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Hebel-Gedichte - hochdeutsche und englische Übersetzung
 

Noch eine Frage

Noch eine Frage

One more question

 

 

 


Und weisch denn selber au, du liebi Seel,
worum de dine zarte Chinde d'Freud
in so ne stachlig Bäumli *) ine henksch?
Wil's grüeni Blättli het im Winter, meinsch,
und spitzi Dörn, aß 's Büebli nit, wie 's will,
die schöne Sachen use höckle cha.
's wär nit gar übel gfehlt; doch weischs nit recht!
Denkwol, i sag ders, und i freu mi druf.

Lueg, liebi Seel, vom Menschelebe soll
der dornig Freudebaum en Abbild sy.
Nooch bi nenander wohne Leid und Freud,
und was der 's Lebe süeß und liebli macht,
und was no schöner in der Ferni schwebt,
de freusch di druf, doch in de Dörne hangts.

Was denksch derzue? Zum Erste sagi so:
Wenn Wermeth in di Freudebecher fließt
und wenn e scharfe Schmerz dur's Lebe zuckt,
verschrick nit drab, und stell di nit so fremd!
Di eigni Muetter selig, tröst sie Gott,
sie het ders Zeichen in der Chindheit ge.
Drum denk: "Es isch e Wienechtchindli-Baum,
nooch bi nenander wohne Freud und Leid."

Zum Zweite sagi das: Es wär nit gut,
wenns anderst wär. Was us de Dorne luegt,
sieht gar viel gattiger und schöner us,
und 's fürnehmst isch, me het au länger dra.
's wär iust, as wemme Zuckerbrod und Nuß,
und was am Bäumli schön und glitz'rig hangt,
uf eimol in e Suppeschüßle thät,
und stellti's umme: "Iß, so lang de magsch,
und näumis do isch!" Wärs nit Uhverstand?

Zum Dritte sagi: Wemmen in der Welt
will Freude hasche, Vorsicht ghört derzu;
sust lengt me bald in d'Aglen und in Dörn,
und zieht e Hand voll Stich und Schrunde z'ruck.
Denn d'Freud hangt in de Dorne. Denk mer dra,
und thue ne wenig gemach! Doch wenn de's hesch,
se loß ders schmecke! Gunn ders Gott der Her!

 

 

 


Und weißt du denn selbst auch, du liebe Seele,
warum du deinen zarten Kindern die Freude
in so ein stachliges Bäumchen hinein hängst?
Weil es grüne Blätter hat im Winter, meinst du,
und spitze Dornen, dass das Bübchen nicht, wie es will
die schönen Sachen heraus angeln kann.
Es wäre nicht gar übel gefehlt; doch weißt du es nicht richtig!
Denkwohl, ich sage es dir, und ich freue mich darauf.

Schau, liebe Seele, vom Menschenleben soll
der dornige Freudenbaum ein Abbild sein.
Nahe bei einander wohnen Leid und Freud,
und was dir das Leben süß und lieblich macht,
und was noch schöner in der Ferne schwebt,
du freust dich darauf, doch in den Dornen hängt es.

Was denkst du dazu? Zum Ersten sage ich so:
Wenn Wermut in deinen Freudenbecher fließt
und wenn ein scharfer Schmerz durch das Leben zuckt,
erschrick nicht davon, und stell dich nicht so fremd!
Deine eigene Mutter selig, tröste sie Gott,
sie hat dir das Zeichen in der Kindheit gegeben.
Darum denke: "Es ist ein Weihnachtskindlein-Baum,
nahe bei einander wohnen Freud und Leid."

Zum Zweiten sage ich das: Es wäre nicht gut,
wenn es anders wäre. Was aus den Dornen schaut,
sieht viel gefälliger und schöner aus,
und das Vornehmste ist, man hat auch länger daran.
Es wäre just, als wenn man Zuckerbrot und Nüsse,
und was am Bäumchen schön und glitzerig hängt,
auf einmal in eine Suppenschüssel täte,
und stellte es hin: "Iss, so lange du magst,
und etwas da ist!" Wäre es nicht Unverstand?

Zun Dritten sage ich: Wenn man in der Welt
will Freude einfangen, Vorsicht gehört dazu;
sonst greift man bald in die stechenden Spitzen und Dorne,
und zieht die Hand voller Stiche und Schrunden zurück.
Denn die Freude hängt in den Dornen. Denk mir daran,
und tue ein wenig gemächlich! Doch wenn du es hast,
so lass es dir schmecken! Gönne es dir Gott der Herr!

 
And do you know yourself too, dear soul,
why you hang your tender children joy
in such a prickly little tree *) ?
Because it has green leaves in winter, you mean,
and sharp thorns, so that the little boy cannot, as he wishes
can fish out the nice things.
It wouldn't have been a bad fault, but you don't really know!
Well, I'll tell you, and I'm looking forward to it.

Look, dear soul, from human life should
the thorny tree of joy be an image.
Sorrow and joy dwell close together,
and what makes life sweet and lovely for you,
and what floats even more beautifully in the distance,
you look forward to it, but it hangs in the thorns.

What do you think? Firstly, I say thus:
When absinthe flows into your cup of joy
and when a sharp pain twitches through life,
do not be frightened by it, and do not be so strange!
Blessed is your own mother, God comfort her,
she gave you the sign in childhood.
Therefore think: "It is a little Christmas tree,
joy and sorrow dwell close together."

Secondly, I say this: It would not be good
if it were otherwise. What looks out of the thorns
looks much more pleasing and beautiful,
and the most noble is, one also has longer.
It would be just like having Sugar bread and nuts,
and what hangs beautifully and glitteringly on the tree,
putting all at once into a bowl of soup,
and put it down: "Eat as long as you like,
and something is there!" Wouldn't that be foolishness?

Thirdly, I say: If you want  in the world
to capture joy, caution is part of it;
otherwise you will soon reach into the pricks and thorns
and withdraw your hand full of stings and bruises back.
For joy hangs in the thorns. Remember that,
and take it a little easy! But when you have it,
then savour it! May the Lord God grant it to you!
     

*) Stechpalme

 

      *) Holly tree
 
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Übersetzung in Hochdeutsch: Hansjürg Baumgartner

Übersetzung in Englisch: DeepL (free version)