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 Die Ruinen
 
(Entwurf)


Viele selber schon verschwunden, der Pflug über ihre Stätte. Nur Namen noch übrig und stille Geister. Viele noch vorhanden. Indische, Persepolis, griechische, römische in Italien, Frankreich, Spanien. Deutsche Denkmale alter Größe, Pracht, Eitelkeit, Barbarei.

Phantasiereiche Schilderung des ehemaligen Lebens in ihnen und ihrer Umgebungen. Entgegenstellung des jetzigen Zustandes.

Neues Leben hat sich in ihnen angesiedelt (Der Wanderer von Goethe). Vegetation, Tiere, Menschenwohnung.

Wechsel der Dinge. Was hat diese Ruine schon gesehen? Kurze Musterung der Geschichte. Römerzeit — Alemannen, Franken, Zug ins heilige Land. Religionskrieg — 30 jähriger. Neuere und neuster. Schnee und Regen, Frühlinge und Herbste, Monde und Kometen gingen über sie. Welcher Zukunft wird sie noch Zeuge ? Ausblicke in ein neues schöners Zeitalter? oder Es wird immer so fortdauern. Krieg und Frieden, wo Nationen sich ablösen. Andere Ruinen wieder zu diesen sich gesellen, und sie ersetzen, Kirchen, Kriegsburgen.

Ewiger Wechsel im Menschenwerk. Altern und Werden.

Die Natur ist ewig jung, immer änderst und immer die nämliche.

Ein göttlicher Gedanke zieht und entwickelt sich durch das Ganze fortwirkend zu einem großen unbekannten Ziel.

Nur Sinnbilder von ihm sind die tausend und tausend Gestalten, die erscheinen und fliehn.

Auch die Erde wird einst Ruine sein unter den Sternen. Der Mond ist's vielleicht schon.

 




Entwurf, von Rudolf Sillib erstmals in Jahrgang 5/6 der Zeitschrift „Badische Heimat" veröffentlicht, befindet sich im Originalmanuskript in der Universitätsbibliothek Heidelberg. Dieses trägt das Datum November 1811 und befasst sich mit einem Lieblingsthema Hebels, der Vergänglichkeit. Jedenfalls war die Skizze, die einen lehrreichen Einblick in Hebels schriftstellerische Werkstatt gestattet, in weiterer Ausführung für den Rheinländischen Hausfreund gedacht. Die im Texte angedeutete „kurze Musterung der Geschichte" hat der Verfasser bekanntlich später in der „berühmten Schlacht der Markomannen" (1815) sowie in der fortgesetzten Erklärung der Zeittafel" (1814) seinen Lesern vermittelt. Andere Gedanken kehren im „Spaziergang am See" wieder.
Vgl. außerdem den Aphorismus in Hebels „Behältnis für meine flüchtigen Gedanken, Einfälle, Mutmaßungen": Die Ruinen in Asien, Ägypten, Griechenland, Italien und überall sind die Eselsohren im großen Buch der Geschichte. Überall bezeichnen sie die merkwürdigsten Stellen in demselben.


in: W. Zentner, J. P. Hebel, Erzählungen und Aufsätze des Rheinl. Hausfreunds,
Gesamtausgabe 2. Band; Karlsruhe 1968
 
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