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Betrachten wir uns zunächst einmal Hebels
Sichtweise, hier dokumentiert in einem Brief an Friedrich Wilhelm Hitzig
vom 27. März 1805:
Vor dem Uebersetzen
werde ich mich freilich, wie du auch warnest, hüten. Vestigia Fellneri
me terrent.
Denn so
viel ich an meinen und seinen Versuchen dazu bisher erkenne, vertragt
unsere Sprache durchaus nichts, was nicht in ihr selber erzeugt und
gebohren ist, sonst siehts aus wie eine fremde Seele in einem andern
Körper, oder, weil wir das nicht kennen, wie ein bekannter Mann von
feinem Geschmack und Sit[ten], auf einmal im Zwilchrock mit Orliger
gefüttert und allem linkischen Benehmen, das dazu gehört. Höchstens
müßte man das Hochdeutsche in den Dialekt hinüberdichten, aber ia nicht,
wie F.[ellner], blos hinübersetzen.
Und aus einem Brief
an Johann Georg Scheffner vom 2. August 1811:
Ich bezeuge Ihnen meinen verbindlichsten Dank für die Zusendung der
alemannischen Gedichte in hochdeutscher Schreibart. Sie haben in der
Uebersetzung derselben Ihren Beifall, womit Sie sie beehren, auf eine
Art ausgedrückt, die für mich nicht anderst als sehr schmeichelhaft und
ehrend seyn kann. Sie haben darinn Schwierigkeiten bekämpft, die
vielleicht niemand besser als ich durch eigene Versuche kenne. Ich kam
dadurch, wenn Sie mir diese Aufrichtigkeit erlauben wollen, nie weiter
als zu der Ueberzeugung, daß die Gedichte weniger übersezt, als neu ins
Hochdeutsche hinüber gedichtet werden sollten. Denn die gefällige
Naivetät eines Landmädchens ist nicht mehr das, was sie war, sobald es
sich in modischer Kleidung producirt. Daß das Idiotikon mangelhaft
ausfallen würde, besorgte ich selbst bey seiner Sammlung. Es ist für
einen Mann, der, wie ich, wenig mit den übrigen deutschen Volksdialekten
bekannt ist, sehr schwer zu beurtheilen, welche Ausdrücke des seinigen
den übrigen ebenfalls bekannt oder fremd sind.
Aus heutiger,
globalisierter Sicht, brauchen wir uns Hebels eigener Einschätzung nicht
notwendigerweise anzuschließen.
Es gibt inzwischen Übersetzungen seiner Kalendergeschichten und seiner
Biblischen Geschichten in viele Sprachen der Welt - in Italienisch,
Französisch, Holländisch (u.a. den 'Kannitverstan') - ja sogar in
Japanisch. Auch die Alemannischen Gedichte wurden bereits transformiert,
jedoch ausschließlich als mehr oder weniger gelungene Nachdichtungen, so
z. Bsp. von Richard Gäng 1960/1969 und Robert Reinick 1851 ins
Hochdeutsche, von Johann Meyer 1878 ins Plattdeutsche. Ebenfalls gibt es
- wie hier schon auf der Website eingestellt - sehr gelungene
Nachdichtungen einzelner Gedichte in Französisch (von Bernard Gillmann),
sowie in Englisch und Italienisch. Eingedenk Hebels eigener Einlassung
hat man sich bisher aber offensichtlich gescheut, die Alemannischen
Gedichte als wörtliche Übersetzungen zu bearbeiten (nur ganz selten und
in Einzelfällen z. Bsp. Die Vergänglichkeit von Arnold Stadler - die
aber leider einige textliche und inhaltliche Unrichtigkeiten aufweist).
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Let us first look at Hebel's point of view,
documented here in a letter to Friedrich Wilhelm Hitzig dated 27 March
1805: I will, of course,
beware of translating, as you also warned. Vestigia Fellneri me terrent.
For as far as I can see from my own and his attempts so far, our
language cannot tolerate anything that is not produced and born in
itself, otherwise, it looks like a foreign soul in another body, or,
because we do not know it, like a familiar man of fine taste and manners,
all of a sudden in a Zwilchrock, fed with orliger and all the gauche
behaviour that goes with it. At most, one would have to translate the
High German into the dialect, but not, like F.[ellner], merely translate
it.
And from a letter to Johann Georg
Scheffner dated 2 August 1811:
I would like to express my sincere
thanks to you for sending me the Alemannic poems in High German. In the
translation of the poems you have expressed your applause, with which
you honour them, in a way that is nothing but very flattering for me.
other than very flattering and honouring. In it you have combated
difficulties which perhaps no one knows better than I know from my own
experiments. As a result, if you will allow me this sincerity, I never
got any further but to the conviction that the poems should not so much
be translated as rewritten in High German. For the pleasing naiveté of a
country girl is no longer what it was as soon as she presents herself in
fashionable clothes. That the Idiotikon would be inadequate, I took care
of myself when collecting it. It is for a man who, like me, has little
with the other German folk dialects, very difficult to judge which
expressions of his are also known or unknown to the others.
