir dabei nicht bestehen. Es
können nicht beide Parteien den Prozeß gewinnen, sonst müssen ihn
auch beide verlieren, welches nicht gehn will." Darauf antwortete der
Beamte: „So klar war die Sache noch nie. Du hast auch recht." |