Brassenheimer Siegesnachrichten vom Jahr
1813 (1815)
Im Spätjahr 1813 erfuhren wir Brassenheimer von dem
Krieg in Sachsen auch lange nichts anders als lauter Liebes und Gutes,
wer nämlich französisch gesinnt war, und niemand hatte bei Turmstrafe
das Herz, etwas anderes zu wissen, noch viel weniger zu sagen,
ausgenommen ein lustiger Kumpan, der Spielmann in der untern Gasse hat's
gemerkt. Was tut der Spielmann? Er geht ins Amthaus. „Herr Amtmann die
Hochzeiten und Kirchweihtänze wollen heuer gar nicht recht geraten. Wolltet Ihr mir und meinen Kameraden nicht
erlauben, dann und wann an einem Sonntag abends im roten Löwen eine
Komödie zu spielen, für ein Geringes?" Der Amtmann erwiderte:
„Reichenauer das lob ich an Euch, daß Ihr Euch lieber auf eine
geziemliche Art forthelfen und Euern Mitbürgern einen lustigen Abend
dafür machen wollt, als daß Ihr wieder Schulden macht, oder stehlt."
Also kündeten sie auf den nächsten Sonntag eine nagelneue Komödie an. Es
sei die neueste, sagten sie, die es gibt. In derselben Komödie mußte
einer mitspielen, der hieß Franz, und hatte eine Frau mit Namen
Viktoria, ein gar stattliches handfestes Weibsbild. Im Verlauf der
Komödie mußte es sich schicken, daß der Franz mit einem fremden Mann
Verdruß bekam. Der Zank gebar Schimpf, der Schimpf gebar Schläge, und
wer die meisten bekam, war nicht der fremde Mann, sondern der Franz,
also daß er zuletzt seine Frau zu Hülfe rief. Weil sie aber Viktoria
hieß, konnte er nicht Apollonia oder Kunigunda rufen, und also fügete
es sich, daß je mehr er Schläge bekam, und je besser sie aufsaßen, desto
lauter rief er: „Viktoria! Viktoria!" Daran haben wir Brassenheimer, was
verständige Leute unter uns sind, zum erstenmal gemerkt, wie es damals
in Sachsen stehen mochte, und was es zu bedeuten hatte, wenn man schrie:
„Viktoria! Viktoria!" Der Herr Amtmann hat zum Glück nichts gemerkt.
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