From today's globalised perspective, we need not necessarily agree with
Hebel's own assessment.
There are now translations of his Calendar Tales and his Biblical Tales
into many of the world's languages - in Italian, French, Dutch (including
the ‘Kannitverstan’) - and even in Japanese. The Alemannic poems have
also been transformed, but only as more or less successful adaptations
e.g. by Richard Gäng in 1960/1969 and Robert Reinick in 1851 into High
German, and by Johann Meyer in 1878 into Low German. There are also - as
already posted here on the website - very successful adaptations of
individual poems in French (by Bernard Gillmann), as well as in English
and Italian. In view of Hebel's own admission, however, the Alemannic
poems have so far obviously shied away from editing the Alemannic poems
as literal translations (only very rarely and in isolated cases, e.g.
Die Vergänglichkeit by Arnold Stadler - which
unfortunately contains some textual and content-related inaccuracies). *
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Englisch ist
inzwischen unbestritten "die" Lingua Franca der Welt und so scheint es
mir an der Zeit, weitgehend text- und inhaltsgetreue Übersetzungen zu
erstellen. Dies um so mehr, als die Besucherstatistik dieser Website
inzwischen nahezu 1,5 Millionen Besucher aus mehr als 100 Ländern
aufweist, von denen die weitaus meisten aus sprachlichen Gründen mit den
Alemannischen Gedichten nicht viel bzw. gar nichts anfangen können.
Dazu unabdingbar ist aber zunächst eine wörtliche Übersetzung in die
Hochdeutsche Sprache wie hier schon geschehen:
http://hausen.pcom.de/jphebel/gedichte/vergänglichkeit_transkript_hochdeutsch.htm
und anschließend (mit Hilfe eines modernen, hoch qualifizierten
Übersetzungs-Programms) in die Englische Sprache:
http://hausen.pcom.de/jphebel/gedichte/vergänglichkeit_hochdeutsch_englisch.htm
Ziel ist es,
diejenigen der 5. Auflage von 1820 plus einige spätere, z. T. in den
Kalendergeschichten, in Briefen und im Nachlass aufgefundene,
insgesamt
ca. 50 Gedichte, soweit als irgend möglich, wortwörtlich zu übersetzen -
also bewusst keine Nachdichtungen zu kreieren.
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English is now undisputedly ‘the’
lingua franca of the world and so it seems to me that the time has come
to produce translations that are largely true to the text and content.
All the more so as the visitor statistics for this website now show
almost 1.5 million visitors from more than 100 countries, the vast
majority of whom, for linguistic reasons, cannot do much or anything at
all with the Alemannic poems.
However, a literal translation into the High German language is
essential, as already done here:
http://hausen.pcom.de/jphebel/gedichte/vergänglichkeit_transkript_hochdeutsch.htm
and then (with the help of a modern,
highly qualified translation programme) into English:
http://hausen.pcom.de/jphebel/gedichte/vergänglichkeit_hochdeutsch_englisch.htm
The aim is to include those from the 5th edition of 1820 plus some later
ones, some of which were found in the calendar histories, in letters and
in the estate, totalling around 50 poems to translate, as far as
possible, literally - in other words, deliberately not to create any
rewrites. |
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Zur Transkription in Hochdeutsch
und der Übersetzung in Englisch:
- Im Unterschied zu der immer wieder aufgestellten Behauptung, dass das
Alemannische, insbesondere bei Hebel nicht adäquat ins Hochdeutsche zu
übersetzen sei, stelle ich immer wieder fest, dass dem nicht so ist -
Hebel verwendet nur vergleichsweise wenige Wörter, die tatsächlich keine
"hochdeutsche Version" haben und deshalb umschrieben werden müssen.
Viele Wörter sind nahezu gleich, manche haben zumindest den gleichen
Stamm und sind nur wenig abgewandelt. Dies zeigt sich gut in der
parallelen Gegenüberstellung beider Darstellungen hier auf dieser
Website und wird meines Erachtens besonders deutlich bei dem Gedicht
'Die Wiese'.
- Einen großen Unterschied gibt es: die (häufig mögliche) starke
Verkürzung komplexer Wortverknüpfungen und Satzteile im Dialekt, welche
in der Hochsprache dann deutlich länger ausfallen.
