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Der Komet von 1811     (1813)

Ohne Zweifel wird der geneigte Leser manchmal auch noch an den schönen Kometstern denken, der im Spätjahr 1811 den Himmel geziert hat, und es gern sehen, daß ihn der Hausfreund noch einmal will aufgehen lassen im Kalender.

Hat er nicht alle Nacht ausgesehen, wie ein heiliger Abend ­segen, oder wie ein Priester, wenn er in der Kirche herum ­geht und das Weihwasser aussprengt, oder zu sagen, wie ein vornehmer guter Freund der Erde, der eine Sehnsucht nach ihr hat, als wenn er hätte sagen wollen: „Ich bin auch einmal eine Erde gewesen, wie du, voll Schneegestöber und Gewitterwolken, voll Spitäler, und Rumfordischer Suppenanstalten und Kirchhöfe. Aber mein jüngster Tag ist vorüber und hat mich verklärt in himmlische Klarheit, und ich käme gern zu dir herunter, aber ich darf nicht, daß ich nicht wieder unrein werde an dem Blut deiner Schlachtfelder." Er hat nicht sogesagt, aber es schien so, denn er kam immer schöner und heller, je näher, immer freundlicher und fröhlicher, und als er sich entfernte, ward er wieder blaß und trübsinnig, als ob es ihm selber zu Herzen ginge.

Fragt sich nun, was hat der Komet bedeutet und was hat er auszuweisen gehabt? Antwort: Nichts als Gottes Allmacht, des Sternsehers Witz, einen reichen Herbst und einen langen schönen Nachsommer.

Schon am 26. März hat ihn ein französischer Sternseher in Vivieres in Frankreich entdeckt, als ein kleines fremdes Sternlein, noch in einer entsetzlichen Ferne, und gesagt: Es steht ein Komet am Himmel. Denn die Franzosen finden's gleich, wenn etwas ist. Seit dieser Zeit kam er aus der Ferne heraus immer näher gegen die Sonne und gegen die Erde. Ungefähr in der Mitte des Septembers ging er auf seinem Lauf am nächsten bei der Sonne vorüber, ungefähr in der Mitte des Oktobers war er am nächsten bei der Erde. Aber er war etwas weiter noch von der Erde entfernt, als die Erde selber von der Sonne ist.

War er aber 20 Wochen früher eingetroffen, so wäre er uns bis auf 8 Millionen Meilen nahe gekommen, und sein Licht hätte noch um zehenmal heller geschienen. Vom 16. Oktober aber entfernte er sich wieder und zwar im November täglich um 360 000 Meilen, im Dezember aber schon um 500 000 Meilen.

Ein geschwindes Gefährt, und wahrscheinlich doch kein leichtes. Man kann nicht recht sagen, wie groß die Kometen sind, weil ihr Körper in ihrem Lichtschein eingehüllt und verborgen ist. Nach der Ausrechnung eines Sternsehers in Dorpat wäre dieser 25 000 mal größer als die Erde, 1 448 000 mal größer als der Mond, und nur etwas über 57 mal kleiner als die Sonne, und sein schöner strahlender Schweif, der doch auch mitmußte, hatte im September eine Länge von einer halben Million Meilen. Aber bei dieser Größe ist er doch selbst den Sternkundigen im Februar 1812 verlorengegangen, und der ihn erschaffen hat, weiß, wenn er wiederkommt. Wenn man demselben Sternseher glauben will, der ihn in Vivieres zuerst gesehen hat, so ist es der nämliche Wunderstern, der im Jahr 1301 gestanden ist, weil beide einerlei Lauf hatten, und käme also ungefähr nach 510 Jahren wieder. Nach einer andern Berechnung aber braucht er wenigstens 3000 Jahre dazu. Aus diesem Unterschied aber ist zu schließen, daß man so eigentlich nicht sagen kann, wann er wiederkommt.

