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AN DANIEL WEILER

   

[Zweite Hälfte August 1808]       

Bald, lieber Daniel, könnten Sie etwas mißlaunig werden über mein langes Stillschweigen, oder sind Sie es vielleicht schon. Zum Theil hielten mich die Geschäfte ab, ein wenig wollt ich Sie auch strafen, daß Sie mich etwas lange auf Nachricht warten ließen. Doch weiß ich lezteres zu entschuldigen. Ihre Arbeiten erfordern auch Zeit, und Sie wollten warten, bis Sie mir etwas Ausführliches von Ihren Angelegenheiten sagen könnten, an denen ich, wie Sie wissen, den freundlichsten Antheil nehme. Möge es Ihnen immer gut gehen, und keine Gelegenheit fehlen, Ihre edle Lernbegierde zu befridigen. Ohne Zweifel hat nun Ihr freudiger Fleiß schon ein schönes Stück Arbeit zurückgelegt, und sieht mit Ungeduld der neuen Laufbahn des nächsten Semesters entgegen. Bei Ihren Freunden, die Sie hier zurück ließen, geht alles auch ziemlich gut. Plutarchs Cicero wird mit viel Interesse gelesen, ob er gleich anfänglich schwer scheinen, und von Xenophon weg, nicht recht behagen wollte. Oft wünsche ich, daß Sie dabey wären. Theokrit kommt erst im Winter an die Ordnung. Die Hirten und Sommerlieder sind erfreulicher im Winter, und wirken inniger und lebhafter auf die Phantasie. Im Hebräischen hab ich eine Trennung gemacht; Rink liest mit dem Veteraner Gockel. Künftige Woche fangen wir den Jeremias an, doch nicht die Klagelieder. Ningler und Engler haben eine eigene Stunde in den Büchern Samuels. Lezterer liest den Text schon ziemlich richtig, ohne Punkten, und kommt gut im Uebersetzen nach. Ich habe ihm eine eigene Theorie dazu ausgesonnen, die sich dem Arabischen nähert, und nach welcher es leichter ist, als mit Punkten und vielleicht so gar richtiger. Letztere sind bekanntlich nur ein späteres und sehr spitzfindiges Machwerk. Obermüller und Fröhlich, die nun auch Theologie studiren, haben noch Privatstunden bei Hrn. Gerstner, der wohl auf ist, und Sie grüßt. In der Rhetorick gehts noch etwas curios. Der eine fliegt in den Wolken, der andre kriecht auf der Erde, überall fehlt es noch an Fülle und Gediegenheit der Gedanken, wie begreiflich und verzeihlich. Bald denken wir nun an die Arbeiten für das Examen, und an den Ausflug in die Ferien.

Die Gebäude auf dem Platz des alten Lycei stehen nun schon meistens 3 und 4 Stöckig unter Dach. In eines derselben wird die Lesegesellschaft schon d. 23sten Oktober einziehen. Wir haben es für 2000 fl. Jährlich gemiethet. Das neue Comoedienhaus ist auch schon bald vollendet, und wird sehr schön. Wenn Sie uns im Winter hoffentlich einen Besuch machen, und zu einer schönen Vorstellung kommen, z. B. zum Herodes von Bethlehem, oder zu Holofernes und Judith, werden Sie sich selber davon überzeugen.

Wie gefällt oder gefiel es unsern Truppen in Straßburg? Wußten sich unsre Offizire in ein rechtes Ansehen zu setzen? Vermuthlich weiß man droben noch nichts davon, daß sie Straßburg für Baden in Besitz nehmen werden. Ich hätte Sie schon lang gern zum Landsmann gehabt.

Grüßen Sie von mir Ihre Eltern und Ihren Bruder. Sie werden bei Ihrer guten Mutter viel für mich zu entschuldigen haben, da ich schon so lange nicht an sie geschrieben habe. Bald soll es geschehen, oder ich komme selber um mich von ihr auszanken zu lassen. Seyen Sie unterdessen mein guter Fürsprecher, bei ihr. Sie wissen wie sehr ich sie liebe und hochschätze. Mögen Sie uns gesund und heiter seyn.

Bei Hrn Kirchenrath Sander steht alles wohl. Er war drei Wochen in Baden, wo ich ihn auf ein paar Tage besuchte. Nun leben Sie wohl, mein lieber iunger Freund. Ich bin mit den besten Gesinnungen

Ihr ergebener       H.                

 

 

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