- Eine Spezialität des A. und insbesondere bei Hebel ist die häufige Verwendung von
Diminutiven, deren durchaus vorhandenes Äquivalent im Hochdeutschen
tatsächlich in vielen Fällen die Lesbarkeit erschwert. Ich habe deshalb
in allen Fällen, in denen ein ungewohntes Schriftbild und eine
erschwerte Lesbarkeit gegeben war, die Form "klein/e/en/er + Nominativ"
(in Ausnahmefällen nur den Nominativ) gewählt - auch im Hinblick auf die
anschließende Übersetzung ins Englische.
- Hebel verwendet Satzzeichen, insbesondere Kommas (übrigens in allen
Schriften) auf eine für heutigen Sprachgebrauch ungewöhnliche Weise, ist
selbst aber auch ziemlich inkonsistent. Auch schreibt er nach den
Satzendezeichen (. ! ?) häufig klein weiter. In der Hochsprache
ist eine analoge Zeichensetzung kein Problem; in der englischen
Übersetzung habe ich mir erlaubt, Kommas zu setzen auch in Fällen, in
denen die englische Sprache normalerweise darauf verzichtet. Ebenso habe
ich die Groß- und Kleinschreibung, zumindest an den Zeilenanfängen
angepasst.
Es gibt zudem einige Fälle, in denen die Zeittypische Wortbedeutung
entweder verloren gegangen ist, Wörter heute fast unbekannt (man könnte
auch sagen: ausgestorben) sind oder es im Englischen keine wirklich
passenden Äquivalente gibt. Auch Hebels manchmal sehr eigenwilliger
Satzbau trägt dazu bei - auch guten Alemannisch-Sprechern erschließt
sich der Sinn oft erst nach mehrmaligem Lesen - und führt in Hochdeutsch
zu ungewöhnlichen Formulierungen , für die es im Englischen aufgrund der
verschiedenen Wortstellungen im Satz manchmal keine passende Lösung
gibt.
Beispielsweise meint Hebel beim 'Chilchhof' (= Kirchhof = church yard)
nicht den profanen Platz vor der Kirche, sondern immer den früher
fast ausschließlich direkt bei den Kirchen liegenden Platz, auf dem die
Toten beerdigt wurden, der im heutigen Sprachgebrauch als Friedhof = graveyard / cemetary bezeichnet wird - nur so erscheinen die Gedichte im
richtigen Licht.
Eine besondere Schwierigkeit bei der Übersetzung ist der in der
alemannischen wie in der deutschen Sprache und von Hebel häufig
verwendete "rhetorische Ich-Bezug" -
Beispiele: - "Straßenwirts Tochter, was hast du gedacht, und hast mir
ihn doch genommen?"
(aus 'Der Carfunkel'), der im der englischen Sprache meines Kenntnis
nach nicht vorkommt und daher nicht wörtlich zu übersetzen ist. Die
wirkliche Bedeutung ist: "Straßenwirts Tochter, was hast du gedacht, und
hast ihn doch genommen?"
- "Ziehst du mir etwa in das Dorf, und kommst an Meielis
Fenster..." (aus 'Die Feldhüter'), die wirkliche Bedeutung ist: "Ziehst
du etwa in das Dorf, und kommst an Meielis Fenster..."
Eine weitere Schwierigkeit für die
Übersetzung ins Hochdeutsche stellt die von Hebel nahezu durchgängige
Verwendung des Diminutivs dar, im Hinblick auf die Übersetzung ins
Englische habe ich deshalb alle Fälle mittels 'kleine/n/r + Grundform'
übersetzt. |
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On the transcription into High
German and the translation in English:
- In contrast to the repeated assertion that the Alemannic, especially
in Hebel's work, cannot be adequately translated into High German, I
have repeatedly found that this is not really the case - Hebel only uses
comparatively few words that do not actually have a ‘High German version’
and therefore must be paraphrased.
Many words are almost identical, some at least have the same stem and
are only slightly modified. This can be seen well in the parallel
juxtaposition of both representations here on this website and, in my
opinion, becomes particularly clear in the poem ‘The Wiese’.
There is one major difference: the (often possible) strong shortening of
complex word combinations and parts of sentences in dialect, which are
then significantly longer in the standard language.
- One speciality of the A. and especially with Hebel is the frequent use of
diminutives, whose quite existing equivalent in High German makes
readability in fact difficult in many cases. I have therefore chosen the
form ‘klein/e/en/er (little) + nominative’ in all cases in which an
unfamiliar typeface and difficult legibility were present (in
exceptional cases only the nominative case) - also with regard to the
subsequent translation into English.
- Hebel uses punctuation marks, especially commas (in all his writings,
by the way) in a way that is unusual for modern usage, but is also
rather inconsistent himself. He also often continues writing in lower
case after the end of a sentence (. ! ?). In the High level language,
analogue punctuation is not a problem; in the English translation, I
have taken the liberty of placing commas even in cases where the English
language normally dispenses with them. I have also adjusted the
capitalisation, at least at the beginning of the lines.
