Des Adjunkts Standrede über das neue Maß
und Gewicht
(1812)
Als der
Hausfreund dazukam, im Rößlein zu Mühlburg, stand der Adjunkt auf einem
Stuhl, und hielt eine Rede über das neue Maß und Gewicht, welches in dem
Lande soll eingeführt werden.
„Ich meines Orts", fuhr der Adjunkt fort, „habe gegen alles nichts, nur
die neue Weinmaß ist mir etwas zu klein ausgefallen. Zwar bin ich kein
Kind, das erst heute auf die Welt kommt, und meint, wo die Maß am
größten ist, da kann man für sein Geld am meisten trinken. Denn je
größer die Maß, desto teurer. Je kleiner die Maß, desto wohlfeiler, und
ein Rausch, wer Freude daran hat, ich nicht, kostet das nämliche Geld,
nach wie vor. In Segringen auf meiner Flucht, fand ich die Maß noch
kleiner, in Bagdad am Flusse Tigris in der Türkei am kleinsten. Aber die
Sache ist die: Eine halbe Maß war bisher für meinen Durst, wie
abgemessen und gericht. Jetzt ist mir eine halbe Maß zuwenig und eine
ganze zuviel, und den Schoppen bin ich von jeher feind gewesen. Aber wer
in der Welt will leben, muß sich nach den Umständen richten, und das
gutheißen, was allgemeinen Nutzen bringt. Das neue Gewicht und Maß
bringt allgemeinen Nutzen. Denn
Erstlich, so war's bisher in jeder Herrschaft, in jedem Städtlein
anders, andre Ellen, andre Schoppen, andre Simri oder Sester, anderes
Gewicht. Jetzt wird alles gleich von Überlingen oder Konstanz an, am
großen See, bis nach Lörrach im Wiesenkreis und von da durch das ganze
Land hinab bis nach Wertheim im Frankenland. Niemand kann mehr
irregeführt werden, wie bisher, wenn er an einen fremden Ort kommt und
fragt: „Wie teuer die Elle Tuch, oder der Vierling Käs?" Der Wirt sagt:
„So und so viel." Wenn er nun meint, hier sei der Käs wohlfeil, und
sagt: „Wißt Ihr was? bringt mir lieber ein halbes Pfund", so bekommt er
leichteres Gewicht, und der Käs ist teurer als daheim. Das geht in
Zukunft nicht mehr an. Ja es kann alsdann jeder Händler durch das ganze
Land seine Elle und seinen Pfundstein selber mit sich führen, ist er in
Überlingen probat, so ist er's auch in Wertheim. Ja man hat an einem
fremden Ort gar nicht mehr nötig zu fragen: „Wem gehört dieses Dorf?"
sondern nur: „Was hat man hier für Maß und Gewicht?" Sagt nun der Krämer
oder der Wirt: „Badisches Maß und Gewicht"; so merkt man gleich, daß man
noch im Badischen ist; sagt er: „Württembergisches", so ist man nimmer
in Baden.
Zweitens so hatte man bisher sogar am nämlichen Ort, in der nämlichen
Mühle, im nämlichen Wirtshaus, im nämlichen Kaufladen für verschiedene
Sachen verschiedenerlei Maß und zwar herkömmlich, nicht
ungerechterweise; ein anderes Maß für Bier, ein anderes für Öl, ein
anderes für Branntewein, ein anderer Sester für glatte Frucht, ein
anderer für rauhe, und es ist ein Glück, daß man nicht auch
verschiedenerlei Geld haben mußte zum Zahlen, eine andere Gattung
Kreuzer für den Schnupftabak, eine andere für den Rauchtabak, eine
andere fürs Dintenpulver. In Zukunft gibt's nur einerlei Sester,
einerlei Maß, einerlei Pfund für das Hirschunschlicht und für das
Schweinenschmalz von Dan bis nach Bersaba. Vorher bei so großer
Ungleichheit war's keine Kunst, einen einfältigen Menschen zu betrügen.
