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AN WILHELM WEISS

   

Ich sende Ihnen, theuerster Herr Regierungsrath und Freund, das mitgetheilte Gedicht ergebenst zurück.

Wenn der Verfasser eine andere Absicht gehabt hätte, als an dem Geburtstag seines Souveräns durch Darlegung seiner Gefühle sein Herz zu befridigen, so möchte ich es wohl mit einem Specimen philologicum eines studirenden Jünglings vergleichen, der das griechische Metrum kennt, seinen Horaz gelesen hat, und sich nun lobenswerth in den ersten, wenn auch noch unglücklichen Versuchen der Nachahmung übt.

Er will den Tag heiliger Feier besingen, an welchem dem beglückten Baden das größte und beste zuTheil ward, was die Himmlischen ihm gewähren konnten.

Die Muse soll ihm beistehen, während er den Preis des Besten unter den Herrschern ausspricht.

Die Haine und sonnenreichen Fluren sollen sein Feierlied in Assonanzen begleiten.

Zuerst gedenkt er der väterlichen Herrschersorge, die den Friden der getreuen Bürger bewahrt und die finstern Wolken der Bekümmernisse zertheilt.

Zu dem Fürsten hat Zutritt, wer sich nicht zu rathen weiß. Er gewähret milden Trost mit hoher angestammter Liebe zu seinem Volk, das unter ihm in seinen blühenden Zustand zurück kehrt. Es entflieht der aufgelöste Winter;

wie ein ehrwürdiger Hirte im Frühling führt und weidet er die Herde auf grünender Trift. Es kehren wieder die goldenen Zeiten.

Die feste Stütze seines Thrones ist die Gerechtigkeit.

Ihn vergnügt nicht der furchtbare Waffenblitz, das Geräusch des blutigen Kriegs wo stöhnend der Jüngling (auf dem Schlachtfeld) stirbt.

Denn sanften Fridens freuet er sich, wo der Jüngling liebliche Felder pflügt und mit kräftiger Hand Saatkörner ausstreut.

Fürwahr er ist der Vater des Vaterlandes, würdig des Ruhmes seines Erzeugers, der die ewig leuchtenden Palläste bewohnt.

Schon glänzt am Himmel der strahlenreiche Stern seines Ruhms, und grünender Lorbeer umschattet sein Haupt.

Dis ist, bester Herr Regierungsrath, der Gang und Innhalt des Gedichtes, und ich weiß nicht, ob die Verarbeitung dieser Ideen, so schön sie an sich lauten, eine wörtliche Übersetzung vertragt, indem sich der Verfasser in den Schranken des Metrums gar sonderbar windet, wäre aber, wie es sich von selbst versteht, dazu in dem Augenblick bereit, so bald Sie mir sagen, daß S.[eine] K.[önigliche] H.[ohheit] es zu verlangen scheinet.

Mit inniger Hochachtung und Liebe      Ihr ergebenster

 Hebel              

d. 12 ten Febr. [1819*].

 

 

* lt. Angabe der BLB Krhe gehört der Brief in das Jahr 1825. Dies trifft, wenn man die Handschrift mit anderen Briefen aus beiden Jahren vergleicht, m. E. nicht zu.

 

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