There are also some cases in which the word meaning typical of the time
has either been lost, words are almost unknown today (one could also say
extinct) or there are no really suitable equivalents in English. Hebel's
sometimes very idiosyncratic sentence structure also contributes to this
- even good Alemannic speakers often only realise the meaning after
reading it several times - leading to unusual formulations in High
German for which there is sometimes no suitable solution in English due
to the different word positions in the sentence.
For example, when Hebel uses 'Chilchhof' (= Kirchhof = churchyard), he does not
mean the profane place in front of the church, but always the place
where the dead were buried, which used to be almost exclusively next to
the church and is now called a Friedhof = graveyard / cemetary - just
like that the poems appear in the right light.
A particular difficulty in translation is the "rhetorical I-reference"
frequently used in Alemannic as well as in German and by Hebel -
Examples: - "Street innkeeper's daughter, what did you think, and yet you
took him from me?" (from 'The Carfuncle'), which to my
knowledge does not occur in English and therefore cannot be translated
literally. The real meaning is: "Street innkeeper's daughter, what did
you think, and yet you took him?"
- “Are you going to pull me into the village and come to
Meieli's window..." (from 'The field guardians'), the real meaning is
“Are you moving into the village and come to Meieli's window..."
A further difficulty for the translation into High German is Hebel's
almost universal use of the diminutive, so with regard to the translation
into English I have translated all cases using ‘kleine/n/r + Nominativ’ (=
little + nominative). |
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Der Vollständigkeit wegen habe ich auch
die Vorrede und die Vorworte der diversen Auflagen beigefügt, auch wenn
deren Übersetzung ins Englische dem dortigen Leser einiges abverlangt.
Eineraseits ist die Lautbildung des Alemannischen eine besondere
Schwierigkeit, andererseits, und das darf man nicht verkennen, zeichnet
sich Hebel durch eine gewisse Inkonsequenz bei der Anwendung der - von
ihm selbst definierten - Regeln aus.
Die in der Vorrede angesprochenen "Worterklärungen" (=Hebels Glossar)
sind der hochdeutsch-englischen Übersetzungsseite nicht beigefügt, sie
sind nur über die Hauptseite der A. G. zugänglich. |
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For the sake of completeness, I have
also included the preface and forewords of the various editions, even if
their translation into English demands a great deal from the reader
there. On the one hand, the phonetic formation of Alemannic is a
particular difficulty; on the other hand, and this should not be
overlooked, Hebel is characterised by a certain inconsistency in the
application of the rules he himself defined.
The ‘word explanations’ (=Hebel's glossary) mentioned in the preface are
not attached to the High German-English translation page; they are only
accessible via the main page of the A. G. |
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* Anmerkungen:
Vestigia
Fellneri me terrent = Fellners Spuren machen mir Angst >>
Ignaz Andreas Anton Adam Felner, * 17.
August 1754 in Freiburg; † 5. April 1825 z Merzhausen; Theologe,
Schriftsteller und Druckereibesitzer.
Zwilchstoff = Drillich ist eine dichte,
reißfeste und strapazierfähige Gewebekonstruktion in Köperbindung. Als
Material wird eingesetzt Baumwolle, Leinen, Halbleinen oder Wolle.
Orliger = grobes weißes Wollzeug, sog. Nördlinger Stoff.
Johann Georg Scheffner,
1736 - 1820, Lyrischer Dichter und
Übersetzer in Königsberg. Als solcher veröffentlichte er „Hebels
alemannische Lieder umzudeutschen versucht", Königsberg 1811, und
hatte sein Werk am 18. April mit einem Begleitschreiben an Hebel gelangen
lassen. Idiotikon = eig.
Wörterbuch, hier Hebels Worterklärungen zu den Alemannischen Gedichten.
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* Remarks
Vestigia Fellneri me terrent =
Fellner's footsteps frighten me >> Ignaz Andreas Anton Adam Felner, * 17
August 1754 in Freiburg; † 5 April 1825 in Merzhausen; theologian, writer
and print shop owner.
Zwilchstoff = Drillich is a dense,
tear-resistant and hard-wearing fabric construction in twill weave. The
material used is cotton, linen, half-linen or wool.
Orliger = coarse white woollen fabric,
so-called Nördlingen fabric.
Johann Georg Scheffner, 1736 - 1820,
lyric poet and translator in Königsberg. As such, he published ‘Hebels
alemannische Lieder umzudeutschen versucht’, Königsberg 1811, and had his
work sent to Hebel on 18 April with an accompanying letter.
Idiotikon = in fact dictionary, here Hebel's
word explanations for the Alemannic poems.
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