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Hephata, thue dich auf!
 

1

Woni am Sunntig früeih in mine Gidanke dohi gang,
's isch so lieb und heimlig gsi, und d'Sunne het gschiene
rechts und links an d'Dörfer und an die gwiisgete Chilchthürn;
und die Chilchthürn stehn und bschauen enander vo witem
übers Waizefeld und über die duftige Matte
und 's will ken der Afang mache: „Nochber fang du a!
bisch du nit der ältst' und hesch die chräftigste Glocke?"
„'s het jo no nit nüne gschlage", seit er zuem Nochber,
„und dort stoht e Burst im Feld, und lueget an d'Birbäum,
denk wol i will warte, se bringi 'n au no in d'Chilche."
Drum es het e Vögeli pfiffen, uffeme Birbaum
woni gstande bi, druff denki, woni em zulos:
predigt echt der Fink uf siner laubige Chanzle.
's chunt eim schier so vor, und d'Blümli sitzen und lose.
Nei wie lost das Glockeblümli, weger es schnuft nit,
wenni 's nummen au verstund! Er wirdene sage,
wie sie der himmlisch Vater do usem saftigen Erdrich
nährt und chleidet und puzt mit allerlei lieblige Farbe,
wenn sie scho nit spinnen und überbindlige neihe;
und es gangem selber so. Si Röckli seig gwachse,
wiener größer worde seig, er trag's doch afange
menge Monet Tag und Nacht und Suntig und Werchtig,
und es seig no nagelneu, wie ehnen am Schilfmeer
's Plunder blibe seig, wo d'Chinder Israel treit hen,
d'Schnider seigen all verlumpt, wo unterne gsi sin,
und er heig kei Schüren und heig kei Zehnden im Etter,
und kei Burgergab; doch gang der Vater im Himmel
nie verby, er geb em näumis, z'Morgen und z'Mittag;
het er nit so gseit, se hani mers so vorgstellt.
Woner ufghört het und woner 's Schnäbeli putzt het,
d'Immli hen scho Orgle gspilt, se denki, jez gangi
do dur d'Rebberg uf, und woni oben am Gupf bi,
lütets überal mit alle Glocken in d'Kilche.
Jo do bini, denki, 's isdi ordli, aß der au wartet,
bis me chunnt, und gang in d'Chilche. Was i drin ghört ha,
will i jez verzehle. - Gang, Vreni leng mer e Stuhl her!
Chanis nit sage, wie er, se willi 's sage wie ich's cha.
Betet hen sie wie bi üs und gorglet und gsunge;
wo sie gsunge hen, se chunnt der Pfarrer uf d'Chanzle
und dreiht's Stundeglas und rüttlet's e wenig und chlopft druf -
's het nit welle laufen und druf wo d'Orgle verbrummt het,
fangt er z' predigen a, vo sellem Tauben und Stumme,
wo ne fremde Ma am galliläische Meer her
gwandlet seig und heig dem Chranke d'Finger ans Ohr gleit
und an d'Zungen au, und wiener „Hephata" grüeift heig,
„Hephata, thue dich auf!" druf seig dem Chranke uf eimol
's Wasser in d'Auge gschosse: „Nei, loset, wie brusche die Welle",
heig er gseit, „wie pfift der Wind so lieblich im Schilfrohr
und wie singt der Fischer dort so lieblig am Ufer!"
Und der Vater und d'Muetter seig schier vor Freude vergange,
's seig e himmlisch Wunder gsi. Der Doctor chönts nit so,
's seig e chräftig Wort, das Hephata, seit er, vom Himmel.
Jo, 's mueß chräftig si! I möchts wol au ne mol höre,
hani denkt, und woni's denk, se frogt er: „Und tönts nit
wome numme lost, an allen Enden und Orte?
und uf allen Matten, in allen menschlichen Herzen? 
Stöhnt e mol im Winter ufs Feld und lueget wies ussieht!
Alles isch harte Stei, und alli Pflanze vertrocknet,
alli Bäch sin gfroren und mühsam dreiht si no's Mühlrad,
alli Fenster verschlossen und alli Thüre mit Strau deckt
un kei Trostle singt, ke Summervögeli sunnt si;
's isch scho Lichtmeß - 's wird nit anderst, - d' Fasten isch au do
 und me meint, es blib jez so, und weiß em nit zhelfe,
bis im Mertz en andere chunnt, und Hephata ausspricht:
,Hephata, thue dich auf!' - Wie weiht der Thauwind so lieblig,
seit der Vatter zum Suhn, wo uffe Stauffemer Mert chunt,
und chnüpft 's Brusttuch uf. Wie wird der Bode so lucker,
los, wies rieslet und tropft und lueg doch, wie alles so grün wird!
Und deheim seit d'Mutter: Gang Töchterli weidli ans Fenster,
loß der Frühlig in d'Stuben und sag em fründli Gottwilche
und lönt d'Schöfli us, der Hirt fahrt ebe durs Dorf ab.
Jez chunt alles in Trieb und schießt in heimlige Chnospen
in de Gärten am Hag und an de laubige Bäume;
und der Vogel, wo vor Churzem d'Wegstür nit gha het,
isch e riche Ma, und het in alle Reviere
Würmli uf der Weid, uf alle Bündtene 's Zehndrecht,
het si eige Huus und Hof; die flißigi Huusfrau
baut e Bettli dri, und wemme näume derzu chunt,
nei, se bhüetis Gott, was lit im Bettli verborge:
goldni Eili rund und chli, mit Düpflene gsprenklet.
Was isch in de Chnospe, was isch im Eili verborge?
Niemes weißt's und niemes luegt und nieme cha's ufthue;
's Vögeli selber it, doch sizt es geduldig und wartet,
bis die Stimm vom Himmel chunnt und Hephata ausspricht.
Und es tönt jez Tag und Nacht und Sunntig und Werchtig:
,Hephata, thue dich auf!' und alli höre's und folge;
und me het nit Auge gnug zum freudige Bschaue;
's hangt an alle Hürsten, an alle luftige Bäume,
's duftet in alle Gärten und stoht in prächtige Gstalte.
Goldeni Chäfer schwirre. Sie hen das Hephata au ghört." -
Druf lengt der Pfarrer in Sack und nimmt e Prisen und schnupften
und luegt no nem Stundeglas und pöperlet wieder - 
„Hephata, thue dich auf!"