In Zukunft ist's eine Kunst, denn man kann alles mit dem nächsten besten
Maß wieder nachmessen, daheim oder beim Nachbar. Ja es ist nicht einmal
einerlei, ob das nämliche und richtige Fruchtmaß ein wenig weiter ist,
aber nicht so tief, oder ein wenig tiefer aber nicht so weit, wegen den
Schnitzen und andern Früchten die man gehäuft mißt. Das weite Maß war
profitabler beim Empfangen, das engere beim Geben. Aber wenn der arme
Mann und Schuldner in den Händen des reichen Wucherers war, mußte er
geben und nehmen wie dieser wollte. Künftig ist er nicht mehr in seinen
Händen, was das betrifft. Das Maß hat überall einerlei Weite und
einerlei Tiefe. Es ist schade, daß man den Wein nicht auch häufen kann
für das nämliche Geld. Es sparte dem Wirt manchen Gang und dem Gast
manchen Kreuzer. Aber das Hübsche hat doch die neue Einrichtung auch
noch, daß das Maß für trockene und für flüssige Sachen durchgehends
gleich ist. Ein Malter ist soviel als eine Ohm, ein Sester so viel als
eine Stütze, ein Meßlein worin man die Frucht mißt, soviel als eine Maß,
worein man den Wein gießt, und der 4. Teil eines Meßleins soviel als ein
Schoppen. Aber alle Fruchtmaße werden noch einmal so weit, als sie hoch
sind, und alle Maße für flüssige Sachen werden noch einmal so hoch als
sie weit sind. Dies ist der einzige Unterschied."
„Hausfreund", sagt der Adjunkt auf seinem Stuhl, und räuspert sich,
„reicht mir einen Schluck von Eurem Viertelsmeßlein Ellmendinger herauf.
Mein Mund ist von der Rede trocken, und Ihr zwingt's doch nicht ganz.
Denn es ist nicht das erste, das Ihr heute trinkt, auch nicht das
zweite."
„Drittens und endlich", fährt der Adjunkt fort, „so hat das neue Maß den
großen Vorteil, weil fast alles in zehen gleiche Teile geht; dies ist
aber die künftige Einrichtung der Maße und Gewichte:
Ein Zuber (dies ist das größte Fruchtmaß) hat ........ 10 Malter.
Ein Malter hat ........ 10 Simri oder Sester.
Ein Sester hat ........ 10 Meßlein.
Ein Meßlein hat ........ 10 Becher.
Item ein Fuder ist soviel als ein Zuber Fruchtmaß und hat .......
10 Ohm.
Eine Ohm (soviel als ein Malter) hat ....... 10 Stützen.
Eine Stütze (soviel als ein Sester) hat ....... 10 Maß.
Eine Maß, (soviel als ein Meßlein) hat ....... 10 Glas.
Item die Rute hat ........ 10 Schuh.
Der Schuh ........ 10 Zoll.
Der Zoll ......... 10 Linien.
100 Ruten ins Gevierte machen ein Viertel Feldmaß.
400 Ruten ins Gevierte sind ein Morgen oder Juchert;
denn der Juchert hat 4 Viertel.
Item eine Stunde Zeit bleibt wie sie war, aber eine Stunde Wegs wird
nach dem neuen Maß genau der neuntausendste Teil vom Umkreis der ganzen
Erdkugel sein. Vorher war's nur der zehntausendundachthundertste Teil.
Item die Elle wird genau soviel als 2 Schuh nach dem neuen Maß betragen.
Man kann sagen, soviel als ein Paar neue Schuhe. Die Elle hat auch 10
Teile, und 1/2 Zehntel ist dann just 1 Zoll.
Item das Klafter hat 6 Schuh, das Holzklafter 6 Schuh Länge, 6 Schuh
Breite nach dem neuen Maß. Das Scheit Holz bekommt zu seiner Zeit die
Länge von 4 Schuh.
Item der Zentner hat überall 100 Pfund, nicht mehr wie bisher an einigen
Orten 104, an andern 108.
Das Pfund hat .......... 10 Zehnling.
Der Zehnling hat ......... 10 Zentaß.
Das Zentaß hat .......... 10 Pfenninge.
Der Pfenning hat .......... 10 Aß.
Aber kürzer ist's so:
Der Zentner hat .......... 100 Pfund.
Das Pfund .......... 100 Zentaß.
Das Zentaß .......... 100 Aß.
