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Hebel-Gedichte - hochdeutsche und englische Übersetzung
 

Der Morgen-Stern

Der Morgen-Stern

The Morning Star

 

 

 


Woher so früeih, wo ane scho,
Her Morge-Stern, enanderno
in diner glitzrige Himmels-Tracht,
in diner guldige Locke Pracht,
mit dinen Auge, chlor und blau
un sufer g'wäschen im Morge-Thau?

Hesch gmeint, de seist elleinig do?
Nei, weger nei, mer meihe scho!
Mer meihe scho ne halbi Stund;
früeih ufsto isch de Gliedere gsund,
es macht e frische frohe Muth,
und d'Suppe schmeckt eim no so gut.

's git Lüt, sie dose frili no,
si chönne schier nit uuse cho.
Der Mähder und der Morge-Stern
stöhn zitli uf, und wache gern,
und was me früeih um Vieri thut,
das chunnt eim z'Nacht um Nüni gut.

Und d'Vögeli sin au scho do,
si stimmen ihri Pfifli scho,
und uffem Baum und hinterm Hag
seit eis im andere gute Tag!
Und 's Turtel-Tübli ruukt un lacht,
und 's Betzit-Glöckli isch au verwacht.

"Se helfis Gott, und gebis Gott
e gute Tag, und bhütis Gott!
Mer beten um e christlig Herz,
es chunnt eim wohl in Freud und Schmerz;
wer christli lebt, het frohe Muth:
der lieb Gott stoht für alles gut."

Weisch, Jobbli, was der Morge-Stern
am Himmel sucht? Me seits nit gern!
Er wandlet imme Sternli no,
er cha schier gar nit vonnem lo.
Doch meint si Muetter, 's müeß nit sy,
und thut en wie ne Hüenli i.

Drum stoht er uf vor Tag, und goht
si'm Sternli no dur's Morgeroth;
er sucht, und 's wird em windeweh,
er möcht em gern e Schmützli ge,
er möcht em sagen: I bi der hold!
Es wär em über Geld und Gold.

Doch wenn er schier gar bynem wär,
verwacht si Muetter handumchehr,
und wenn si rüeft enanderno,
sen isch rni Bürstli niene do.
Druf flicht sie ihre Chranz ins Hoor,
und lueget hinter de Berge vor.

Und wenn der Stern si Muetter sieht,
se wird er todesbleich und flieht,
er rueft si'm Sternli: Bhütdi Gott!
es isch, as wenn er sterbe wott.
Iez, Morge-Stern, hesch hohi Zit,
di Mütterli isch nümme wit.

Dört chunnt si scho, was hani gseit,
in ihrer stille Herlichkeit.
Sie zündet ihri Strahlen a,
der Chilch-Thurn wärmt sie au scho dra,
und wo sie fallen in Berg und Thal,
se rüehrt si 's Leben überal.

Der Storch probiert si Schnabel scho,
"de chaschs perfekt, wie gester no!"
und d'Chemi rauchen au alsgmach;
hörsch 's Mühli-Rad am Erle-Bach,
und wie im dunkle Buche-Wald
mit schwere Streiche d'Holz-Ax fallt?

Was wandlet dört im Morge-Strahl
mit Tuch und Chorb dur's Matte-Thal?
's sin d' Meidli, iung und flink und froh,
sie bringe weger d'Suppe scho,
und 's Anne Meili vornen a,
es lacht mi scho vo witem a.

Wenn ich der Sunn ihr Büebli wär,
und 's Anne Meili chäm ung'fähr
im Morgeroth, ihm giengi no,
i müeßt vom Himmel abe cho,
und wenn au d'Muetter balge wott,
i chönnts nit lo, verzeihmers Gott!

 

 


Woher so früh, wohin schon,
Herr Morgenstern, geschwind
in deiner Himmels-Tracht,
in deiner goldenen Locken Pracht,
mit deinen Augen, klar und blau
und sauber gewaschen im Morgentau?

Hast du gemeint, du seiest alleine da?
Nein, wahrlich nein, wir mähen schon!
Wir mähen schon eine halbe Stunde;
früh aufstehen ist für die Glieder gesund,
es macht einen frischen frohen Mut,
und die Suppe schmeckt einem noch so gut.

es gibt Leute, die dösen freilich noch,
sie können schier nicht hinaus kommen,
Der Mäher und der Morgenstern
stehen zeitig auf, und wachen gern,
und was man früh um 4 Uhr tut,
das kommt einem zur Nacht um Neun Uhr gut.

Und die Kleinen Vögel sind auch schon da,
sie stimmen ihre Pfeifchen schon,
auf dem Baum und hinter der Hecke
sagt ein dem andern guten Tag!
Und das Turteltäubchen girrt und lacht,
und das Betzeit-Glöckchen ist auch verwacht.

"So helf uns Gott und geb uns Gott
einen guten Tag, und behüte uns Gott!
Wir beten um ein christliches Herz,
es kommt einem wohl in Freude und Schmerz;
wer christlich lebt, hat frohen Mut:
der liebe Gott steht für alles gut.!