2*

Amme Suntig früh, se gangi in mine Gidanke
uf der Stroß spatzieren und wies eim öppen au go cha,
chummi witer äs i weiß und äs i ha welle.
Drum 's isch au so heimlig gsi und d'Sunne het gschiene
rechts und links an d'Dörfer und an die gwiißgete Kilchthürn,
und die Chilchthürn stöhn und bschauen enander vo witem,
über 's Waitzefeld und über die duftige Matte,
und 's will kein der Afang mache? „Nochber, fang du a!
Bisch nit der ältst' und hesch die chräftigste Glocke?" -
„'s het jo no nit nüni gschlage", seit er zum Nochber,
„und sie tränke no an alle Brunne und hole
in der Metzg no Fleisch und flechte de Chindere d'Zupfe."
Sieder gangi und gang, und los, wie d'Vögeli froh sin,
wil es Sunntig isch und wil sie elleinig im Feld sin,
und pfif au mi Morge-Psalm und d'Vögeli lose,
luegen enander a und denke, das isch e Lehrjung,
Nu i gang dur d'Rebberg uf in mine Gidanke,
- 's het scho weichi Trübli gha und zitige Beeri -
bis es zseme lütet an allen Enden und Orte,
übers Stopplefeld und über die grasige Matte;
und es lüpft mer 's Herz und 's Wasser schießt mir in d'Auge:
„Gosch jez in kei Chilene, und goht der Suntig di nüt a?"
sagi zue mer und lauf und chumm no ebe wils Zit isch
anne Chilchhof uff em Gupf und schlenkere's Gertli,
won i gha ha, weg und denk, jez gangi uf grohtwol
zue der nächste Thüren i und setz mi, wo's Platz isch,
zu de Mannen oder Bueben oder uf d'Orgle.
Und jez loset, was der Pfarrer predigt und gseit het;
chanis it sage wie er, se will is sage, wie ichs cha. -
Vreneli leng mer e Stuhl und jag z'erst d'Hüner zur Thür us.
 
