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Hebel-Gedichte - hochdeutsche und englische Übersetzung
 

Das Liedlein
vom Kirschbaum

Das Liedlein
vom Kirschbaum

The little song
from the cherry tree

 

 

 


Der lieb Gott het zuem Früehlig gseit:
"Gang, deck im Würmli au si Tisch!"
Druf het der Chries-Baum Blätter treit,
vil tausig Blätter grün und frisch.

Und's Würmli us em Ei verwacht's,
's het gschlofen in si'm Winterhuus.
Es streckt si, und sperrt 's Müüli uf,
und ribt die blöden Augen us.

Und druf se hets mit stillem Zahn
am Blättli g'nagt enander no
und gseit: "Wie isch das Gmües so gut!
Me chunnt schier nimme weg dervo."

Und wieder het der lieb Gott gseit:
"Deck jez im Immli au si Tisch."
Druf het der Chriesbaum Blüethe treit,
viel tausig Blüethe wiiß und frisch.

Und 's Immli siehts und fliegt druf los,
früeih in der Sunne Morge-Schin.
Es denkt: "Das wird mi Caffe sy,
si hen doch chosper Porzelin.

Wie sufer sin die Chächeli gschwenkt!"
Es streckt si troche Züngli dri.
Es trinkt und seit: "Wie schmeckts so süeß,
do mueß der Zucker wohlfel sy."

Der lieb Gott het zuem Summer gseit:
"Gang, deck im Spätzli au si Tisch!"
Druf het der Chriesbaum Früchte treit,
viel tausig Chriesi rot und frisch.

Und 's Spätzli seit: "Isch das der B'richt?
Do sitzt me zu, und frogt nit lang.
Das git mer Chraft in Mark und Bei',
und stärkt mer d'Stimm zum neue Gsang."

Der lieb Gott het zum Spötlig gseit:
"Ruum ab, sie hen jez alli g'ha!"
Druf het e chüele Bergluft gweiht,
und 's het scho chleini Rife g'ha.

Und d'Blättli werde gel und roth
und fallen eis im andere no,
und was vom Bode obsi chunnt,
muß au zum Bode nidsi go.

Der lieb Gott het zum Winter gsait:
"Deck weidli zu, was übrig ist."
Druf het der Winter Flocke gstreut -
viil tausig Flocke, wyß und frisch.

 


Der liebe Gott hat zum Frühling gesagt: 
"Geh, deck dem Würmchen auch seinen Tisch!"
Darauf hat der Kirschbaum Blätter getragen,
viel tausend Blätter grün und frisch.

Und das Würmchen aus dem Ei erwacht es,
es hat geschlafen in seinem Winterhaus,
Es streckt sich und sperrt 's Mäulchen auf,
und reibt die blöden Augen aus.

Und darauf so hat es mit stillem Zahn,
an den Blättlein nacheinander genagt
und gesagt: "Wie ist das Gemüse so gut!
Man kommt schier nicht mehr weg davon."

Und wieder hat der liebe Gott gesagt:
"Deck jetzt dem Bienchen auch seinen Tisch."
Darauf hat der Kirschbaum Blüten getragen,
viel tausend Blüten weiß und frisch.

Und das Bienchen siehts und fliegt drauf los,
früh in der Sonne Morgenschein.
Es denkt: "Das wird mein Kaffee sein,
sie haben doch kostbares Porzellan.

Wie sauber sind die Becherlein gereinigt!"
Es streckt sein trockenes Zünglein hinein.
Es trinkt und sagt: "Wie schmeckt's so süss,
da muss der Zucker wohlfeil sein."

Der liebe Gott hat zum Sommer gesagt:
"Geh, deck dem Sperling auch seinen Tisch!"
Drauf hat der Kirschbaum Früchte getragen,
viel tausend Kirschen rot und frisch.

Und der Sperling sagt: "Ist das der Bericht?
Da sitzt man dazu und fragt nicht lang.
Das gibt mir Kraft in Mark und Bein,
und stärkt mir die Stimme zu neuem Gesang."

Der liebe Gott hat zum Herbst gesagt:
Räum ab, sie haben jetzt alle gehabt!"
Drauf hat eine kühle Bergluft geweht,
und 's hat schon leichten Raureif gehabt.

Und die Blätter werden gelb und rot
und fallen eins nach dem anderen,
und was vom Boden aufwärts kommt,
muss auch zum Boden runter gehn.

Der liebe Gott hat zum Winter gesagt:
"Deck rasch zu, was übrig ist."
Drauf hat der Winter Flocken gestreut -
viel tausend Flocken, weiß und frisch.

 

 

 
The good Lord said to spring:
“Go, set the little worm's table too!”
Then the cherry tree bore leaves,
many thousands of leaves, green and fresh.

And the little worm wakes up from its egg,
it has been sleeping in its winter home,
It stretches and opens its little mouth,
and rubs out its stupid eyes.

And then, with silent teeth,
gnawed at the leaves one by one
and said: “How good the vegetables are!
You can hardly get away from them.”

And again the good Lord said:
“Now set the bee's table too.”
Then the cherry tree bore blossoms,
many thousands of blossoms, white and fresh.

And the little bee sees it and flies off,
early in the morning sunshine.
It thinks: “That will be my coffee,
they have precious china.

How clean the little cups are cleaned!”
It sticks its dry tongue in.
She drinks and says: “How sweet it tastes,
the sugar must be favorable.”

The good Lord said to summer:
“Go, set the sparrow's table too!”
Then the cherry tree bore fruit,
many thousands of cherries, red and fresh.

And the sparrow says: “Is that the report?
You sit there and don't ask for long.
It gives me strength in my marrow and bones,
and strengthens my voice to sing again.”

The good Lord said to the autumnl:
Clear away, now they've all had it!”
Then a cool mountain breeze blew,
and there was already a light hoarfrost.

And the leaves are turning yellow and red
and fall one after the other,
and what comes up from the ground
must also go down to the ground.

The good Lord has said to winter:
“Quickly cover up what's left.”
Then Winter scattered flakes on top -
many thousands of flakes, white and fresh.
     
 
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Übersetzung in Hochdeutsch: Hansjürg Baumgartner

Übersetzung in Englisch: DeepL (free version)