Die Briefe an Gustave Fecht
 

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Vor allen anderen ist es Gustave Fecht gewesen, die Hebel angezogen hat.
Das Leben hat dieser Liebe zwar keine Erfüllung gewährt, wohl aber danken wir ihr - und der durch Hebels Berufung nach Karlsruhe erfolgten Trennung - die lautersten, innigsten und ergreifendsten Töne aus Hebels Briefkonzert, weil hier, nach Wilhelm Altweggs Worten, „die Schöpferkraft des Eros füllespendend mit am Werke war und weil das Gefühl, mit jedem Worte an ein nicht zu Berührendes rühren zu können, so vieles in der Verhüllung des Bildes aussprechen ließ".


Gustave Fecht (1768-1828).  Jugendbild von unbek. Hand
(Ausschnitt). Bildarchiv C. F. Müller, Karlsruhe


Vom respektvollen „Sie" zum vertraulichen „Du" sind diese Briefe niemals vorgedrungen - eine seltsam reizvolle Mischung von Nähe und Distanz.

Übrigens ist der letzte Brief, den wir von Hebels Hand besitzen, an Gustave Fecht gerichtet. Waren die bisherigen Briefe mit mannigfachen Versicherungen der Liebe, Treue und Ergebenheit unterzeichnet, dieser endet mit den Worten „Ewig — Ihr Hebel".
 
Geboren wurde Gustave Wilhelmine Fecht am 22. 8. 1768 als zweites von insgesamt 10 Kindern (von denen nur 4 das Kindesalter überlebten) des Pfarrers von Eimeldingen Martin Fecht und seiner Frau Karoline Magdalene. Martin Fecht verstarb 1779 im Alter von 66 Jahren - Gustave war noch keine 11 Jahre alt.

1779 fiel Tobias Günttert die Leitung des Pädagogiums in Lörrach zu. In seiner Eigenschaft als Prorektor wurde er Vorgesetzter des Präzeptoriatsvikars Hebel. Die dienstlichen Beziehungen verwandelten sich bald, zumal Hebel am Mittagstische des Schulleiters teilnahm, in lebenslängliche herzliche Freundschaft. Seit 1782 war Günttert mit Karoline Auguste Fecht, einer weiteren Tochter des Pfarrers Martin Fecht verheiratet.

Ende der achtziger Jahre übersiedelten Güntterts Schwiegermutter, Karoline Magdalene und Gustave zunächst ins Lörracher Kapitelhaus. Hier traf Hebel erstmals die "Jungfer Gustave" - täglich begegneten sie sich am Mittagstisch im Pädagogium. 1790 übernahm Günttert die Pfarrei im nahen Weil, der er bis zu seinem Tode im Jahre 1821 treugeblieben ist. Das geräumige Weiler Pfarrhaus mit Garten und Rebgelände wurde für den Lörracher Präzeptoriatsvikar das Ziel seiner fast täglich unternommenen Wanderungen und sein Wochenendparadies.
Nach Güntterts Versetzung folgten ihm Schwiegermutter und Schwägerin ins Weiler Pfarrhaus, in dem sie bis zu seinem Tod rund 30 Jahre zusammen verbrachten. Zwar musste Gustave in der Folge das Pfarrhaus verlassen, sie lebte jedoch weiter in Weil, wo sie am 23. April 1828, nur 19 Monate nach Hebel starb.

Neun Wochen vor ihrem Tode schenkte Gustave die 'Alemannischen Gedichte' dem 'Her[r] Stephan' = Stefan Schönin, dem einstigen Knecht des Weiler Pfarrhauses, der 1813 nach Karlsruhe einrücken musste und für den als Soldaten sich Hebel mehrfach verwendet hatte. Neben Teilen ihres Testamentes ist die beigefügte Widmung das einzige erhaltene eigenhändige schriftliche Dokument Gustave Fechts.

 


Gang Büchli zum Her 
   Stephan! un grüß mer en, u[n]*
 
   sag do bin zum Adenke an
 
   de woni der Name von em
 
   ha. De hesch en jo gut chkennt,
 
  
und er het der jo au Guts th[ue/o]* 
un e große Gfalle derzu.
 
Denk au an die woner allm[ig]*
 
     zu ene cho isch, ins Pfarrhus,
 
     an die Verstorbene, un vergi[ß]*
 
     die gute Lehre nit, seyg from  **
 
     un ehrli, das währt doch am län[gste.]*
 
     Un wen die wo jetz no do sin, au
 
     selle Weg gange sin, so denk au an
 
     sie. Jä so! Glück un Gsundheit sol[l i]* +
 
     au wünsche, un brave folgsame
 
     Chinder. Das geb Gott der Her.
 
     Weil d. 14ten Februar 1828  G. W. Fecht
 
 

Widmung von Gustave Wilhelmine Fecht
zu einem Bändchen der "Alemannischen Gedichte", 14. Februar 1828. Universitätsbibliothek Basel.

*   Vermutliche Wortenden, die aufgrund der herausgerissenen Seite fehlen.

