Glück und Unglück
(1808)
Auf eine so
sonderbare Weise ist Glück im Unglück, und Unglück im Glück noch selten
beisammen gewesen, wie in dem Schicksal zweier Matrosen in dem letzten Seekrieg
zwischen den Russen und Türken. Denn in einer Seeschlacht, als es sehr hitzig
zuging, die Kugeln sausten, die Bretter und Mastbäume krachten, die Feuerbrände
flogen, da und dort brach auf einem Schiff die Flamme aus und konnte nicht
gelöscht werden. Es muß schrecklich sein, wenn man keine andere Wahl hat, als
dem Tod ins Wasser entgegenzuspringen, oder im Feuer zu verbrennen. Aber unsern
zwei russischen Matrosen wurde diese Wahl erspart. Ihr Schiff fing Feuer in der
Pulverkammer, und flog mit entsetzlichem Krachen in die Luft. Beide Matrosen
wurden mit in die Höhe geschleudert, wirbelten unter sich und über sich in der
Luft herum, fielen nahe hinter der feindlichen Flotte wieder ins Meer hinab, und
waren noch lebendig und unbeschädigt, und das war ein Glück. Allein die Türken
fuhren jetzt wie die Drachen auf sie heraus, zogen sie wie nasse Mäuse aus dem
Wasser, und brachten sie in ein Schiff; und weil es Feinde waren, so war der
Willkomm kurz. Man fragte sie nicht lange, ob sie vor ihrer Abreise von der
russischen Flotte schon zu Mittag gegessen hätten oder nicht, sondern man legte
sie in den untersten feuchten und dunkeln Teil des Schiffes an Ketten, und das
war kein Glück. Unterdessen sausten die Kugeln fort, die Bretter und Mastbäurne
krachten, die Feuerbrände flogen, und paff sprang auch das türkische Schiff, auf
welchem die Gefangenen waren, in tausend Trümmern in die Luft. Die Matrosen
flogen mit, kamen wieder neben der russischen Flotte ins Wasser herab, wurden
eilig von ihren Freunden hereingezogen, und waren noch lebendig, und das war ein
großes Glück. Allein für diese wiedererhaltene Freiheit und für das zum
zweitenmal gerettete Leben, mußten diese guten Leute doch ein teures Opfer
geben, nämlich die Beine. Diese Glieder wurden ihnen beim Losschnellen von den
Ketten, als das türkische Schiff auffuhr, teils gebrochen, teils jämmerlich
zerrissen, und mußten ihnen, sobald die Schlacht vorbei war, unter dem Knie weg
abgenommen werden, und das war wieder ein großes Unglück. Doch hielten beide die
Operation aus, und lebten in diesem Zustande noch einige Jahre. Endlich starb
doch einer nach dem andern, und das war nach allem, was vorhergegangen war,
nicht das Schlimmste.
Diese Geschichte hat ein glaubwürdiger Mann bekanntgemacht, welcher beide
Matrosen ohne Beine selber gesehen, und die Erzählung davon aus ihrem eigenen
Munde gehört hat. |