Dabei wird freilich ein Maß etwas größer, ein anderes etwas kleiner
werden, wie es sich am besten schickt, und man wird's bald gewohnt sein.
Aber merke: deswegen wird ein neuer Rock, ein Stück Feld, ein Häuptlein
Vieh nicht mehr und nicht weniger wert als vorher, weil nach dem größern
oder kleinern Maß auch der Preis desselben steigt oder fällt; und der
Weg von Mühlburg nach Basel, wird nicht länger oder kürzer, ob er nach
großen oder kleinen Stunden gemessen wird.
Der große Vorteil aber, der durch die neue Einteilung der Maße gewonnen
wird, zeigt sich im Rechnen, weil alles in 10 Teile geht, und keine
ungeraden Zahlen oder Brüche im Multiplizieren oder Dividieren zu
fürchten sind. Als nämlich noch keine Rechnungstafeln, kein Einmaleins,
kein Schulmeister und kein Herr Provisor im Land war, zählten unsere
Uraltem an den Fingern. Einmal 10, zweimal 10, dreimal 10; - bis auf
zehnmal zehn usw. Daher entstanden die Hauptzahlen 10, 20, 30 und bis
auf 100. Item 10 mal 100 ist tausend;
10 mal 1000 ist 10 000 und so weiter. Demnach so ist diese Rechnungsart
die natürlichste und ist dem Menschen schon im Mutterleib mit seinen
Fingern angewachsen und angeboren und unsere Alten haben's wohl
verstanden mit ihren 3 alten Zahlen, als da sind I und V und X. Solches
kommt auch von den Fingern her.
Aber zur Abwechslung und damit ihr mir nicht einschlaft", sagt der
Adjunkt, „will ich euch jetzt ein Rätsel geben. Hernach wollen wir
Exempel rechnen.
Ein armer Mann in meinem Land
Hat zehen Finger an einer Hand,
Fünf und zwanzig an Füßen und Händen.
Wer kann mein Rätsel legen oder wenden?
Herr Wirt", fährt der Adjunkt fort, „leihet mir jetzt Eure Kreide, aber
nicht die doppelte, die Wand könnt Ihr wieder abwischen.
16 Fuder wieviel Ohm? Setz eine Null dran! Sind 160 Ohm. Wieviel
Stützen? setzt noch eine Null dran! Sind 1600. Wieviel Maß? Setz noch
eine Null dran! Sind 16 000.
Item 16 Fuder, 9 Ohm, 7 Stützen, 8 Maß, wieviel Maß zusammen? Setz nur
die Zahlen aneinander, Fazit: 16978 Maß. Denn 16 Fuder sind 160 Ohm und
9 dazu sind 169 nach Adam Riesens Rechenbuch, und so weiter.
Aber 16 Fuder 8 Maß, wieviel Maß zusammen? Sprich 16 Fuder, Null Ohm,
Null Stütze 8 Maß tut 16008. Allemal wo etwas fehlt, setz eine Null.
Aber wie die Einteilung nicht von zehn zu zehn, sondern von hundert zu
hundert geht, nämlich bei den Gewichten, da muß man zwei Nullen setzen,
wenn etwas fehlt.
25 Zentner wieviel Pfund? Fazit: 2500. Wieviel Zentaß? Fazit: 250 000. -
25 Zentner und 56 Zentaß, wieviel Zentaß zusammen? Antwort: 250056.
Item 48 273 Maß, wieviel Fuder? Schreibe über die letzte Zahl 3, das
Zeichen Maß, über die nächste 7, setze Stützen, über die nächste 2,
setze Ohm, über die nächste 8 setze Fuder; Fazit: 48 Fuder 2 Ohm 7 St. 3
M.
Item die Maß Klingenberger kostet in Oppenau im Engel, ich will sagen,
48 Kreuzer. Was kostet die Stütze? Antwort 10mal soviel, tut 480 kr.
oder 8 Gulden; was die Ohm? Antw. 80 Gulden, und das Fuder 800,
ungefragt.
