Allgemeine
Betrachtung über das Weltgebäude [5]:
Die Planeten [Fortsetzung] (1809 + 1819)
Der
Rheinländische Hausfreund stellt sich seinem Leser gegenüber und fragt:
Weißt du auch noch, geneigter Leser, wovon im vorigen Artikel über das
Weltgebäude ist geredt worden?
Leser: Ja! von
den Planeten ist geredt worden.
Hausfreund:
Weißt du auch noch, was man Planeten nennt?
Leser: Ja!
Planeten nennt man eilf Sterne, so mit den ändern nicht gleichen
Schritt halten, denn sie laufen in großen Kreisen um die Sonne herum,
und kommen der eine heut, der andere morgen, aber jeder zu
seiner Zeit.
Hausfreund:
Weißt du denn auch noch, welche Planeten sind in der Betrachtung des
Weltgebäudes im vorigen Artikel betrachtet worden?
Leser: Ja! der
Merkurius ist betrachtet worden, und die Venus, das ist der Abendstern.
Der Hausfreund
kann sich nicht genug darüber verwundern, daß der geneigte Leser so
wohl begriffen, und es so lange im Kopf behalten hat: und fährt nun also
fort:
Der nächste
Planet nach der Venus, oder der dritte von der Sonne weg, ist unsere
Erde selber mit ihrem Beiläufer, dem Mond. Sie hat 5400 deutsche Meilen
im Umfang. Sie ist 21 Millionen Meilen weit von der Sonne entfernt, und
bekommt doch von ihr ein so schönes Tageslicht und so kräftige Wärme. Sie lauft
um die Sonne herum in 365 Tagen und 6 Stunden, und legt in dieser Zeit
einen Raum von mehr als 131 Millionen Meilen zurück, ohne ein
einzigesmal auszuruhen. Was aber sonst noch von der Erde zu sagen ist,
und wie ihre Einwohner täten, was dem Herrn übel gefiel, bisweilen aber
doch auch etwas, das ihm wohl gefiel, siehe, das ist geschrieben in
einem eigenen Abschnitt und in den Erzählungen des Rheinländischen
Hausfreundes.
Nach der Erde
kommt der wunderschöne Planetstern Mars, der nicht wie die andern ein
gelbes oder weißes, sondern ein rötliches Licht hat, als wenn
unaufhörlich ein großes Freudenfeuer dort brennte. Er erscheint uns, wie
die ändern Planeten, nicht immer gleich, weil seine Weite von uns weg
nicht immer die nämliche ist. Er ist größer und schöner, wenn er näher
bei der Erde ist; unscheinbar und klein, wenn er weit weg steht. Er ist
übrigens von der Sonne fast 32 Millionen Meilen weit entfernt, braucht
doch nur ein Jahr und 322 Tage zu seinem Umlauf um dieselbe, und
durchlauft in solcher Zeit eine Bahn von 200 Millionen Meilen. Dagegen
ist er
5-mal kleiner als die Erde und fast 10-mal leichter, und kann also
schon flüchtiger fortkommen.
Für den nächsten
Planeten nach dem Mars hat man von den ältesten Zeiten an bis vor wenig
Jahren den Jupiter gehalten, und war mit keiner Lieb zwischen ihnen noch
ein anderer zu entdecken. Die Sternseher aber behaupteten herzhaft,
zwischen ihnen fehle einer, ob ihn gleich noch kein sterblicher Mensch
gesehen habe. „Entweder", sagten sie, „ist er so klein, daß wir ihn
nicht sehen können, oder er hat seinen Jüngsten Tag und die Auferstehung
seiner Toten schon erlebt, und ist nachher im Feuer aufgegangen, oder
sonst verkommen."
