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AN FRAU WEILER

   

Meine theuerste Freundinn!                                             d. 15 ten Apr. [1809]

Ich adressire an Sie ein Brieflein an unsern Daniel und an einen seiner hingen Freunde, das heißt: ich suche und benutze die Gelegenheit an Sie zu schreiben, und Ihnen zu sagen, wie sehr ich Sie liebe. Aber das dürfte und sollte ich ia, ohne auf eine Gelegenheit dazu zu warten. Freylich! Und es ist unartig, daß ichs nicht öfter thue! Lieber will ichs selber gestehen und Sie damit versöhnen, als den Vorwurl von Ihnen hören. Die bösen Leute, die mir so viel Geschäfte machen! Sie nöthigen mich nicht nur viel Unangenehmes zu thun. Sie machen mir oft auch die Erfüllung lieber und angenehmer Pflichten unmöglich. Aber wozu die Klagen, die nichts helfen?

Sind Sie gesund, meine Beste? und heiter? Ist Daniel immer fleißig und gut? —
O warum frage ich, woran ich nie zweifeln kann. Hat die Erscheinung des Kaysers viel Lebhaftigkeit in Groß-Straßburg erregt? Ich beneide den glücklichen Monarchen mit allen seinen Siegen und Millionen und Marschällen nie, als wenn ich ihn in Straßburg weiß, und wenn ich an seiner Stelle wäre, so wollt ich den Oestreichern gute Geduld wünschen, bis ich käme. Heute wird er hier erwartet, und mit aller pomphaften Feyerlichkeit empfangen werden, die man mit 4 Feldstücken, 6 Glocken und zwey Hoftrompeten herausbringen kann. Ich werde ihn warscheinlich nicht sehn sondern mit dem Klang und Schall zufrieden seyn. Es gibt Verhältnisse, in welchen große Herrn gerne einander ausweichen. Er könnte zum Beispiel in diesem Augenblick sicher und ungenirt einfahren. Den Brief an Sie und die liebe Unterhaltung mit Ihnen wollt ich deswegen nicht ligen lassen. Wenigstens nicht mehr bis Morgen, denn die zwey Brieflein, die ich Ihnen einschließe sind seit dem 7ten schon alt genug, so lange hinderten mich entweder die Geschäfte, oder die üble Laune, die solcher Geschäfte Tochter ist an Sie zu schreiben.

Nachmittags: Unterdessen war ich aber doch auf dem hiesigen Gemeindehaus, das heißt auf dem hiesigen Spiegel, das heißt in dem hiesigen Caffehaus. Sie werden sehr über uns lachen, daß wir schon den ganzen Vormittag auf den Kayser warteten, der vielleicht noch nicht einmal in diesem Augenblick in Straßburg ist, die Bürgermiliz, die seit früh um 6 Uhr zum Paradiren bereit stand, ist auch heim zum Mittagessen. Wir sind sehr gut mit sichern Nachrichten bedient.

Aber da ist schon das Papir wieder am Rand, und ich wollte mich bisher nur in eine gute Laune hineinschreiben, und erst recht anfangen. Sehn Sie diesen Brief einsweilen als das praeludium zum folgenden an und bleiben Sie gut, recht gut

Ihrem Freund     H.                


Meine Grüße Herrn Weiler und den Familien Schneegans und Haufe.

 

 

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