Weißt du, Jakob, was der Morgenstern
am Himmel sucht? Man sagt es nicht gern!
Er wandelt einem Sternlein nach,
er kann schier gar nicht von ihm lassen.
Doch meint seine Mutter, es muss nicht sein,
und sperrt ihn wie ein Hühnchen ein.

Darum steht er auf vor Tag, und geht
seinem Sternlein nach durch das Morgenrot;
er sucht, und es wird ihm Wind und Weh,
er möchte ihm gern ein Küsschen geben,
er möchte ihm sagen: Ich bin die hold!
Es wäre ihm über Geld und Gold.

Doch wenn er schier gar bei ihm wäre,
erwacht seine Mutter unversehens,
und wenn sie ruft geschwinde,
dann ist mein Bürschchen nirgendwo.
Darauf flechtet sie einen Kranz ins Haar,
und schaut hinter den Bergen hervor.

Und wenn der Stern seine Mutter sieht,
so wird er totenbleich und flieht,
er ruft seinem Sternlein: Behüte dich Gott!
es ist, als wenn er sterben wollte.
Jetzt, Morgenstern, hast du hohe Zeit,
dein Mütterchen ist nicht mehr weit.

Dort kommt sie schon, was habe ich gesagt,
in ihrer stillen Herrlichkeit.
Sie zündet ihre Strahlen an,
der Kirchturm wärmt sich auch schon dran,
und wo sie fallen in Berg und Tal
da rührt sich das Leben überall.

Der Storch probiert seinen Schnabel schon,
"du kannst es perfekt, wie gestern noch!"
und die Kamine rauchen auch alsbald;
hörst du das Mühlenrad am Erlenbach,
und wie im dunklen Buchenwald
mit schweren Streichen die Holz-Axt fällt?

Was wandelt dort im Morgenstrahl
mit Tuch und Korb durch das Matten-Tal?
es sind die Mädchen, jung und flink und froh,
sie bringen wahrlich die Suppe schon,
und das Anne-Mariechen vorne dran,
es lacht mich schon von weitem an.

Wenn ich der Sonne ihr Bübchen wäre,
und das Anne-Mariechen käme ungefähr
im Morgenrot, ich ginge ihm nach,
ich müsste vom Himmel herunter kommen,
und wenn auch die Mutter zürnen wollte,
ich könnte es nicht lassen, verzeih mir es Gott!

 

 
Where from so early, where to already,
Lord Morning Star, swiftly
in your celestial costume,
in your golden curls of splendour,
with your eyes, clear and blue
and washed clean in the morning dew?

Did you think you were there alone?
No, truly no, we are already mowing!
We've been mowing for half an hour;
getting up early is good for the limbs,
it gives you fresh, cheerful courage,
and the soup still tastes so good.

There are people who are still dozing, of course,
they can hardly get out,
The mower and the Morning Star
get up early and like to wake up,
and what you do at four o'clock in the morning,
that comes good at nine o'clock at night.

And the little birds are already there,
they are already tuning their little whistles,
on the tree and behind the hedge
one says good day to the other!
And the lovebirds are chirping and laughing,
and the little prayer bell is also awake.

‘So help us God and give us God
a good day, and God keep us!
We pray for a Christian heart,
it comes to you in joy and pain;
those who live a Christian life, have joyful courage:
God stays good for everything!

Do you know, Jacob, what the Morning Star
is looking for in the sky? People don't like to say it!
He follows a little star,
He just can't get away from it.
But his mother thinks it doesn't have to be,
and locks him up like a chicken.

Therefore he rises before day, and goes
after his little star through the dawn;
he searches, and wind and woe come to him,
he would like to give him a small kiss,
he would like to say to him: I am the fair one!
It would be more to him than money and gold.

But when he is almost with him,
his mother wakes up unawares,
and when she calls out quickly,
then my little boy is nowhere.
Then she weaves a wreath in her hair,
and looks out from behind the mountains.

And when the star sees its mother
he turns deathly pale and flees,
He calls to his little star: God keep you!
It is as if he wanted to die.
Now, Morning Star, is your high time,
Your little mother is not far away.

There she comes already, what did I say?
in her silent glory.
She lights her rays,
the church tower is already warming itself,
and where they fall in mountain and valley
life is stirring everywhere.

The stork is already trying out its beak,
‘you can do it perfectly, just like yesterday!’
and the chimneys will soon be smoking too;
can you hear the mill wheel on the Erlenbach,
and how in the dark beech forest
the wood axe falls with heavy strokes?

What walks there in the morning light
with cloth and basket through the Matten valley?
it's the girls, young and nimble and happy,
they truly bring the soup already,
and the Anne-Mariechen in front,
she smiles at me from afar.

If I were the sun's little boy,
and Anne-Mariechen would come about
at dawn, I would go after him,
I would have to come down from heaven,
and even if my mother wanted to be angry,
I could not help it, God forgive me!

 
     
 
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Übersetzung in Hochdeutsch: Hansjürg Baumgartner

Übersetzung in Englisch: DeepL (free version)