Dies brachten
sie folgendermaßen heraus: Wenn man sich von der Sonne weg bis zu dem
Planeten Saturn, so für den letzten gehalten wurde, in einer geraden
Linie, gleichweit voneinander hundert Pünktlein vorstellt, so steht von
der Sonne weg auf dem vierten Pünktlein der Planet Merkurius, und kann
niemand etwas dafür, daß er dort steht und an keinem ändern Ort. Wenn
man aber weiter zählt drei, dort steht die Venus. Zählt man weiter
zweimal drei ist sechs, dort steht unsere Erde; zählt man weiter zweimal
sechs ist zwölf, dort steht der Mars und fehlt sich nicht. Zählt man
weiter zweimal zwölf gibt vierundzwanzig, dort sah man nichts, und doch,
wenn man wieder weiter fortfährt und sagt: zweimal vierundzwanzig ist
achtundvierzig, so steht daselbst wieder der Planet Jupiter; und zweimal
achtundvierzig ist sechsundneunzig, dort ist der Saturn. Sechsundneunzig
aber addiert mit den vier ersten Punkten von der Sonne weg bis zum
Merkurius tut hundert, so, daß also der Saturnus richtig auf dem
hundertsten Pünktlein steht. Weil nun alle diese Planeten in einer so
sichtbaren Proportion und Ordnung voneinander abstehn, und doch auf dem
Pünktlein 24 nichts zu sehen war, deswegen sagten die Sternkundigen,
dort müsse auch noch einer stehen, wenn er nicht schon wieder
verschwunden sei. So etwas erzählt der Hausfreund nicht allen Leuten;
aber seinen Lesern kann er nichts vorenthalten, damit sie sehen, was
wir Sternseher und Kalendermacher für respektable Leute sind, so die
Sterne des Himmels überschauen, wie ein Hirt seine Schäflein oder ein
Schulherr seine Kinder, und merkt gleich, wenn eins fehlt. Wie gewiß wir
aber unserer Sache sind, das hat sich vor einigen Jahren zu großer
Freude gezeigt. Denn als der berühmte Mann, namens Herschel, vor
mehreren Jahren eine neue Art von Fernröhren oder Perspektiven erfunden
hatte, die noch viel weiter tragen als die alten, so hat man einen
kleinen Planeten auf Nro. 24 richtig entdeckt, und sich etwas
Rechtschaffenes darauf eingebildet. Allein das ist noch nicht alles.
Denn da dieser Planet so klein erschien, so hatte man das Herz, zu
behaupten, er sei nimmer ganz, sondern nur ein Stück von einem Ganzen.
Auch diese Vermutung scheint durch die Erfahrung bestätigt zu sein,
indem man nachher in kurzer Zeit nacheinander noch drei Sternlein
ungefähr in der nämlichen Weite von der Sonne weg entdeckte, so, daß man
jetzt statt einem, der zu fehlen schien, vier auf einmal hat. Es ist
daher fast nicht mehr zu zweifeln, daß einmal ein großer Planetstern an
jener Stelle gewesen, und schon vor undenklichen Zeiten in diese vier
Stücke zersprungen sei, und muß ein rechtes Betrübnis gewesen sein,
wenn ein Vater oder eine Mutter auf einem Stück geblieben ist, und die
Kinder auf einem ändern, und konnten hernach nichts mehr voneinander
erfahren, und einander durch niemand grüßen lassen.
Da jeder Stern
einen Namen haben muß, wenn man von ihm reden will, so nannte man diese
vier: die Pallas, die Juno, die Ceres und die Vesta. Drei davon sind
durch deutsche Männer entdeckt worden.
Nach diesem
kommt nun 108 Millionen Meilen von der Sonne weg der neunte Planet,
Jupiter genannt. Ob er gleich in unsern Augen nicht größer als ein
Brabanter Taler aussieht, so ist er doch 1474mal größer als die Erde,
und der größte unter allen Planeten. Er vollendet seine Laufbahn um die
Sonne in 12 Jahren nur einmal, und um ihn selbst bewegen sich in
ungleichen Entfernungen 4 Monde, so schön aussehen muß, wenn sie in
einer Nacht alle zugleich am Himmel stehen. Auch laufen mehrere
veränderliche graue Streifen über ihn weg, und man weiß nicht recht, was
man davon halten soll.
