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Verloren oder gefunden      (1815)

An einem schönen Sommerabend fuhr der Herr Vogt von Trudenbach in seinem Kaleschlein noch spät vom Brassenheimer Fruchtmarkt zurück, und das Rößlein hatte zwei zu ziehen, nämlich den Herrn Vogt und seinen Rausch. Unterwegs am Straßwirtshaus schauten noch ein paar lustige Köpfe zum Fenster heraus, ob der Herr Vogt nicht noch ein wenig einkehren, und eines Bescheid tun wolle; die Nacht sei mondhell. Der Herr Vogt scheute sich weniger vor dem Bescheid als vor dem Ab- und Aufsteigen in das Kaleschlein, maßen es ihm schon am Morgen schwer wird, aber am Abend fast unmöglich. Der Herr Theodor meinte zwar: „Wir wollen das Kaleschlein auf die Seite umlegen, und ihn abladen", aber kürzer war es doch, man ging mit der Flasche zu ihm hinaus. Aus einer Flasche wurden vier und die Redensarten manquierten ihm immer mehr, bis ihm der Schlaf die Zunge und die letzte Besinnung band. Als er aber eingeschlafen war, führten die lustigen Köpfe das Rößlein in den Stall und ließen ihn auf der Straße sitzen. Früh aber als ihn vor dem Fenster des Wirts die Wachtel weckte, kam er sich kurios vor, und wußte lange nicht, wo er sei und wo er sich befinde. Denn nachdem er sich eine Zeitlang umgesehen und die Augen ausgerieben hatte, sagte er endlich: „Jetzt kommt alles darauf an, ob ich der Vogt von Trudenbach bin, oder nicht. Denn bin ich's, so hab ich ein Rößlein verloren, bin ich's aber nicht, so hab ich ein Kaleschlein gefunden."

 
 
 


                    




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