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Einer Schildwache lächerlicher Irrtum    (1815)
 
Bekanntlich sagt man, daß ein Stern schieße, wenn keiner schießt, sondern was man meint, und was so aussieht, sind nur Dünste, die sich nicht sehr weit über uns in der irdischen Luft entzünden und wieder verlöschen. Die Sterne aber sind viele Millionen Meilen weit von uns entfernt. Jeder beobachtet seinen richtigen Lauf, und hält auf die Minute ein, denn sie stehen unter einer scharfen Aufsicht. Was braucht man seinem verständigen Leser so etwas noch lange zu sagen? Ein gewisser Soldat aber auf der Schildwache muß die Betrachtung über das Weltgebäude im Kalender nie gelesen haben. Auf und ab, und ab und auf in der Mitternacht machte er bald zum Zeitvertreib Additionsexempel, zählend die Ermunterungshiebe, die er bei verschiedenen schicklichen Gelegenheiten schon eingetan hatte, bald verfertigte er in Gedanken ein Brieflein an die Herzallerliebste sein: „Zito, Zito, durch das Land." Bald betrachtete er zur Abwechslung die benachbarten Häuser und die Türme im Mondschein des letzten Viertels unter andern auch den Sternturm, auf welchem die Sternseher sich aufhalten, und achthaben, was bei Nacht am Himmel geschieht, damit sie's wissen. Auf einmal streckt einer von den Sternsehern ein Fernrohr heraus, ein Perspektiv und schaut nach einem Sternlein hinaus. Der Soldat dachte: „Was will jetzt der da oben mit seinem Blasrohr?" Denn er sah das Perspektiv für ein Blasrohr an. Als er ihm eine Zeitlang unbeweglich zugeschaut hatte, dachte er: „Der zielt aber lang." Endlich schoß ein Stern, wie man's nennt. Da geriet der Soldat in Verwunderung und Staunen. „Heiden Gallee", sagte er überlaut, „der kann's." Nämlich er meinte, der Sternseher habe nach einem Sterne gezielt, und ihn vom Himmel heruntergeschossen, wie man einen Sperling vom Dach schießt. „Der hat sein Teil", sagte er, „der kommt nimmer." Also gibt es nicht nur Leute, die da meinen, daß die Sterne schießen, sondern einer hat sogar gemeint, daß sie können geschossen werden, von den Sternsehern.

 
 
 


                     




Das nach dem Faksimiledruck
von 1981 erstellte
Gesamtverzeichnis
der Kalenderbeiträge
1803-1826