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Der Wettermacher    (1819)
 
Gleichwie einem Siebmacher oder einem Hafenbinder, wenn er in einem kleinen Ort zu Hause ist, können seine Mitbürger nicht das ganze Jahr Arbeit und Nahrung geben, sondern er begibt sich auf Künstlerreisen im Revier herum, und geht seinem Verdienst nach; also auch der Zirkelschmidt ist fleißig darauf im andern Revier, und handelt nicht mit Zirkeln, sondern mit Trug und Schelmerei, um die Leute zu berücken, und sich freizutrinken im Wirtshaus. Also erscheint er einmal in Obernehingen und geht gerade zum Schulz. „Hr. Schulz", sagt er, „könntet Ihr kein ander Wetter brauchen? Ich bin durch Euere Gemarkung gegangen. Die Felder in der Tiefe haben schon zuviel Regen gehabt, und auf der Höhe ist das Wachstum auch noch zurück." Der Schulz meinte, das seie geschwind gesagt, aber besser machen sei eine Kunst. „Ei", erwidert der Zirkelschmidt, „auf das reise ich ja. Bin ich nicht der Wettermacher von Bologna? In Italien", sagte er, „wo doch Pomeranzen und Zitronen wachsen, wird alles Wetter auf Bestellung gemacht. Darin seid ihr Deutsche noch zurück." Der Schulz ist ein guter u. treuherziger Mann, und gehört zu denen, die lieber geschwind reich werden möchten, als langsam. Also leuchtete ihm das Anbieten des Zirkelschmidts ein. Doch wollte er vorsichtig sein. „Macht mir morgen früh einen heitern Himmel", sagte er, „zur Probe, und ein paar leichte weiße Wölklein dran, den ganzen Tag Sonnenschein und in der Luft so zarte glänzende Fäden. Auf den Mittag könnt Ihr die ersten gelben Sommervögel loslassen, und gegen Abend darf's wieder kühl werden." Der Zirkelschmidt erwiderte: „Auf einen Tag kann ich mich nicht einlassen, Herr Schulz. Es trägt die Kosten nicht aus. Ich unternehm's nicht anderst, als auf ein Jahr. Dann sollt Ihr aber Not haben, wo Ihr Euere Frucht und Euern Most unterbringen wollt." Auf die Frage des Schulzen, wieviel er für den Jahrgang fordere, verlangte er zum voraus nichts, als täglich einen Gulden u. freien Trunk, bis die Sache eingerichtet sei, es könne wenigstens 3 Tage dauren, „hernach aber von jedem Saum Wein, den Ihr mehr bekommt", sagte er, „als in den besten Jahren, ein Viertel, und von jedem Malter Frucht einen Sester." „Das war nicht veil", sagte der Schulz. Denn dortzuland sagt man veil, statt viel, wenn man sich hochdeutsch explizieren will. Der Schulz bekam Respekt vor dem Zirkelschmidt und explizierte sich hochdeutsch. Als er nun aber Papier und Feder aus dem Schränklein holte, u. dem Zirkelschmidt das Wetter von Monat zu Monat vorschreiben wollte, machte ihm der Zirkelschmidt eine neue Hinwendung: „Das geht nicht an, Hr. Schulz! Ihr müßt auch die Bürgerschaft darüber hören. Denn das Wetter ist eine Gemeindssache. Ihr könnt nicht verlangen, daß die ganze Bürgerschaft Euer Wetter annehmen soll." Da sprach der Schulz: „Ihr habt recht! Ihr seid ein verständiger Mann."
Der geneigte Leser aber ist nun der Schelmerei des Zirkelschmidts auf der rechten Spur, wenn er zum voraus vermutet, die Bürgerschaft sei über die Sache nicht einig geworden. In der ersten Gemeindsversammlung wurde noch nichts ausgemacht, in der siebenten auch noch nichts, in der achten, kam's zu ernsthaften Redensarten, und ein verständiger Gerichtsmann glaubte endlich um Fried und Einigkeit in der Gemeinde zu erhalten, war's am besten, man zahlte den Wettermacher aus, und schickte ihn fort. Also beschied der Schulz den Wettermacher vor sich: „Hier habt Ihr Euere 9 Gulden, Unheilstifter, und nun tut zur Sache, daß Ihr fortkommt, eh Mord und Totschlag in der Gemeinde ausbricht." Der Zirkelschmidt ließ sich nicht zweimal heißen. Er nahm das Geld, hinterließ eine Wirtsschuld von zirka 24 Maß Wein, und mit dem Wetter blieb es, wie es war.
Item, der Zirkelschmidt bleibt immer ein lehrreicher Mensch. Merke, wie gut es sei, daß der oberste Weltregent, bisher die Witterung nach seinem Willen allein gelenkt hat. Selbst wir Kalendermacher, Planeten und übrigen Landstände werden nicht leicht um etwas gefragt, u. haben, was das betrifft, ruhige Tage.
 
 
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