Aber jetzt weiß der geneigte Leser doch noch nicht, was der Komet ist. Antwort: der Sternseher weiß es für ganz gewiß auch nicht. Was man an diesem teils nun herausgebracht, teils bestätigt gefunden hat, ist soviel, als folgt:

Erstlich: der Komet wird nicht allermaßen wie die Erde von der Sonne erleuchtet, sondern er hat in sich selber sein eigenes Licht. Dies ist auf folgende Art an den Tag gekommen. Wenn er von der Sonne erleuchtet wird, sagten die Sternforscher schon im August vorher, so muß er in der ersten Hälfte des Oktobers schon wieder an Helligkeit abnehmen, obgleich er gegen uns näher kommt, weil er sich weiter von der Sonne entfernt. Wenn er aber sein eigenes Licht in sich selber hat, so muß er noch in der ersten Hälfte des Oktobers an Helligkeit zunehmen, weil er näher zur Erde kommt, obgleich er sich weiter von der Sonne entfernt. Nun hat er sich aber im Oktober noch immer schöner und heller gezeigt und soll am 13. sein schönstes Licht gehabt haben.

Zweitens, der Stern hatte nie einen reinen abgeschnittenen Umriß, etwa wie der Mond, sondern er löste sich an seinem Rand gleichsam in Dunst und Nebel auf. Er hat auch nie glänzend gestrahlt. Ja man will am 18. Oktober zwei gemeine Sterne, durch ihn hindurch gesehen haben, und daraus war zu erkennen, er ist nicht wie die Erde, ein fester und undurchsichtiger Körper, sondern er besteht aus einer lockern, wässerigen oder dünstigen und fast durchsichtigen leuchtenden Masse.

Drittens: durch seinen Schweif sah man noch deutlicher als durch ihn selbst andere Sterne hindurchschimmern, so daß er zu vergleichen war einem himmlischen Pfau, der statt der farbigen Augen Sterne auf den Federn hat. Aber es war kein eigentlicher Schweif, denn er fügte sich nicht hinten an ihn an, sonder es lag wie ein wallender Schleier um ihn herum, und wehte hinter ihm in die Nacht hinaus, bald heller, bald blasser, einmal etwas länger, dann wieder auf einmal kürzer, gewöhnlich mit zwei Enden aber auch mit drei und mit fünfen, und es ist nicht zu zweifeln, daß es etwas von der Masse des Kometen selbst war, und in Lichtdunst aufgelöst unaufhörlich von ihm hinwegströmte, und es wollten Leute glauben, die Erde habe auch etwas davon bekommen, und schreiben dem Kometen den reichen Herbst und den schönen langen Nachsommer zu. Wer kann sich noch an so ein Jahr erinnern, wie das vergangene 1811 wo so viel Ungewöhnliches sich ereignet hat?

Mit Blüten war der März geschmückt,
Mit Blüten der Oktober.

Als nach der Weinlese der Hausfreund und der Adjunkt an einem lauen Herbstabend nach Hause gingen, jedem Schritt begegnete eine Weinfuhr, bald eine vierräderige, bald eine zweibeinige, aus allen Wirtshäusern heraus sang schon der Neue in lustigen Melodien, und der Adjunkt sang auch. Auf einmal ward er still und sagt: „Hausfreund, wißt Ihr wie mir jetzt die ganze Erde vorkommt?" Der Hausfreund fragte: „Wie kommt sie Euch vor?" „Wie ein lustiges Wirtshäuslein, wo alles vollauf ist. Der Komet ist der ausgesteckte Strauß, und unser lieber Herr Gott wirtet." Der Hausfreund meinte, man müsse keinen solchen Spaß machen, aber der Adjunkt sagte: „Ich mache keinen Spaß, es ist mein Ernst."

Item es kamen im Oktober die Frühlingsblumen wieder. An manchen Orten blühten die Bäume, ja die Reben, und setzten zum zweitenmal Früchte an, so daß der Frühling, der Sommer und der Herbst zu gleicher Zeit und nebeneinander feilhatten. Fremde Vögel aus warmen Ländern ließen sich sehen. Ja was will der geneigte Leser weiter? Zu Türkheim im Elsaß, man darf den Ort nennen, ereignete sich den 16. Oktober ein Wolkenbruch und es regnete Kirschenwasser.

 
 
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Zu diesem Kometen siehe auch hier:
http://de.wikipedia.org/wiki/Komet_Flaugergues


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