Item, im Addieren und Subtrahieren geht's ganz wie bei unbenannten
Zahlen. 8 Maß und
7 Maß tun 15 Maß, oder 1 Stütze 5 Maß usw.
So groß sind die Vorteile der neuen Einrichtung, heißt das im Rechnen,
und unsre Kinder, ich will jetzt auch bald weiben", sagt der Adjunkt,
„unsere Schulkinder werden's erkennen. Auch sind wir nicht die einzigen
und nicht die ersten. Ist nicht in Frankreich das zehnteilige Maß und
Gewicht, von einem Meer bis zum andern schon lange im Werk in allen
Rechnungen, und wer in Zukunft über den Rhein hinüber einen Verkehr hat
nach Hüningen, nach Colmar oder Straßburg, nach Speier, Worms oder
Mainz, oder wer auf seinem Handwerk in die Fremde geht bis nach
Burgliber hinein, oder Plobsheim, oder Hagenbach, oder Ockersheim oder
gar nach Paris und hat etwas mit ihnen abzurechnen, der wird bald mit
ihnen zurechtkommen. Einem Württemberger oder Bayer wird's nicht so gut.
Noch eins: es wird im ganzen Lande auch nur eine Manier sein, die
Frucht- und Weinmaße zu eichen, zu sinnen, zu fechten. Bisher machte es
der eine so, der andere anders, und das verursachte viel Unterschied und
Gunst."
Als aber der Adjunkt vom Stuhl herabgestiegen war, denn er sagte, jetzt
sei's Zeit nach Karlsruhe in die Komödie, denn er lebe wie der Vogel im
Hanfsamen, fragte ihn der Wirt: „Aber Herr Adjunkt, wenn mir nun ein
Gast kommt, gesetzterweis und will eine Halbe oder einen Schoppen, und
ich habe keinen, sondern nur eine Maß und zehen Gläser. Wie dann?" -
„Schafft Euch einen an", sagte der Adjunkt, „es wird's Euch niemand
wehren. Fünf Glas sind eine halbe Maß, zwei und ein halbes Glas sind 1
Schoppen, die Hälfte davon ist ein halber Schoppen. Diese Einteilung
könnt Ihr und Eure Gäste untereinander forthalten, solange ihr wollt,
aber nach der neuen Maß, nicht nach der alten." „Und mit Erlaubnis",
sagte der Hausknecht, „wenn einer einen halben Vierling Haber verlangt
für das Roß, und ich habe keinen." Der Adjunkt sagt: „Der Meister soll
Euch einen anschaffen. Hat vorher das Simri 16 Meßlein gehalten, und der
Vierling 4, so haltet jetzt das Simri 10 Meßlein und der Vierling 2 1/2.
Denn viermal 2 und ein halbes ist zehen. - Aber das Rößlein wird keine
große Sprünge mehr machen bei dem halben Vierling. Denn das neue Simri
(oder Sester) ist kleiner als das alte, folglich auch der Vierling,
folglich auch der halbe. Man muß also etwas zulegen. Sonst wenn der Herr
einmal reiten will, der die neuen Maße eingerichtet hat, nach Dattingen
oder nach Zunzingen, so tut ihm das Rößlein einen Schabernack an, und
läßt's ihn entgelten.
Also kann auch der Krämer für den Käs, für den Schnupftabak, für den
Koriander, für Zucker und Kaffee, item für alles kann er in seinem Laden
Vierling und Lotgewicht behalten, solang er will, aber nach dem neuen
Pfund, nicht nach dem alten. Hat er 32 Lot verkauft, so hat er 100
Zentaß verkauft. Solches ist einerlei."
„Herr Adjunkt", sagte zuletzt der Chirurgus, „seid so gut, und erklärt
uns jetzt auch noch das Rätsel von Eurem Landmann! Wir haben an unserm
Tisch immer dran studiert, allweil Ihr gepredigt habt. Wir bringen's
nicht heraus." - „Ihr dürft nur die Worte recht absetzen", sagt der
Adjunkt:
„Ein armer Mann in meinem Land
Hat zehen Finger (Komma)
an einer Hand Fünf (Komma)
und zwanzig an Füßen und Händen. (Punktum).
Habt ihr nicht auch zehen Finger, an einer Hand fünf, und zwanzig an
Füßen und Händen? Es gibt nichts zu operieren."
Da lächelte der Chirurgus und sagte: „Adjunkt Ihr seid ein
durchtriebener Kopf." |