Betet hen sie, wie by üs und gorglet und gsunge.
Wo sie gsunge hen, se stigt der Pfarrer uf d'Chanzle
und dreiht's Stundeglas und rüttlets e wenig und chlopft druf;
's het nit welle laufe, und druff, wo d'Orgle verbrummt het,
fangt er e Predig a vo sellem Tauben und Stumme,
wo ne fremde Ma am galliläische Meer her
gwandlet seig und heig dem Chranke d'Finger ins Ohr gleit
und uf d'Lefzgen au, und wiener Hephata grüft heig:
„Hephata, thue dich auf!" se seig dem Chranken uf eimol
's Wasser in d'Auge gschosse.  „Nei loset, wie brusche die Welle!"
heig er gseit, „wie pfift der Wind so lieblig im Schilfrohr!
Nei wie singt der Fischer dort so lieblig am Ufer!"
Und der Vater und d'Mutter seig schier vor Freude vergange,
's isch e chräftig Wort, das Hephata, seit er, vom Himmel,
's thuts kei Dokter no, kei Apotheker vo Sulzburg.
 
Jo 's mueß chräftig si; wol möchti 's au ne mol höre,
hani denkt, und wienis denk, se seit er: Und tönts nit
wo me numme loset, an allen Enden und Orte
und uf alle Matten in alle menschliche Herze!
Am Dreikünigtag wie isch der Bode mit Schnee deckt,
hart und chalt, voll G'söm und G'würm e ledige Chilchhof.
Tribt e Gräsli, lacht e Blüemli, zittigt e Chörnli?
's duuren ein die arme Vögel, Spatzen und Finke,
und die arme Lüt in ihrem verrissene Plunder.
Wuchen um Wuche vergoht. Es isch scho Pauli Bekehrung,
's wird nit änderst, numme d'Noth wird größer und herber,
d'Lichtmeß chunnt, 's isch no wie almig; d'Fasten isch au do.
Und der Vogt und 's Gricht, der Kayser und sine Saldate
zwinge 's nit. Kei Menschewort dringt aben in Bode,
bis im Merz en andere chunt und Hephata ausspricht.
„Hephata, thue dich auf!" Wie weiht der Tauwind so liebli,
seit der Vater zum Suhn, wo mit enander in Wald göhn,
und chnüpft 's Brusttuch uf, - wie wird der Bode so lucker! Loos, wie's rislet und tropft und lueg doch, wie alles so grün wird,
und deheim seit d'Mutter: Gang Töchterli weidli ans Fenster,
loß mer de Fruehlig in d'Stube mit sine heitere Auge
und löhnt d'Schöfli us, der Hirt fahrt ebe durs Dorf ab.
 
Jetz chunnt alles in Trieb und schießt in heimlichi Chnospe,
in de Gärten, im Feld, an alle Bäumen und Hecke;
un der Vogel, wo vor churzem d'Wegstüür nit gha het,
isch e riche Buur. Er het in alle Reviere
Würmli uf der Weid, in alle Bündtene 's Zehndrecht,
het si eige Huus und Hof. Die flißige Huusfrau
baut e Bettli dri, und wemme näume derzu chunnt,
nei, se bhütis Gott, was lit im Bettli verborge?
Goldni Eili, rund und chly, mit Düpflene gsprenklet.
Was isch in de Chnospe, was isch im Eili verborge?
Niemes weißt's und niemes luegt und nieme cha's ufthue.
Tag um Tag vergeht, der Ostermentig und Zistig,
bis die Stimm vom Himmel tönt und Hephata ausspricht.
Und jez rueft es Tag und Nacht und Sunntig und Werchtig:
„Hephata, thue dich auf!" und 's höre 's alli und folge.
Und me het nit Auge gnug zum freudige Bschaue:
's Chnöspli thut si uf. O lueg die schöni Zirinkli!
's Vögeli fliegt vom Nest; o lueg e Stübli voll Chinder! -
He es währt vom Ostertag e freudige Fyrtig,
bis zum Pfingstfest, Tag und Nacht und Sunntig und Werchtig;
's glitzeret z'sendum wie Gold und Silber und Demant,
's wählt e Blüetheduft ab alle Bäumen und Hecke,
's tönt, me weiß nit was, in alle Gärten und Matte
wie Clavier- und Harpheton und silberne Glöckli;
wo me lost und wo me luegt isch Leben und Lebe,
d'Gluckere goht selb zwölft und d'Lämli weiden im Grüne,
d'Halme schieße, d'Aere schwanke, d'Saegese juckt scho,
und me seit Gottlob und Dank und wartet afange
uf e warme Rege. Was seit der Barometer?
Obe will er usen und 's rüttle bringt en nit abe,
und der Himmel isch zue, wie zu den Ziten Eliä,
zweiten Buch der Könige Kapitel das siebzehnt.

   
 

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2*
  Wahrscheinlich spätere Fassung des vorherigen Gedichts