Der verwegene Hofnarr
(1812)
Der König hatte ein Pferd, das war ihm so lieb,
daß er sagte: „Ich weiß nicht, was ich tue, wenn das Pferd mir stirbt.
Aber den, der mir von seinem Tod die erste Nachricht bringt, den laß ich
auch gewiß aufhenken." Item, das Rößlein starb doch, und niemand wollte
dem König die erste Nachricht davon bringen. Endlich kam der Hofnarr.
„Ach, gnädigster Herr", rief er aus, „Ihr Pferd! Ach das arme, arme
Pferd! Gestern war es noch so" - da stotterte er, und der erschrockene
König fiel ihm ins Wort und sagte: „Ist es gestorben? Ganz gewiß ist es
gestorben, ich merk's schon." „Ach gnädigster Herr", fuhr der Hofnarr
mit noch größerm Lamento fort, „das ist noch lange nicht das
Schlimmste." „Nun was denn?" fragte der König. - „Ach daß Sie jetzt noch
sich selber müssen henken lassen. Denn Sie haben's zuerst gesagt, daß
Ihr Leibpferd tot sei. Ich hab's nicht gesagt." Der König aber betrübt
über den Verlust seines Pferdes, aufgebracht über die Frechheit des
Hofnarren, und doch belustiget durch seinen guten Einfall, gab ihm
augenblicklich den Abschied, mit einem guten Reisegeld. „Da Hofnarr",
sagte der König, „da hast du 100 Dukaten. Laß dich, statt meiner dafür
henken, wo du willst. Aber laß mich nichts mehr von dir sehen und hören.
Sonst wenn ich erfahre, daß du dich nicht hast henken lassen, so tu
ich's."
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