Der zehnte
Planet ist der Saturn. Dieser ist von der Sonne fast noch einmal so weit
entfernt als der Jupiter, nämlich 199 Millionen Meilen. Sein Weg um die
Sonne umfaßt mehr als 1280 Millionen Meilen, wozu er 29 Jahr vonnöten
hat. Da er so entsetzlich weit von der Sonne entfernt ist, so muß auf
ihm das Licht derselben 90-mal schwächer als auf unsrer Erde sein, und muß einer schon gute Augen haben, wenn er dabei eine Nadel will
einfädlen.
Dafür hat er
aber sieben Monde, die ihm seine trüben Tage erfreulich machen, und
seine langen Nächte erheitern. Überdies hat dieser Planet noch etwas,
was kein anderer hat, einen Ring, so aber doppelt ist. Dieser Ring zieht
sich in einer nicht gar großen Entfernung um den Saturn rings herum, ist
sehr breit, nicht gar dick, und wird ebenfalls von der Sonne
erleuchtet. Ohne Zweifel wirft er sein Licht ebenso wie die Monde auf
den dunkeln Körper des Planeten zurück, und hilft zu seiner Erhellung.
Sonst weiß man von ihm nicht viel zu sagen.
Lange hat man
geglaubt, dieser Saturn sei nun der letzte Planet, an den
die Sonne scheinet, und jetzt sei man fertig, bis der berühmte Herschel,
von welchem oben Erwähnung geschah, ebenfalls ein geborner Deutscher, am
13. Mai 1781 zur großen Verwunderung und Freude der Gelehrten, noch
einen neuen entdeckte, welcher nun an der Zahl der eilfte, und
vielleicht noch nicht der letzte ist. Denn der schwache Mensch kommt der
göttlichen Allmacht nie an das Ende, und man muß nie sagen: Wo ich
nichts mehr sehe, dort ist nichts mehr. Dieser neue Planet heißt Uranus,
wird aber ohne Zweifel der älteste sein. Er ist noch einmal so weit von
der Sonne entfernt, als der Saturn, nämlich 400000000 Meilen. Er muß in
einem Kreis von 2514000000 Meilen um die Sonne herumgehen. Ein Jahr auf
diesem Planeten währt so lang als bei uns 83 Jahre oder ein langes
Menschenleben, und ein hundertjähriger Kalender tut daselbst 8300 Jahre
lang gut. Wegen der großen Entfernung ist daselbst die Wirkung der Sonne
361-mal schwächer als bei uns. Dagegen wird er von sechs, und vielleicht
noch mehrern Monden erleuchtet, die um ihn herum aufgehn und untergehn,
jeder zu seiner Stunde, und muß der Kalendermacher allda ein ganzer Mann
sein, und ein recht Stück Arbeit haben, bis er fertig ist, wenn er für
jeden Tag des langen Jahres jedes Mondes Aufgang und Untergang, und ihre
Brüche ausrechnen und anzeigen soll.
Das sind nun die Planetsterne,
welche man bis jetzt kennt und entdeckt hat, nach ihrer Reihe, Maßen und
Zeiten. Weil man aber so eine Zahl von ein paar hundert Millionen Meilen
leicht wegliest, und nicht daran denkt, wieviel sie ausweist, so merke:
Wenn auf der Sonne ein Artillerist vom 2. Bataillon in diesem Augenblick
eine Kanone anbrennte, die Kugel flöge in ihrer bekannten
Geschwindigkeit, Tag und Nacht, Sonntag und Werketag in gerader Linie
immer fort und fort, so käme sie doch in dem Merkur erst ungefähr nach
10 Jahren; in der Venus nach 18, auf der Erde, wie oben gesagt, nach
25, auf dem Mars nach 38, auf dem Jupiter, nach 130 Jahren an. Bis zu
dem Saturnus aber hätte sie zu fliegen 238, und zu dem Uranus 479 Jahre.
So weit sind diese 11 Sterne
einer nach dem ändern von der Sonne entfernt, diegleichsam ihre
Mutter und Säugamme ist; und sie verbreitet
doch rings um sich bis zu dem letzten, so viel Licht und
Wärme und Segen als jedem nötig ist, und der unsichtbare
Gott, der sie erschaffen hat, ist mit seiner Allmacht und Güte
überall zugegen, und sättiget und erfreut alles, was da lebet,
mit Wohlgefallen.
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