** Konsonantenverdoppelungen wurden häufig, so auch von Gustave, mit Reduplikationsstrich
     geschrieben: m = mm.

+ Glück un Gsundheit soll i au wünsche, un brave folgsame Chinder.
Vom Sinn des Satzes her darf man vermuten, dass hier das i (= ich) fehlt.

 

     
     

In der Weiler Zeitung erschien am  8. 9. 2012 folgender Artikel
(der Schreiber dieser Zeilen wurde leider nicht genannt):


Keiner von beiden tat den entscheidenden Schritt

Vor 200 Jahren hat Johann Peter Hebel Gustave Fecht zum letzten Mal in Weil am Rhein besucht

Weil am Rhein (sat). Sicher konnte Gustave Fecht nicht ahnen, dass ihr einmal ein Denkmal gesetzt werden würde. Gustave Wilhelmine Fecht, geboren am 22. August 1768 in Eimeldingen, war ein Spross aus der badischen Pfarrer-Dynastie Fecht. Sie lebte im gehobenen Stand jener Zeit und förderte aktiv das Weiler Dorfleben, erteilte Unterricht in Frauenarbeiten, rief ein Lesekränzchen für heranwachsende Mädchen ins Leben und sang im Chor. Vor allem liebte sie ihren Garten.

225 Jahre ist es nun her, dass Pfarrer Tobias Günttert und seine Frau Caroline Auguste, geb. Fecht, die jüngere Schwester Gustave sowie die Mutter Caroline Magdalena Fecht, geborene Kissling, zu sich ins kinderlose Heim ins Kapitelhaus nach Lörrach holten. Ein Jahr später lernte Johann Peter Hebel, ein enger Freund von Tobias Günttert, in dessen Haus die damals 20-jährige Gustave Fecht kennen, die "von großem schlanken Wuchs war und deren schönes Blau ihrer Augen und das Blond voller Haarflechten ihr Anmut und Reiz des Leibes verliehen". Gustave galt als "durchdringende Klugheit mit unerschrockener Tapferkeit, mit Gemüt und Gefühl, aber mit einer Zurückhaltung, die an Herbheit grenzte".

1790 wurde Tobias Günttert Pfarrer in Weil und bezog mit Frau, Schwiegermutter und Schwägerin Gustave das Weiler Pfarrhaus, den Domhof. Gustave wurde zu Hebels Anziehungspunkt in Weil und Hauptgrund seiner fast täglichen Besuche. Hebel war bei der ganzen Familie willkommen und mehr Familienmitglied als Gast. Man vergnügte sich beim gemeinsamen Singen, Unterhalten und bei Gesellschaftsspielen. Gustave und Hebel verband ein inniges Verhältnis, aber keiner tat den entscheidenden Schritt.

Im November 1791 nahm Hebel Abschied, um die Stelle als Subdiakonus in Karlsruhe anzutreten. Doch das vertraute Verhältnis blieb. Es setzte ein reger und inniger Briefwechsel ein, der bis zum Tode Hebels anhielt. Viele dieser Briefe galten der "treuesten Freundin seines Herzens", der "werthesten Gustave", der "liebsten Jungfer Gustave".

Fünf Jahre nach seinem Weggang stattete Hebel dem Weiler Pfarrhof einen Besuch ab, worauf viele weitere folgten. Vor 200 Jahren, im Jahre 1812, besuchte Hebel ein letztes Mal die Günttertsche Familie. Gustave sah Hebel zum letzten Mal. Er war den beschwerlichen Reisen nicht mehr gewachsen.

Gustave erhielt 1826 einen mit 31. Juli datierten Brief mit dem Abschluss "Leben Sie wohl, Teuerste. Ewig Ihr Hebel". Wenige Wochen später starb Hebel am 22. September 1826 im Alter von 66 Jahren. Es war nach 35 Jahren der letzte Brief, den Gustave von ihm erhielt. Der Briefwechsel zwischen den beiden gehört zu den schönsten, die die Literaturgeschichte kennt. Keine zwei Jahre später starb Gustave am 23. April 1828, im Alter von 59 Jahren. Keiner von beiden hatte je geheiratet.

Wahrscheinlich hätte sich kaum jemand an Gustave erinnert, wenn nicht acht Jahre später, im Nachlass ihrer verstorbenen Schwester, der Pfarrwitwe Günttert, Hebels Briefe an Gustave gefunden worden wären. 1880 wurde von Hebel-Freunden an der Weiler Kirchenmauer zur Erinnerung an "Hebels Freundin" ein marmorner Gedenkstein gesetzt, ungefähr dort, wo Gustaves Grab war. Vier Jahre zuvor wurde der Friedhof außerhalb des Dorfes angelegt. Ihr Grabstein war nicht mehr vorhanden.

1921 veröffentlichte Hebelfreund Dr. Wilhelm Zentner alle bis dahin bekannten Briefe von Hebel an Gustave. Ihre Briefe an Hebel sind nicht erhalten.

 

     
 

 


Die Auswahl der o. a. Zitate orientiert sich u. a. an:

Johann Peter Hebel: Briefe; ausgewählt und eingeleitet von Wilhelm Zentner;
C. F. Müller, Karlsruhe & Langewiesche-Brandt, Ebenhausen bei München, 1976

 
 
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